18.1 Aufenthaltsrechtliche Situation

In diesem Kapitel wird beschrieben, unter welchen Voraussetzungen

  • nach einem Ersuchen an die Nds. Härtefallkommission eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG (siehe a)
  • eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG nach eine Altfall- oder Bleiberechtsregelung (siehe b)

erteilt wird.

Beide Gruppen haben in vielen Bereichen die gleichen Rechte.

a) Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG nach einer Anerkennung als Härtefall

Ausreisepflichtige Flüchtlinge haben in Niedersachsen die Möglichkeit, eine Eingabe an die Nds. Härtefallkommission zu machen. Ist die Eingabe erfolgreich, erhalten sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG. Die Annahme eines Härtefalls ist allerdings in der Regel ausgeschlossen, wenn erhebliche Straftaten begangen wurden oder wenn ein Abschiebungstermin feststeht.[1]

Die Nds. Härtefallkommission besteht aus neun stimmberechtigten Mitglieder,[2] von denen eines auf Vorschlag des Nds. Flüchtlingsrats berufen wird, und einem nicht stimmberechtigten vorsitzenden Mitglied.[3]

Die Härtefallkommission wird nach einer schriftlichen Eingabe tätig. Eingaben kann jedes Mitglied der Härtefallkommission und der/die betroffene Ausländer/-in machen.[4]

In der Eingabe ist anzugeben[5]

  • welche dringenden humanitären oder persönlichen Gründe Ihre weitere Anwesenheit im Bundesgebiet rechtfertigen könnten und
  • wie Sie den Lebensunterhalt einschließlich eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes sichern.

Eine Eingabe wird dann nicht zur Beratung angenommen, wenn[6]

  • Sie sich nicht mehr in Deutschland aufhalten oder Ihr Aufenthaltsort nicht bekannt ist
  • für Sie eine Niedersächsische Ausländerbehörde nicht zuständig ist.
    Das ist auch der Fall, wenn für Ihren Asylantrag nach der Dublin-III- Verordnung ein anderer EU-Mitgliedsstaat zuständig ist (siehe Kapitel 6.1) und das Bundesamt eine Abschiebungsanordnung[7] erlassen hat
  • Sie nicht vollziehbar ausreisepflichtig sind
  • Abschiebungshaft angeordnet wurde
  • ein Ausweisungsinteresse wegen Straffälligkeit in einem bestimmten Umfang besteht[8]
  • für Sie eine Petition beim Landtag anhängig ist oder
  • Sie sich noch nicht 18 Monate in Deutschland leben. Das vorsitzende Mitglied der Härtefallkommission kann hiervon eine Ausnahme machen[9]
  • wenn ein Termin für eine Abschiebung bereits feststeht oder ein feststehender Termin verstrichen ist und die Ausländerbehörde Sie nach Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht mindestens einmal über die Möglichkeit einer Härtefalleingabe informiert hat.[10] Diese Information muss mindestens vier Wochen vor dem Feststehen des Termins für eine Abschiebung erfolgt sein. Haben Sie sich länger als fünf Jahre ununterbrochen in Deutschland aufgehalten, muss Ausländerbehörde Sie mehrfach über die Möglichkeit einer Härtefalleingabe informiert haben.

Wird dem vorsitzenden Mitglied vor Beginn der Beratung in der Härtefallkommission bekannt, dass ein Grund für die Nichtannahme nachträglich entstanden ist, so wird nachträglich entschieden, dass die Eingabe nicht zur Beratung angenommen wird.[11]

Liegt kein Nichtannahmegrund vor, so entscheidet ein Vorprüfungsgremium der Härtefallkommission über die Annahme der Eingabe.[12] Ihm gehören das vorsitzende Mitglied der Härtefallkommission und zwei weitere Mitglieder an, die von den stimmberechtigten Mitgliedern der Härtefallkommission bestimmt werden.[13] Kommt die Entscheidung in dem Vorprüfungsgremium nicht einstimmig zustande, so ist die Eingabe zur Beratung angenommen.[14] Wenn Sie noch keine 18 Monate in Deutschland leben, muss die Entscheidung aber einstimmig zustande kommen.[15]

Wenn die Eingabe zur Beratung angenommen wird, ordnet das Innenministerium an, dass bis zur Entscheidung über die Härtefalleingabe keine Abschiebung stattfinden darf.[16]

Eine positive Empfehlung der Härtefallkommission kommt nur zustande, wenn die Mehrheit der stimmberechtigte Mitglieder der Kommission[17] dafür stimmen. Das letzte Wort über die Härtefalleingabe hat der Niedersächsische Innenminister, der die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis anordnen kann. Er muss sich nicht an die Empfehlung der Härtefallkommission halten, wird dies aber im Regelfall tun.[18] Die Anordnung kann im Einzelfall davon abhängig gemacht werden, dass der Lebensunterhalt selbst gesichert ist oder eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird.[19]

Um ins Härtefallverfahren zu kommen, gehen Sie wie folgt vor:

  • Prüfen Sie zunächst, ob es noch eine andere Möglichkeit gibt, eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen (z.B. nach §§ 25a; 25b oder § 25 Abs. 5 AufenthG; siehe Kapitel 14, 15 und 17). Ein Härtefallantrag sollte nur gestellt werden, wenn alle anderen rechtlichen Möglichkeiten ausscheiden.
  • Informieren Sie die Ausländerbehörde frühzeitig, dass eine Härtefalleingabe gestellt wird.
  • Schreiben Sie direkt an ein Mitglied der Härtefallkommission oder eine/n Stellvertreter/in und schildern Sie Ihre Geschichte und Ihre Lebensumstände in Deutschland. Begründen Sie ausführlich, wie Sie Ihren Lebensunterhalt zurzeit und zukünftig sicherstellen wollen. Wenn möglich, legen Sie entsprechende Bescheinigungen (eines Bürgen oder Arbeitgebers) vor. Beschreiben Sie auch, wie Sie und Ihre Familie in Ihrer Umgebung eingebunden sind (Sportvereinen, ehrenamtliches Tätigkeit, Engagement in der Schule oder Kita der Kinder, nachbarschaftliche Kontakte etc.) und legen ggf. entsprechende Unterlagen vor. Lassen Sie sich bei der Abfassung Ihres Schreibens an ein Mitglied der Härtefallkommission z.B. durch eine kompetente Beratungsstelle helfen.
  • Fragen Sie nach und lassen Sie sich versichern, dass das angeschriebene Mitglied die Eingabe für Sie macht oder Ihre Eingabe unterstützt; ein persönlicher Kontakt zu diesem Mitglied (zum Beispiel telefonisch) kann dafür hilfreich sein; gegebenenfalls kann auch eine Beratungsstelle für Sie den persönlichen Kontakt halten.
  • Im laufenden Verfahren ist es sinnvoll, die Härtefallkommission über Veränderungen und neue Erkenntnisse zu informieren. Schreiben Sie dazu an die Geschäftsstelle der Härtefallkommission:

Geschäftsstelle der Härtefallkommission beim Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport Postfach 221, 30002 Hannover, Telefon derzeit: (0511) 120-6219 /Fax: (0511) 120-4848

Wenn Sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG erhalten haben, ist davon auszugehen, dass sie auch verlängert wird.[20]
Allerdings können zum Beispiel eine schwere Straftaten auch zur Nichtverlängerung führen. Auch wenn nachträglich Informationen bekannt werden sollten, die die Feststellung eines Härtefalls für die Ausländerbehörde zweifelhaft erscheinen lassen, kann dies möglicherweise dazu führen, dass die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert wird. Gegebenenfalls müssen Personen, die eine Verpflichtungserklärung[21] (Übernahmeverpflichtung für entstehende Kosten) für Sie unterschrieben haben, mit Kostenerstattungsforderungen der Behörden rechnen, wenn Sie soziale Leistungen in Anspruch nehmen. Zu den Einzelheiten zur Verpflichtungserklärung vgl. Kapitel 23.

 b) Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG

Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wird in unterschiedlichen Fällen erteilt: Bei offizieller Aufnahme von (Bürger-) Kriegsflüchtlingen durch die Bundesrepublik Deutschland, bei der Aufnahme von Familienangehörigen jüdischer Flüchtlinge aus Osteuropa und bei Anwendung einer Altfall- oder Bleiberechtsregelung.

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG bei offizieller Aufnahme von (Bürger-) Kriegsflüchtlingen durch die Bundesrepublik Deutschland und bei der Aufnahme von Familienangehörigen jüdischer Flüchtlinge aus Osteuropa wird in dem Kapitel 23 dargestellt.

In diesem Kapitel geht es, wenn von § 23 Abs. 1 AufenthG die Rede ist, ausschließlich um Bleibeberechtigte nach einer Altfall- oder Bleiberechtsregelung. Wenn eine solche Regelung getroffen wird, erlassen die Innenminister der Bundesländer eine spezielle Anordnung, in der das Verfahren geregelt ist und Rechte und Pflichten der Betroffenen genannt sind. Die letzten Bleiberechtsregelungen wurden am 17.11.2006 sowie am 04.12.2009 von der Innenministerkonferenz beschlossen. Darüber hinaus hat der Bundestag eine gesetzliche Altfallregelung beschlossen, die am 28.8.2007 in Kraft getreten und am 31.12.2009 ausgelaufen ist. Die IMK hat am 4. Dezember 2009 eine Verlängerung um zwei Jahre beschlossen. Nähere Informationen dazu gibt es unter http://www.nds-fluerat.org/infomaterial/bleiberecht. Mit der Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG gibt es seit 01.08.2015 erstmals eine permanente Bleiberechtsregelung (vgl. Kapitel 15).

Mit der Entscheidung für eine Altfallregelung akzeptiert die Politik grundsätzlich, dass Sie auf Dauer in Deutschland leben. Eine Änderung der Situation in Ihrem Herkunftsland kann also nicht mehr zu einem Entzug des Bleiberechts führen. Nur in außergewöhnlichen Fällen kann die Entscheidung, Ihnen ein Bleiberecht zu erteilen, später widerrufen werden (etwa bei nachträglicher Feststellung einer falschen Identität).

Allerdings ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis daran geknüpft, dass die Bedingungen für die erstmalige Erteilung fortbestehen.[22] Wenn Sie also zum Beispiel Ihre Arbeit verlieren und Sozialleistungen in Anspruch nehmen müssen, besteht die Gefahr, dass Sie Ihre Aufenthaltserlaubnis wieder verlieren. Dies gilt im Prinzip auch für alle Flüchtlinge, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine Aufenthaltserlaubnis (früher: Aufenthaltsbefugnis) aufgrund einer Bleiberechtsregelung erhalten haben: Während der Bezug von Arbeitslosengeld I kein Problem darstellt, droht bei Bezug von Leistungen nach SGB II (Arbeitslosengeld II) oder SGB XII (Sozialhilfe) die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

Beachten Sie die Regeln zum Erhalt einer Niederlassungserlaubnis im Kapitel “Aufenthaltssicherung”. Da Sie bereits lange in Deutschland leben, haben Sie möglicherweise schon kurz nach der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine Chance auf eine Niederlassungserlaubnis. Dann befinden Sie sich in einer erheblich besseren rechtlichen Situation.

Familiennachzug

Personen mit Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 oder § 23 a AufenthG kann ein Familiennachzug erlaubt werden.

Es gibt im § 29 Abs. 3 AufenthG aber eine Einschränkung, wonach Familiennachzug zu einer Person mit Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG nur aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland gewährt werden kann. Das bedeutet, dass der Familiennachzug dann möglich ist wenn die Familieneinheit nicht im Ausland hergestellt werden kann.[23] Diese Einschränkung besteht bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG nicht.

Ein Anspruch auf Familiennachzug besteht nur, wenn die Ehe bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bereits bestand und die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird oder er/sie seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis hat.[24] Ansonsten trifft die Ausländerbehörde eine Ermessensentscheidung, ob die Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.[25]

Wenn Sie oder Ihr/e Ehepartner/in noch keine 18 Jahre alt ist, kann er oder sie noch nicht nach Deutschland kommen. Sie müssen abwarten, bis Sie und Ihr/e Ehepartner/in 18 Jahre alt ist. Hiervon kann in Härtefällen abgesehen werden, z.B. bei Vorliegen einer Schwangerschaft.[26]

Eine weitere Voraussetzung für den Ehegattennachzug ist, dass der Ehegatte sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann.[27]

Vom Familiennachzug ausgeschlossen sind unverheiratete Partner/innen. Der/die gleichgeschlechtliche Lebenspartner/in zählt nur dann dazu, wenn die Lebenspartnerschaft schon im Ausland vom Staat anerkannt wurde und sie in ihrer Ausgestaltung der deutschen Lebenspartnerschaft im Wesentlichen entspricht.[28]
Zu den Kindern gehören auch Adoptiv- oder Stiefkindern.[29]

Anderen Familienangehörigen (zum Beispiel Großeltern, volljährigen Kindern, Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen oder Enkeln) kann der Familiennachzug erlaubt werden, wenn eine “außergewöhnliche Härte” vorliegt,[30] also zum Beispiel, wenn der Familienangehörige in Deutschland aufgrund besonderer Lebensumstände auf die Betreuung gerade durch diese/diesen Verwandte/n angewiesen ist. Auch wenn dies der Fall ist, besteht noch kein Anspruch auf Nachzug, sondern es steht im Ermessen der Behörde, ob dieser gestattet werden soll. Die Behörden machen nur selten von dieser Regelung Gebrauch.

Für den Familiennachzug müssen Ihre Angehörigen die Passpflicht erfüllen.[31]

Grundsätzlich müssen Sie in der Lage sein, den Lebensunterhalt für sich selbst und Ihre Familienangehörigen sicherzustellen. Eine Befreiung von der Lebensunterhaltssicherung kann in Ausnahmefällen gemacht werden;[32] bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis kann die Ausländerbehörde hiervon absehen.[33] In diesem Falle suchen Sie unbedingt um Rat nach.

Es ist auch erforderlich, dass ausreichender Wohnraum für Sie und Ihre Familienangehörigen zu Verfügung steht und dass der Lebensunterhalt gesichert ist.[34]
Als ausreichender Wohnraum gilt in der Regel: 12 Quadratmeter für Personen ab 6 Jahren, 10 Quadratmeter für Personen unter 6 Jahren. 0-2-Jährige werden bei der Bemessung nicht mitgerechnet. Ausnahmen sind im Einzelfall möglich, die Wohnung darf bis zu 10% kleiner sein.[35]

Ist der Familienangehörige, der nachziehen will, bereits einmal ausgewiesen, an der Grenze zurückgeschoben oder abgeschoben worden, wurde gegen ihn ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt.[36] Zuständig dafür ist die Ausländerbehörde, die die Ausweisung verhängt und die Abschiebung oder Zurückschiebung durchgeführt hat. Die Ausländerbehörde kann ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot auch dann anordnen, wenn jemand nicht innerhalb der ihm hierfür gesetzten Frist ausgereist ist.[37] Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann ein solches Verbot anordnen, wenn Flüchtlingen aus sog. „sicheren Herkunftsstaaten“ kommen[38] oder wenn ein Folgeantrag wiederholt erfolglos blieb.[39]

Ein Familiennachzug ist in solchen Fällen nur möglich, wenn man erfolgreich einen Antrag auf Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots oder auf Verkürzung der Frist stellt; die Aufhebung oder Fristverkürzung kann erfolgen zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Betroffenen oder wenn der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots dieses nicht mehr erfordert.[40] Die Ausländerbehörde wird bei der Entscheidung über die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots oder über die Verkürzung der Befristung voraussichtlich oft zur Bedingung machen, dass vorher die Abschiebungskosten bezahlt wurden. Erst danach können die Familienangehörigen bei der deutschen Botschaft im Ausland ein Visum für die Einreise erhalten.

Weitere Einzelheiten sind der Handreichung zum Thema Einreise- und Aufenthaltsverbote (Stand Juli 2019) zu entnehmen siehe https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2019/09/2019_08_Fl%C3%BCRatNds_Handreichung_Einreiseverbot.pdf.

Das Visum muss bei der deutschen Botschaft im Ausland beantragt werden. Die für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständige Ausländerbehörde in Deutschland muss dann der Erteilung des Visums zustimmen.[41] Diese Ausländerbehörde kann – vor allem dann, wenn die Familienangehörigen auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis einen Anspruch haben, wenn ein öffentliches Interesse besteht oder wenn ein dringender Fall vorliegt – einer Visumerteilung zustimmen, bevor die Familienangehörigen den Visumsantrag bei der Botschaft gestellt haben (Vorabzustimmung). Das Nds. Innenministerium hat die Ausländerbehörden im Erlass vom 20.08.2015[42] gebeten, von dieser Möglichkeit in geeigneten Fällen Gebrauch zu machen. Dies gelte auch für Visaverfahren bei den überlasteten Visastellen der deutschen Auslandsvertretungen in den Nachbarländern Syriens.

  • Falls die Auslandsvertretung den Visumsantrag ablehnt, macht sie keinen schriftlichen Bescheid.[43] Sie oder Ihr Familienangehörige können sich aber bei der Auslandsvertretung oder dem Auswärtigen Amt in Berlin über die Ablehnung beschweren. Man nennt das “Remonstration”. Daraufhin schreibt das Auswärtige Amt einen schriftlichen Bescheid, in dem es die Gründe für die Ablehnung erläutert. Gegen diesen Bescheid können Sie oder Ihr Angehöriger innerhalb von einem Monat nach Zugang Klage beim Verwaltungsgericht Berlin erheben.[44] Die Klage muss innerhalb der Frist beim Verwaltungsgericht eingehen. Wenden Sie sich am besten an einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin.
  • Beantragen Sie so früh wie möglich eine Niederlassungserlaubnis (siehe Abschnitt Aufenthaltssicherung in diesem Kapitel). Jugendliche und junge Erwachsene erhalten unter Umständen unter erleichterten Bedingungen eine Niederlassungserlaubnis. Das erleichtert auch den Familiennachzug.

Aufenthaltssicherung

Wenn Sie fünf Jahren lang eine Aufenthaltserlaubnis haben, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen eine Niederlassungserlaubnis erhalten.[45]

Bei der Voraussetzung, dass Sie fünf Jahren lang eine Aufenthaltserlaubnis gehabt haben müssen, ist Folgendes zu berücksichtigen:

  • Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird angerechnet.[46]
  • Außerdem müssten Zeiten eines Asylfolgeverfahrens angerechnet werden, wenn der Aufenthalt in dieser Zeit gestattet war.[47]
  • Hatten Sie zwischendurch zeitweise keine Aufenthaltserlaubnis, weil Sie die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu spät beantragt hatten, können diese Zeiten bis zu einem Jahr außer Betracht bleiben.[48] Da bedeutet, dass die Zeiten vor und nach der Unterbrechung angerechnet werden; die Zeit der Unterbrechung selbst wird nicht auf den rechtmäßigen Aufenthalt angerechnet.[49]

Außerdem müssen Sie für die Niederlassungserlaubnis folgende Bedingungen erfüllen:[50]

  • eigene Lebensunterhaltssicherung, also keine Sozialleistungen (Kinder- und Elterngeld etc. zählen nicht als Sozialleistungen)[51]
  • mindestens 60 Monate Zahlung von Rentenversicherungsbeiträgen (Kinderbetreuungszeiten oder häusliche Pflege zählen ebenfalls; beachten Sie auch die Übergangsregelung unten)
  • Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht entgegenstehen,[52] womit vor allem Straftaten gemeint sind. Bis zu Verurteilungen von etwa 90 Tagessätzen dürfte es in der Regel problemlos sein, die Niederlassungserlaubnis zu erhalten, weil diese Grenze von 90 Tagessätzen auch im eigenständigen Aufenthaltsrecht für Kinder[53] und bei der Einbürgerung [54]
  • Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1GER[55] und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland (Nachweis zum Beispiel über den Besuch eines “Integrationskurses”)
  • ausreichender Wohnraum.

Es reicht aus, wenn ein/e Ehepartner/in die Versicherungsbeiträge geleistet hat.[56] Dann kann auch der andere Ehepartner die Niederlassungserlaubnis erhalten.

Übergangsregelung: [57] Wenn Sie bereits vor 2005 eine Aufenthaltsbefugnis oder Aufenthaltserlaubnis besessen haben, müssen Sie die 60 Monate Rentenversicherungszeiten nicht nachweisen. Auch auf den Nachweis von Kenntnissen der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung wird dann verzichtet und es genügt, dass Sie sich auf Deutsch mündlich verständigen können.[58]

Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen können eine Niederlassungserlaubnis auch dann erhalten, wenn sie aufgrund ihrer Krankheit oder Behinderung keine Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung haben[59] oder wenn sie deswegen nicht den Lebensunterhalt sichern oder die Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung nicht leisten konnten.[60]

Flüchtlingen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 22-25b AufenthG, die als Minderjährige eingereist oder in Deutschland geboren sind, kann unter bestimmten leichteren Voraussetzungen eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden:[61]

Ist der Flüchtling minderjährig, muss er hierfür, wenn er 16 Jahre wurde oder wird, die Aufenthaltserlaubnis bereits seit fünf Jahren gehabt haben.
Ist der Flüchtling volljährig, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Besitz der Aufenthaltserlaubnis bereits seit fünf Jahren; es werden die gleichen Aufenthaltszeiten berücksichtigt wie bei der Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG (siehe oben)
  • Deutschkenntnisse auf dem Niveau von B1 GER
  • Lebensunterhalt ist gesichert ist oder der Flüchtling macht eine Ausbildung, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt.

Es besteht kein Anspruch auf die Erteilung eine Niederlassungserlaubnis nach Ablauf der fünfjährigen Wartefrist,[62] wenn:

  • ein auf dem persönlichen Verhalten beruhender Ausweisungsgrund vorliegt
  • der Flüchtling in den letzten drei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Jugendstrafe von mindestens sechs oder zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen verurteilt worden ist oder wenn die Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt ist oder
  • wenn der Lebensunterhalt nicht eigenständig gesichert ist, d. h. wenn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II, XII oder VIII bezogen werden. Der Lebensunterhalt muss nicht selbst gesichert werden, wenn der Flüchtling eine Ausbildung macht, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt oder diese Voraussetzung wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann.[63]

Die Niederlassungserlaubnis kann aber trotzdem nach Ermessen erteilt werden.[64]

Von der Sonderregelung können junge Erwachsene auch dann profitieren, wenn sie als Minderjährige eingereist und inzwischen verheiratet sind.

Mit Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erhalten die Kinder ein eigenständiges, von den Eltern unabhängiges Aufenthaltsrecht.

 

[1] § 23a Abs. 1 S. 3 AufenthG.

[2] § 2 Abs. 1 Niedersächsische Härtefallkommissionsverordnung (NHärteKVO), siehe http://www.nds-voris.de/jportal/?quelle=jlink&psml=bsvorisprod.psml&feed=bsvoris-lr&docid=jlr-AufenthGHFKomVNDV4P2.

[3] § 2 Abs. 1 S. 4 NHärteKVO.

[4] § 4 Abs. 1 S. 2 NHärteKVO.

[5] § 4 Abs. 2 NHärteKVO.

[6] § 5 Abs. 1 NHärteKVO.

[7] § 34a AsylG.

[8] § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 NHärteKVO.

[9] § 5 Abs. 2 S. 2 NHärteKVO.

[10] Vgl. zu den Belehrungspflichten den Erlass des Nds. Innenministeriums „Durchführung des Härtefallverfahrens nach § 23a AufenthG“ vom 29.09.2016, siehe http://www.nds-fluerat.org/infomaterial/erlasse-des-niederschsichen-ministeriums/.

[11] § 5 Abs. 2 S. 3 NHärteKVO.

[12] § 5 Abs. 3 S. 1 NHärteKVO.

[13] § 3 Abs. 1 S. 2 NHärteKVO

[14] § 5 Abs. 3 S. 2 NHärteKVO

[15] § 5 Abs. 3 S. 4 NHärteKVO.

[16] § 5 Abs. 4 S. 2 NHärteKVO.

[17] § 6 Abs. 4 S. 1 NHärteKVO.

[18] Vgl. § 23a Abs. 1 S. 1 AufenthG.

[19] § 23a Abs. 1 S. 2 AufenthG.

[20] § 8 AufenthG.

[21] § 68 AufenthG.

[22] § 8 Abs. 1 AufenthG.

[23] Zu den Einzelheiten vgl. AVwV 29.3.1.1.

[24] Zu den Einzelheiten vgl. § 30 Abs. 1 Nr. 3e, d AufenthG.

[25] § 30 Abs. 2 S. 2 AufenthG.

[26] § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; Abs. 2 S. 1 AufenthG.

[27] § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG.

[28] § 27 Abs. 2 AufenthG, AVwV 27.2.2.

[29] AVwV 32.0.5; 28.1.2.1; nach den AVwV kommt bei Pflegekindern nur die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG in Betracht.

[30] § 36 Abs. 2 AufenthG.

[31] § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG.

[32] § 5 Abs. 1 AufenthG.

[33] § 30 Abs. 3 AufenthG.

[34] § 29 Abs. 1 AufenthG.

[35] § 2 Abs. 4 AufenthG, AVwV 2.4.2.

[36] § 11 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 AufenthG.

[37] § 11 Abs. 6 S. 1 AufenthG, die Anordnung darf nicht erfolgen, wenn jemand unverschuldet an der Ausreise gehindert war oder die Überschreitung der Ausreisefrist nicht erheblich ist.

[38] Die Anordnung ist nur möglich, wenn der Asylantrag bestandskräftig als offensichtlich unbegründet abgelehnt, kein subsidiärer Schutz zuerkannt und das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und keinen Aufenthaltstitel vorliegt, § 11 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 AufenthG.

[39] Vgl. § 11 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 AufenthG.

[40] § 11 Abs. 4 S. 1 AufenthG.

[41] § 31 Abs. 1 AufenthV.

[42] Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, – Referat 61 (Ausländer- und Asylrecht) -61.11 – 12230/ 1-9 (§ 31), siehe http://www.nds-fluerat.org/infomaterial/erlasse-des-niederschsichen-ministeriums/.

[43] § 77 Abs. 2 AufenthG.

[44] Auswärtiges Amt, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/FAQ/VisumFuerD/10-Ablehnung.html?nn=350374.

[45] §§ 26 Abs. 4 S. 1; 9 Abs. 2 S. 1 AufenthG.

[46] § 26 Abs. 4 S. 3 AufenthG.

[47] Vgl. AVwV 26.4.8 zur Fassung des § 26 Abs. 4 AufenthG vor dem 01.08.2015.

[48] AVwV 9.2.1.1.

[49] AVwV 85.3.

[50] §§ 26 Abs. 4 S. 1; 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 – 9 AufenthG.

[51] § 2 Abs. 3 AufenthG.

[52] Nach § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AufenthG dürfen „Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländer ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet nicht entgegenstehen.“

[53] § 35 AufenthG.

[54] § 12a Abs. 1 Nr. 2 StAG.

[55] § 2 Abs. 11 AufenthG.

[56] § 9 Abs. 3 AufenthG.

[57] § 104 Abs. 2 AufenthG; AVwV 104.2 – 104.2.3.

[58] § 102 Abs. 2 AufenthG, § 104 Abs. 2 AufenthG.

[59] § 9 Abs.2 S. 3 AufenthG.

[60] § 9 Abs.2 S. 6 AufenthG.

[61] §§ 26 Abs. 4 S. 4; 35 AufenthG.

[62] § 35 Abs. 3 S. 1 AufenthG.

[63] § 35 Abs. 5 AufenthG.

[64] § 35 Abs. 3 S. 2 AufenthG.

 

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