Memorandum "Zuwanderung und Integration in den neuen Bundeslaendern"
 
Pressemitteilung vom 13.01.2003
 

IEine "neue Ernsthaftigkeit in der auslaenderpolitischen Debatte" und eine bessere Beruecksichtigung der Bedingungen der neuen Bundeslaender bei der Entwicklung integrationspolitischer Konzepte haben Auslaenderbeauftragte und Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorganisationen aus den neuen Bundeslaendern bei der Vorlage eines Memorandums "Zuwanderung und Integration in den neuen Bundeslaendern" in Berlin gefordert.

Anlaesslich der Ueberreichung des Papiers an die Bundes-beauftragte fuer Migration, Fluechtlinge und Integration, Marieluise Beck, bedauerte der Initiator des Memorandums, Sachsen-Anhalts Auslaenderbeauftragter
Guenter Piening, dass in der deutsch-deutschen Debatte eine
verhaengnisvolle Schieflage eingetreten sei: "Geht es nach der
oeffentlichen Wahrnehmung, so scheint es, sei im Westen Multikulti und im Osten die Fremdenfeindlichkeit zu Hauses." Dieses sei ein sehr beschoenigender Blick auf den Westen und verzerre die wirkliche Situation in den neuen Bundeslaendern. Anliegen des Memorandums, das von einer laenderuebergreifenden Redaktionsgruppe erarbeitet wurde, sei es, hier die Perspektiven gerade zu ruecken. Zu den Erstunterzeichnern des
Memorandums gehoeren die Auslaenderbeauftragten von Brandenburg und Sachsen-Anhalt, die Buergerbeauftragte Mecklenburg -Vorpommerns sowie Auslaenderbeiraete, -beauftragte und -projekte aus Rostock, Magdeburg,
Chemnitz, Frankfurt/Oder Weimar, Eberswalde, Halle, Schwerin,
Eisenhuettenstadt, Henningsdorf, Dessau und anderen ostdeutschen Staedten und Landkreisen. Die Integrationsbeauftragte der
Bundesregierung, Marieluise Beck, begruesste das Memorandum als einen "wichtigen Beitrag zu einer differenzierenderen auslaenderpolitischen Diskussion jenseits von Plattitueden und ideologischem Schlagabtausch".

In dem 22seitigen Papier werden die integrationspolitischen Chancen und die Risiken in den neuen Bundeslaendern untersucht. Migrantennetzwerke und entsprechende kulturelle Milieus seien erst im Ansatz vorhanden, und aufgrund der Arbeitsmarktsituation sei der Osten nach wie vor nicht attraktiv fuer Zuwanderer. Dieses werde mittelfristig die Zukunftschancen der neuen Bundeslaender verschlechtern, warnen die Memorandums-Autorinnen und -Autoren. Gerade der Osten brauche Zuwanderung und Internationalisierung von Forschung und Wirtschaft. Fuer
die Zukunftsfaehigkeit der neuen Bundeslaender sei die Staerkung eines "Bewusstseins fuer Multikulturalitaet" von zentraler Bedeutung. Denn "Vielfalt heisst Wertschoepfung" wird der Geschaeftsfuehrer der heute zum Dow-Konzern gehoerenden ehemaligen Buna-Werke, Bart Groot, zitiert.
"Oeffnung nach aussen,", heisst es in dem Memorandum, "Umgang mit Differenz, Multiperspektivitaet, ein neues Verstaendnis des
Zusammenspiels von Mehrheiten und Minderheiten und Konfliktfaehigkeit
sind Haltungen, die wir brauchen. Aber sie fallen nicht vom Himmel,
sondern muessen im gesellschaftlichen Erfahrungsprozess erarbeitet
werden. Die Chancen sind da - es gilt sie zu nutzen." Weil in den neuen Bundeslaendern die Strukturen der Einwanderungsgesellschaft nur in Ansaetzen vorhanden seien, braeuchten diese einen besondere ideelle und
strukturelle Unterstuetzung. Haeufig wuerde von den politischen
Entscheidungstraegern uebersehen, dass hier vielversprechende Ansaetze fuer die notwendige interkulturelle Oeffnung der Gesellschaft gewachsen sind. Auch verbindliche Leitbilder und Handlungskonzepte zur Gestaltung von Zuwanderung und Integration seien wesentliche Instrumente, um die
Umorientierung der Gesellschaft zu foerdern. Das Memorandum selbst stellt 13 Best-Practice-Projekte vor, die zeigen, in welcher Breite in den neuen Bundeslaendern Zuwanderungs- und Integrationspolitik betrieben
wird.

In dem Memorandum werden die Eckpunkte eines Programms benannt, das die besonderen einwanderungspolitischen Bedingungen der neuen Bundeslaender beruecksichtigt. Grundlegend sei eine intensive Debatte mit der
Gesellschaft ueber Zuwanderung. Der Satz "Deutschland ist ein
Einwanderungsland" gehe im Osten nicht mit der gleichen
Selbstverstaendlichkeit ueber die Lippen wie im Westen. Es muesse den Menschen erklaert werden, warum es Zuwanderung gebe und warum auch die neuen Bundeslaender sie braeuchten; dabei muesse man sich auch intensiv mit kritischen Nachfragen auseinandersetzen. Leider sei von der Ernsthaftigkeit der Debatte, wie sie etwa den Bericht der sogenannten Suessmuth-Kommission gepraegt hat, im politischen Alltagsgeschaeft kaum noch etwas zu bemerken: "Ressentimentschuerende, vorurteilsbeladene
Debatten aber fallen in den neuen Bundeslaendern aufgrund der geringen Einwanderungserfahrung auf besonders fruchtbaren Boden", warnte die Auslaenderbeauftragte Brandenburgs, Almuth Berger bei der Vorstellung des Memorandums.

Gefordert werden auch andere integrationspolitische Rahmenbedingungen.
Vor allem das "Dogma der deutschen Auslaenderpolitik", dass Integration erst dann beginnen darf, wenn eine sichere Aufenthaltsperspektive vorhanden sei, erweise sich in den neuen Bundeslaendern als integrationspolitischer Bumerang. Unflexible und buerokratische Vorgaben etwa beim Arbeitsmarktzugang verhinderten haeufig die Erwerbsintegration von Migrantinnen und Migranten. Auch die sogenannte Residenzpflicht fuer
Asylbewerber und Geduldete gehoere auf den Pruefstand, denn es sei kaum zu vermitteln, warum Asylbewerber und Geduldete, wenn sie etwa in den alten Bundeslaendern eine Arbeit gefunden haben, in den neuen Bundeslaendern festgehalten wuerden, wo sie lange Zeit auf staatliche Unterstuetzung angewiesen seien, heisst es in dem Memorandum.

Das Memorandum "Zuwanderung und Integration in den neuen Bundeslaendern" soll in den kommenden Wochen den politischen Entscheidungstraegern in den Bundeslaendern wie auch auf Bundesebene ueberreicht werden: "Wir hoffen auf eine intensive Diskussion und eine verbesserte Wahrnehmung unserer Situation in den neuen Bundeslaendern. Wir planen, auf einem
Kongress Ende 2003 die Ergebnisse dieser Diskussionen zu buendeln und zu vertiefen."

 

Der vollstaendige Text des Memorandums steht unter

http://www.auslaenderbeauftragter.sachsen-anhalt.de/schlagzeilen/index.htm bereits zum downloaden

 
 
Informationen der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
 
Informationen der Beauftragten der Bundesregierung

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