Berlin: (hib/OHO) "Tschetschenien
ist zerstört", sagte die Amnesty International-Preisträgerin
und Repräsentantin des Netzwerks "Migration und Recht"
Swetlana Gannuschkina in der öffentlichen Anhörung des Ausschusses
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwochnachmittag.
Orleg Orlev von der Hilfsorganisation "Memorial" sprach
von einer "Eskalation der Gewalt". Über 60 Menschen
seien allein im Januar und im Februar dieses Jahres in Tschetschenien
verschwunden, sagte Diederik Lohmann von "Human Rights Watch".
Das bedeute hochgerechnet mehr als 700 Menschen pro Jahr, so Lohmann
weiter. Über die menschenrechtliche Situation und die humanitäre
Lage der tschetschenischen Bevölkerung drückten auch Vertreter
anderer Menschenrechts- und Hilfsorganisationen ihre Besorgnis aus.
Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen", die
sich seit Beginn des Krieges in Inguschetien, Tschetschenien und
Dagestan engagiert, zeigte sich in einer schriftlichen Stellungnahme
besorgt über die Lage der Flüchtlinge, die im Laufe des
Tschetschenienkonflikts nach Inguschetien geflohen sind.
Es werde zunehmend Druck auf die Menschen ausgeübt, wieder
nach Tschetschenien zurückzukehren. 180 von der Organisation
aufgebaute Unterkünfte stünden leer, weil der Zugang zu
ihnen verboten worden sei.
"Die Vertriebenen haben keine Wahl, sie scheinen zurückkehren
zu müssen", schreibt die Hilfsorganisation. 98 Prozent
wollten dies jedoch nicht. Sie zögen Inguschetien vor, obgleich
sie dort unter inakzeptablen Bedingungen leben müssten.
52 Prozent der Befragten lebten nach Angaben der Organisation in
Zelten, die entweder undicht sind oder keinen Boden haben. Die Organisation
ruft den inguschetischen Präsidenten und die russischen Bundesbehörden
auf, die Grundrechte der Vertriebenen zu respektieren und sie nicht
zu einer Rückkehr zu zwingen.
Gannuschkina berichtete, die zurückkehrenden Flüchtlinge
hätten wie die übrige Bevölkerung oft weder Wasser
noch Strom. Ihre Sparbücher seien nichts mehr wert und für
zerstörtes Eigentum gebe es keine Entschädigung, wie ihnen
oft zuvor als "Köder zur Rückkehr" in Aussicht
gestellt wurde.
Von einem "Teufelskreis" sprach Orlov. Er prangerte insbesondere
an, dass gegenüber Soldaten, die Verbrechen an der tschetschenischen
Bevölkerung begangen haben, überwiegend nur "symbolische
Strafen" verhängt worden seien oder die Täter gänzlich
ohne Strafe davonkämen.
"Memorial" forderte die internationale Gemeinschaft auf,
das Vorgehen und die Methoden der russischen Armee in Tschetschenien
"deutlich und eindeutig zu verurteilen".
|