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SAGA - Dokumente


Update zum Elterngeld, Kinder- und Erziehungsgeld für AusländerInnen

Text: Georg Classen www.fluechtlingsrat-berlin.de, Stand 18.12.2006 –

Am 29.09.06 hat der Bundestag das Bundeselterngeldgesetz, am 18.10.06 das Änderungsgesetz für das Kinder- und Erziehungsgeld und den Unterhaltsvorschuss für Ausländer in 2. und 3. Lesung verabschiedet. Die Gesetze wurde am 3.11.06 (Elterngeld) bzw. 24.11.06 (Kindergeld usw.) vom Bundesrat bestätigt und am 11.12.06 (Elterngeld) bzw. 18.12.06 (Kindergeld usw.) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (siehe www.bundesgesetzblatt.de ).

Beim Kinder- und Erziehungsgeld und beim Unterhaltsvorschuss wird durch die Neuregelung der Kreis der anspruchsberechtigen Ausländer rückwirkend zum 1.1.2006 deutlich erweitert. Ebenso wie beim zum 1.1.2007 eingeführten Elterngeld bleiben aber einige der aus humanitären Gründen dauerhaft in Deutschland bleibeberechtigten Ausländer weiterhin in verfassungsrechtlich problematischer Weise ausgeschlossen.

Beschlossen wurden die Gesetzesvorlagen zum Elterngeld vom 27.09.06, BT-Drs. 16/2785, sowie zum Kinder- und Erziehungsgeld und zum Unterhaltsvorschuss für Ausländer vom 13.10.06, BT-Drs. 16/2940, im Wortlaut siehe www.bundestag.de.

Die Anspruchsvoraussetzungen für Ausländer wurden in allen Gesetzen wie folgt formuliert:

"Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur
anspruchsberechtigt, wenn diese Person
1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei
denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a) nach den §§ 16 oder 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
b) nach § 18 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der
Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,
c) nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in ihrem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25
Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
oder
3. eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und
a) sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und
b) im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht
oder Elternzeit in Anspruch nimmt"

Die Änderungen beim Kinder- und Erziehungsgeld und beim Unterhaltsvorschuss gelten rückwirkend ab 1.1.2006. Im Falle eines noch nicht entschiedenen Antrags für frühere Zeiträume sollten zudem die rückwirkenden Leistungen auch für Zeiträume vor dem 1.1.2006 erbracht werden.

Für alle Familienleistungen gilt künftig:

1. Generell ausgeschlossen sind wie bisher Ausländer mit Duldung oder Aufenthaltsgestattung, Studierende und Auszubildende mit nur zu diesem Zweck erteilter Aufenthaltserlaubnis nach §§ 16, 17 AufenthG. Sowie (anders als bisher) auch Ausländer mit einen von vorneherein nur zeitlich begrenztem Arbeitsaufenthalt (z.B. als Spezialitätenkoch) nach 18 II AufenthG.

2. Ausländer mit einer zu einem anderen als den unter 1. genannten Zwecken erteilten Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis haben Anspruch auf Familienleistungen, wenn sie derzeit oder früher die Erlaubnis zu einer konkreten Beschäftigung oder allgemein jeder Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit besitzen bzw. besaßen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn man irgendwann mal gearbeitet hat, dann reicht auch ein nachrangiger Arbeitsmarktzugang. Diese Voraussetzung ist relativ unproblematisch, da sie praktisch immer erfüllt ist.

3. Bei einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23a, 24, 25 III-V AufenthG und bei einer Aufenthaltserlaubnis wegen des Krieges im Heimatland nach § 23 I müssen zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein:
• ein dreijähriger Mindestaufenthalt (es zählen Zeiten mit Duldung, Aufenthaltsgestattung und Aufenthaltserlaubnis)
UND
• eine derzeitige Erwerbstätigkeit, ALG I-Bezug oder eine vom Arbeitgeber gewährte Elternzeit (Erziehungsurlaub).

Was eine "Erwerbstätigkeit" ist, lässt der Gesetzgeber offen, zumal er auf eine Gesetzesbegründung verzichtet hat. Theoretisch müsste es reichen, 2 Stunden im Monat Putzen zu gehen. Es bleibt daher abzuwarten, wie Behörden und Gerichte die Regelung auslegen werden.

Einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wird in der Praxis regelmäßig nur nach Beschlüssen der Innenministerkonferenz wegen langjährigen Aufenthaltes erteilt, nicht aber wegen des Krieges im Heimatland.
Bei einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG müssen daher die unter 3. Genannten zusätzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt werden, ebenso auch nicht bei einer nach einem anderen § erteilten Aufenthaltserlaubnis.

Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung 2006

Auch Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis aufgrund der von der Innenministerkonferenz am 17.11.2006 beschlossenen Bleiberechtsregelung können Kindergeld und die anderen Familienleistungen ab Erteilung der Aufenthaltserlaubnis beanspruchen, da diese Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG erteilt wird.
WICHTIG ist in dem Zusammenhang, dass laut IMK-Beschluss Punkt 9 zweiter Absatz eine Aufenthaltserlaubnis bereits bei Vorlage eines "verbindlichem Arbeitsangebotes" zu erteilen ist. Somit muss die Ausländerbehörde zwar prüfen, ob eine dauerhafte Lebensunterhaltssicherung zu erwarten ist. Ein einzelfallbezogenes Arbeitserlaubnisverfahrens mit Beteiligung der Arbeitsagentur kann jedoch entfallen.

Mit der Aufenthaltserlaubnis ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) bei mehr als vierjährigem geduldeten und/oder gestatteten Voraufenthalt ohne Einzelfallprüfung im Wege des "one-stop-governements" eine Arbeitserlaubnis für Beschäftigungen jeder Art zu erteilen, wenn die regionale Arbeitsagentur insoweit ihre "globale Zustimmung" erteilt hat. Die "DA BeschVerfV" sieht in Nr. 3.9.111 und 3.9.114 für die Fälle des § 9 BeschverfV ausdrücklich eine derartige "globale Zustimmung" ohne Einzelfallprüfung vor (dazu ausführlich www.fluechtlingsrat-berlin.de/bleiberecht.php )

Neuregelung verfassungswidrig?

Die unter 3. genannten zusätzlichen Voraussetzungen wurden in letzter Minute auf Veranlassung des Bundesinnenministeriums in die Gesetzentwürfe eingefügt. Auf die ursprünglich in den Gesetzentwürfen enthaltene Begründung (Bezugnahme auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichts, s.u.) wurde der Einfachheit halber ganz verzichtet. Die Einschränkungen in Nr. 3 halten wir für verfassungswidrig. Im Falle eines auch nach neuer Gesetzesfassung geltenden Ausschlusses für Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen sind daher anwaltliche Beratung, Einspruch bzw. Widerspruch und Klage zu empfehlen.

Aufgrund von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes darf Ausländern mit humanitärem Bleiberecht das Kinder- und Erziehungsgeld aus Gründen der Gleichbehandlung nicht vorenthalten werden. Das Verfassungsgericht hatte den Gesetzgeber bereits Ende 2004 aufgefordert, bis zum 1.1.2006 eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen, vgl. www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg04-111.html
und www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg04-116.html
Die Bundesregierung hatte Anfang 2006 Gesetzentwürfe vorgelegt, die die Familienleistungen für Ausländer entsprechend der Vorgaben des BVerfG gestalten sollten, vgl. BT-Drs 16/1368 (Kinder- und Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss) sowie BT-Drs 16/1889 (Elterngeld). Die Entwürfe wurden später aber wie oben aufgeführt geändert. Die Änderung der Vorlagen wurden anlässlich der Abstimmung im Bundestag über das Kinder- und Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss für Ausländer (BT-Drs. 16/2940) in Änderungsanträgen von FDP (BT-Drs 16/3029) und Linkspartei (BT-Drs 16/3030) als verfassungsrechtlich problematisch kritisiert.
Ansprüche von Ausländern müssen nunmehr erforderlichenfalls erneut beim Verfassungsgericht eingeklagt werden. Wer durch die beabsichtigte Neuregelung weiterhin von Familienleistungen ausgeschlossen wird, sollte sich daher um anwaltlichen Beistand bemühen, um seine Ansprüche vor Gericht durchzusetzen.

Ansprüche nach internationalem Recht

Unabhängig von den vorgenannten aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen können aufgrund internationaler Abkommen folgende Ausländer Kindergeld beanspruchen: Alle in Deutschland lebenden EU-Angehörigen, EWR-Angehörigen und Schweizer. In Deutschland lebende sozialversichungspflichtige Arbeitnehmer, ALG-I-Empfänger und Krankengeld-Empfänger aus Bosnien-H., Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien, Algerien, Marokko, Tunesien und der Türkei. In Deutschland lebende Ausländer aus der Türkei auch wenn sie keine Arbeitnehmer sind, aber seit mindestens 6 Monaten in Deutschland eine Wohnung (keine Gemeinschaftsunterkunft o.ä) bewohnen.

Erziehungs- bzw. Elterngeld aufgrund internationaler Abkommen auch unabhängig von den vorgenannten aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen können folgende Ausländer beanspruchen: Alle in Deutschland lebenden EU-Angehörigen, EWR-Angehörigen und Schweizer. In Deutschland lebende, als Arbeitnehmer oder aus einem anderen Grund (z.B. ALG I oder ALG II-Bezug, usw.) sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer aus der Türkei.

Die genannten Ansprüche aufgrund internationaler Abkommen gelten auch für Asylbewerber und Ausländer mit Duldung. Siehe dazu ausführlich die Infos in dem Dokument www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/arbeitshilfen/kindergeld.pdf sowie die speziellen Merkblätter zum Kindergeld für Ausländer aus den genannten Ländern unter www.familienkasse.de

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