Am 1.07.02 hat das EU-Projekt „SPuK - Sprache und Kultur:
Grundlagen einer effektiven Gesundheitsversorgung“ seine Arbeit
aufgenommen. Ziel des Projektes ist die strukturelle Verbesserung
der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen, z.B. durch die
Qualifizierung von Asylsuchenden und Flüchtlingen zu Sprach-
und KulturmittlerInnen.
Der Niedersächsische Flüchtlingsrat baut derzeit im Rahmen
dieses Projekts eine Interdisziplinäre Beratungsstelle (IDB)
auf. Sie berät AnwältInnen, TherapeutInnen, ÄrztInnen,
Verbände, Initiativen und UnterstützerInnen, die mit kranken
Flüchtlingen zusammenarbeiten. Die Aufgaben der Beratungsstelle
lassen sich unter den Stichworten „Vernetzung“, „Recherche“
und „Dokumentation“ zusammenfassen.
Vernetzung
Die Beratungsstelle hat sich zum Ziel gesetzt, langfristig ein umfassendes
Netzwerk aus AnwältInnen, ÄrztInnen, PsychotherapeutInnen,
PädagogInnen, BetreuerInnen und engagierten Einzelpersonen
aufzubauen, die Erfahrung mit Flüchtlingen haben und sich ehrenamtlich
an der Arbeit der Beratungsstelle beteiligen wollen. Ihr Fachwissen
soll in das Projekt einfließen und somit anderen zur Verfügung
gestellt werden. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, in der
Beratungsstelle Informationen abzufragen.
Die Vernetzung findet zum einen auf „virtueller“ Ebene
statt, indem die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen entsprechend ihrer
zeitlichen Kapazitäten für Anfragen zur Verfügung
stehen oder bereit sind, auf Nachfrage z.B. telefonische Fachberatung
durchzuführen, Flüchtlinge zu behandeln oder zu begutachten.
Je nach Bedarf wird es auch einen konkreten Austausch in Arbeitsgruppen
geben, in denen z.B. fallbezogen Anfragen gemeinsam und interdisziplinär
diskutiert sowie themenbezogen bestehende Probleme analysiert und
Lösungsmöglichkeiten ermittelt werden. Ziel ist es, langfristig
Strukturverbesserungen in der gesundheitlichen Versorgung von Flüchtlingen
zu erreichen. Ein erstes Treffen für Interessierte findet am
28.06. um 11 Uhr im Ethnomedizinischen Zentrum in Hannover statt.
Recherche
Darüber hinaus beschäftigt sich die Beratungsstelle mit
dem Aufbau eines Informationspools, also der Sammlung und Bereitstellung
von relevantem Material – seien es Länderberichte, Gerichtsurteile,
Adressen oder Hintergrundinformationen zu Gesundheitsfragen. Diese
können hier eingereicht und jederzeit abgefragt werden. Ein
Schwerpunkt ist die Erstellung einer Datei mit Adressen von TherapeutInnen,
ÄrztInnen und AnwältInnen, die bereits Erfahrung mit Trauma-Erkennung,
-Behandlung und -Begutachtung haben. Des Weiteren sollen ÄrztInnen
in die Datei aufgenommen werden, die über Sprachkenntnisse
und interkulturelle Kompetenz verfügen, die bereit sind, Illegaliserte
zu behandeln oder Informationen zur Behandelbarkeit spezifischer
Erkrankungen in Herkunftsländern geben können. Für
einige Themenbereiche bestehen bereits andernorts Datenbanken, an
die die Beratungsstelle bei Bedarf weiter verweist.
Dokumentation
Die in der Beratungsstelle eingegangenen und behandelten Fälle
sollen schließlich dokumentiert werden. So können u.a.
strukturelle Benachteiligungen von Flüchtlingen im Gesundheitsbereich
aufgezeigt und Vorschläge zu deren Beseitigung vorgelegt werden.
Dabei soll der Fokus darauf gelegt werden, ob Krankheiten rechtzeitig
erkannt und adäquat behandelt werden, ob bei Bedarf eine frühzeitige
Förderung erfolgt, aber auch welche Bedeutung Krankheiten,
Traumatisierung und Suizidgefahr z.B. im Asylverfahren beigemessen
wird. Weitere Aspekte werden die nach wie vor bestehende ärztliche
Beteiligung an Abschiebungen und das im Zusammenhang mit Abschiebungen
gewichtige Thema der „Reisefähigkeit“ sein.
Die erste Dokumentation „Defizite in der Gesundheitsversorgung
für Flüchtlinge“ wurde bereits im November letzten
Jahres veröffentlicht. Sie enthält eine erste Bestandsaufnahme
zum Thema „Flüchtlinge und Gesundheit“.
Darüber hinaus werden weitere Reader, Faltblätter und
Informationsschriften für Arztpraxen und Interessierte erstellt.
Mit dem Informationsmaterial soll ein möglichst breites Feld
von Berufsgruppen erreicht werden, die kranke Flüchtlinge behandeln,
vertreten und beraten. Sie sollen auf diesem Wege für die besondere
Situation von kranken Flüchtlingen sensibilisiert und in ihrer
Arbeit unterstützt werden.
Wenn Sie sich für das Projekt interessieren und sich in die
Arbeit der Beratungsstelle einbringen möchten, dann schreiben,
faxen, mailen Sie uns oder rufen Sie uns an. Sie können einerseits
mit Ihren Kenntnissen und Ihrem Engagement einen Beitrag zur Arbeit
der Beratungsstelle leisten. Andererseits bietet Ihnen die Beratungsstelle
vielfältige Hilfen für Ihre Tätigkeit – durch
Informationsbereitstellung, Beratung und interdisziplinären
Austausch. |