4.1 Aufenthaltsrechtliche Situation

Wie in Kapitel 1.2 beschrieben werden Sie nach Ihrem Asylgesuch in Deutschland aufgefordert, sich bei einem bestimmten Ankunftszentrum zu melden. Wenn Sie sich schon in dem für Sie zuständigen Bundesland aufhalten, erhalten Sie als Aufenthaltspapier  zuerst eine sogenannte Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (Ankunftsnachweis) nach § 63a AsylG.[1]

Mit dem Ankunftsnachweis haben Sie die gleichen Rechte wie Asylsuchende mit einer Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung, da Ihr Aufenthalt auch mit Ankunftsnachweis als „gestattet“ gilt.[2] Daher gelten die Informationen in diesem Kapitel 4. auch für Asylsuchende mit einem Ankunftsnachweis. Flüchtlinge mit Ankunftsnachweis und mit Aufenthaltsgestattung werden im Folgenden auch als Asylsuchende bezeichnet. Zeiten, in denen Sie einen Ankunftsnachweis haben, sind Zeiten, in der Aufenthalt gestattet ist.[3] Daher werden sie mitgerechnet, wenn bestimmte Rechte (z.B. Ende der Residenzpflicht) erst nach einer bestimmten Wartezeit bestehen.

Wenn Sie einen förmlichen Asylantrag gestellt haben, erhalten Sie eine “Aufenthaltsgestattung”. Diesen Aufenthaltsstatus behalten Sie, wenn kein Ausnahmefall vorliegt, für die gesamte Dauer des Asylverfahrens.[4] Solange eine Entscheidung des BAMF noch nicht vorliegt, sind Sie vor einer Abschiebung sicher. Wenn Sie beim Verwaltungsgericht gegen einen negativen Bescheid des BAMF klagen, gilt Ihre Aufenthaltsgestattung weiter, solange das Verfahren noch andauert und nicht rechtskräftig beendet ist. Sie können während dieser Zeit nicht abgeschoben werden.

 Achtung Ausnahmen
a) Wenn Ihr Asylantrag als “offensichtlich unbegründet” abgelehnt wird, müssen Sie innerhalb einer Woche einen Eilantrag stellen, der innerhalb dieser Frist beim Verwaltungsgericht angekommen sein muss, um eine Abschiebung vor der Asylentscheidung zu verhindern (siehe Kapitel 5.7). Wenn das Verwaltungsgericht den Eilantrag ablehnt, können Sie abgeschoben werden, noch bevor das Gericht eine endgültige Entscheidung über Ihre Klage trifft.

b) Auch wenn Ihr Asylantrag wegen der Dublin-III- Verordnung als „unzulässig“ abgelehnt wird, erreichen Sie allein durch eine Klage nicht, dass die Rücküberstellung in den für das Asylverfahren zuständigen EU-Mitgliedsstaat verhindert wird. Hierzu müsste ein Eilantrag gestellt werden (siehe Kapitel 5.1). Das Gleiche gilt vor allem auch dann, wenn Sie schon in einem anderen EU-Mitgliedsstaat als schutzberechtigt anerkannt wurden.[5]

Im Regelfall werden auch Ihr/e Partner/in und die minderjährigen Kinder nicht abgeschoben, solange Ihre Aufenthaltsgestattung gilt. Die niedersächsischen Behörden sind angewiesen, Ehegatten oder Eltern und ihre minderjährigen Kinder grundsätzlich nicht durch Abschiebung auseinander zu reißen, wenn noch ein Asylverfahren läuft und der Asylantrag gleich nach der Einreise gestellt wurde.[6] Unverheiratete Paare können sich darauf allerdings nur berufen, wenn sie gemeinsame Kinder haben. Manchmal kommt es vor, dass Ausländerbehörden argumentieren, es handle sich ja nur um eine Trennung auf Zeit, und Familienmitglieder abschieben, obwohl ein Mitglied eine Aufenthaltsgestattung hat. Nicht geschützt sind entferntere Verwandte (z.B. erwachsene Geschwister, Großeltern).

  • Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob alle Familienmitglieder bis zum Abschluss eines noch laufenden Asylverfahrens eines oder mehrerer Familienmitglieder in Deutschland bleiben können, setzen Sie sich frühzeitig mit der Ausländerbehörde in Verbindung. Klären Sie, gegebenenfalls mit Hilfe einer Beratungsstelle oder eines Rechtsanwaltes, ob bis zum Ende des Asylverfahrens aller Familienangehörigen keine Abschiebung stattfinden wird.

Was Flüchtlinge mit Aufenthaltsgestattung oder Ankunftsnachweis dürfen oder nicht dürfen, steht zu großen Teilen im Asylgesetz (AsylG). Die Aufenthaltsgestattung oder der Ankunftsnachweis genügen, um sich bei Behörden oder der Polizei auszuweisen. Wenn Flüchtlinge einen Heimatpass besitzen, müssen sie ihn beim Bundesamt abgeben.[7] Er wird an die Ausländerbehörde übergeben, die den Pass bis auf weiteres behält. Asylsuchenden ist es insbesondere nicht zuzumuten, bei der jeweiligen Auslandsvertretung Pass(ersatz-)dokumente zu beantragen, da sie sich damit ggf. erneut dem Schutz des Verfolgerstaats unterstellen würden.[8] Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erlischt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sogar, wenn sich die Betreffenden freiwillig durch Annahme eines Nationalpasses erneut dem Schutz des Herkunftsstaates unterstellen.

Die Aufenthaltsgestattung wird ungültig, sobald das Asylverfahren zu Ende ist.[9] Der Asylbescheid ist die Grundlage für den weiteren Aufenthalt oder die Abschiebung. Aus dem Besitz der Aufenthaltsgestattung leitet sich kein Aufenthaltsrecht ab, auch wenn das Asylverfahren viele Jahre dauert. Die Dauer der Aufenthaltsgestattung kann aber später bei bestimmten aufenthaltsrechtlichen Regelungen eine Rolle spielen (zum Beispiel bei Inanspruchnahme einer Bleiberechtsregelung oder beim Erwerb der Niederlassungserlaubnis).

 

[1] BAMF, Integrierte Flüchtlingsmanagement, Zielsystem Deutschland, Stand 14.06.2016, S. 12; nach § 63 Abs. 3 S. 1 AsylG ist für die Ausstellung, Änderung der Anschrift und Verlängerung des Ankunftsnachweises die Aufnahmeeinrichtung zuständig, auf die der Asylsuchende verteilt worden ist, sofern nicht die dieser Aufnahmeeinrichtung zugeordnete Außenstelle des Bundesamtes eine erkennungsdienstliche Behandlung des Asylsuchenden oder die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten vornimmt.

[2] § 55 Abs. 1 S. 1 AsylG.

[3] Nds. Innenministerium, Schreiben vom 02.04.2015, Az. 61.11 – 12235/9, S. 3.

[4] § 55 AsylG.

[5] § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG; zu den anderen Fällen, in denen der Asylantrag als unzulässig abgelehnt werden kann und ein Eilantrag erforderlich ist, vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1b und Nr. 3 – 5 AsylG.

[6] § 43 Abs. 3 AsylG; 58.0.5 AVwV.

[7] § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylG.

[8] VGH Bayern, Urteil vom 10.12.2001 – 24 B 01.2059 –; Koch in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 15 AsylG, Rn. 17, 20 ff.; Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum Asylgesetz (Loseblattwerk), Stand: Juni 2017, § 15 AsylG, Rn. 41; vgl. auch § 60b Abs. 2 S. 2 AufenthG.

[9] § 67 Abs. 1 AsylG.

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