22.1 Aufenthaltsrechtliche Situation

Wenn Sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG erhalten haben, hatten Sie bereits vorher eine Aufenthaltserlaubnis.

Mit Ausstellung dieser Aufenthaltserlaubnis hat die Ausländerbehörde anerkannt, dass es für Sie aufgrund Ihrer individuellen Situation eine “außergewöhnliche Härte” bedeutet hätte, Deutschland zu verlassen. Solange die Gründe für die Feststellung einer “außergewöhnlichen Härte” fortbestehen, können Sie im Regelfall davon ausgehen, dass Ihr Aufenthaltsrecht verlängert wird. Aber Vorsicht: Die gesetzlichen Grundlagen für eine Beendigung Ihres Aufenthaltsrechts (vor allem Straffälligkeit) bleiben grundsätzlich bestehen und können zu Problemen führen.

Die Ausländerbehörde darf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG auch erteilen, wenn die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen, wie die Sicherung des Lebensunterhalts, die Klärung der Identität, die Erfüllung der Passpflicht und das Fehlen von Ausweisungsgründen (insbesondere bestimmte Straffälligkeit). Daher schließen der Bezug von Sozialleistungen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG nicht unbedingt aus.[1] Die Ausländerbehörde entscheidet nach Ermessen, ob sie von diesen Voraussetzungen absieht.

Familiennachzug bei einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs.  4 S. 2 AufenthG

Die Erlaubnis, Ehepartner/in und/oder Kinder aus dem Ausland nachzuholen, bleibt Ihnen verwehrt. Denn alle Personen mit Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG sind vom Familiennachzug gesetzlich ausgeschlossen.[2] Sie haben erst dann eine Chance darauf, ein Familienmitglied legal nach Deutschland nachziehen zu lassen, wenn Sie eine Niederlassungserlaubnis erhalten haben.

 Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen bei einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG

Für Inhaber/innen dieser Aufenthaltserlaubnis gilt: Im Regelfall hat Ihr/e Ehepartner/in, die bereits in Deutschland leben, dieselbe Aufenthaltserlaubnis und damit die gleichen Rechte wie Sie. Minderjährige Kinder erhalten in der Regel ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis, wenn beide Eltern (oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil) eine Aufenthaltserlaubnis haben.[3]

  • Beantragen Sie so früh wie möglich eine Niederlassungserlaubnis.

 Aufenthaltssicherung

Wenn Sie fünf Jahren lang eine Aufenthaltserlaubnis haben, können[4] Sie unter bestimmten Voraussetzungen eine Niederlassungserlaubnis erhalten.[5]

Bei der Voraussetzung, dass Sie fünf Jahren lang eine Aufenthaltserlaubnis gehabt haben müssen, ist Folgendes zu berücksichtigen:

  • Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird angerechnet.[6]
  • Außerdem müssten Zeiten eines Asylfolgeverfahrens angerechnet werden, wenn der Aufenthalt in dieser Zeit gestattet war.[7]
  • Hatten Sie zwischendurch zeitweise keine Aufenthaltserlaubnis, weil Sie die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu spät beantragt hatten, können diese Zeiten bis zu einem Jahr außer Betracht bleiben.[8] Da bedeutet, dass die Zeiten vor und nach der Unterbrechung angerechnet werden; die Zeit der Unterbrechung selbst wird nicht auf den rechtmäßigen Aufenthalt angerechnet.[9]

Außerdem müssen Sie für die Niederlassungserlaubnis folgende Bedingungen erfüllen[10]:

  • eigene Lebensunterhaltssicherung, also ohne Sozialleistungen (Kinder- und Elterngeld etc. zählen nicht als Sozialleistungen)[11]
  • mindestens 60 Monate Zahlen von Rentenversicherungsbeiträgen (Kinderbetreuungszeiten oder häusliche Pflege zählen auch) – Ausnahme siehe Übergangsregelung unten!
  • Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländer ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet nicht entgegenstehen, hiermit sind Straftaten gemeint. Bis zu Verurteilungen von etwa 90 Tagessätzen dürfte es in der Regel problemlos sein, die Niederlassungserlaubnis zu erhalten, weil diese Grenze von 90 Tagessätzen auch im eigenständigen Aufenthaltsrecht für Kinder[12] und bei der Einbürgerung gilt.[13]
  • ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland (Nachweis zum Beispiel über den Besuch eines “Integrationskurses”)
  • ausreichender Wohnraum.

Es reicht aus, wenn ein/e Ehepartner/in die Versicherungsbeiträge geleistet hat.[14] Dann kann auch der andere Ehepartner die Niederlassungserlaubnis erhalten.

Übergangsregelung: [15] Wenn Sie bereits vor 2005 eine Aufenthaltsbefugnis oder Aufenthaltserlaubnis besessen haben, müssen Sie die 60 Monate Rentenversicherungszeiten nicht nachweisen. Auch auf den Nachweis von Kenntnissen der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung wird dann verzichtet und es genügt, dass Sie sich auf Deutsch mündlich verständigen können.[16]

Flüchtlinge mit einer Erkrankung oder Behinderung können eine Niederlassungserlaubnis auch dann erhalten, wenn sie aufgrund ihrer Krankheit oder Behinderung keine ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung haben[17] oder wenn sie deswegen nicht den Lebensunterhalt sichern oder die Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung nicht leisten konnten.[18]

Flüchtlingen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 22-25b AufenthG, die als Minderjährige eingereist oder in Deutschland geboren sind, kann unter bestimmten leichteren Voraussetzungen eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden:[19]

Ist der Flüchtling minderjährig, muss er hierfür, wenn er 16 Jahre wurde oder wird, die Aufenthaltserlaubnis bereits seit fünf Jahren gehabt haben.

Ist der Flüchtling volljährig, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Besitz der Aufenthaltserlaubnis bereits seit fünf Jahren; es werden die gleichen Aufenthaltszeiten berücksichtigt wie bei der Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG (siehe oben)
  • Deutschkenntnisse auf dem Niveau von B1 GER
  • Lebensunterhalt ist gesichert ist oder der Flüchtling macht eine Ausbildung, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt.

Es besteht kein Anspruch auf die Erteilung eine Niederlassungserlaubnis nach Ablauf der fünfjährigen Wartefrist,[20] wenn:

  • ein auf dem persönlichen Verhalten beruhender Ausweisungsgrund vorliegt
  • der Flüchtling in den letzten drei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Jugendstrafe von mindestens sechs oder zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen verurteilt worden ist oder wenn die Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt ist oder
  • wenn der Lebensunterhalt nicht eigenständig gesichert ist, d. h. wenn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II, XII oder VIII bezogen werden. Der Lebensunterhalt muss nicht selbst gesichert werden, wenn der Flüchtling eine Ausbildung macht, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt oder diese Voraussetzung wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann.[21]

Die Niederlassungserlaubnis kann aber trotzdem nach Ermessen erteilt werden.[22]

Von der Sonderregelung können junge Erwachsene auch dann profitieren, wenn sie als Minderjährige eingereist und inzwischen verheiratet sind.

Mit Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erhalten die Kinder ein eigenständiges, von den Eltern unabhängiges Aufenthaltsrecht.

 

[1] § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG.

[2] § 29 Abs. 3 S. 3 AufenthG.

[3] § 32 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG.

[4] Die Entscheidung über die Erteilung ist eine Ermessensentscheidung. Wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG vorliegen, besteht ein Anspruch nach § 9 Abs. 2 AufenthG, siehe Fränkel in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 26 AufenthG, Rn. 18 m.w.N.

[5] §§ 26 Abs. 4 S. 1; 9 Abs. 2 S. 1 AufenthG.

[6] § 26 Abs. 4 S. 3 AufenthG.

[7] Vgl. AVwV 26.4.8 zur Fassung des § 26 Abs. 4 AufenthG vor dem 01.08.2015.

[8] AVwV 9.2.1.1.

[9] AVwV 85.3.

[10] §§ 26 Abs. 4 S. 1; 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 – 9 AufenthG.

[11] § 2 Abs. 3 AufenthG.

[12] § 35 AufenthG.

[13] § 12a Abs. 1 Nr. 2 StAG.

[14] § 9 Abs. 3 AufenthG.

[15] § 104 Abs. 2 AufenthG; AVwV 104.2 – 104.2.3.

[16] § 102 Abs. 2 AufenthG, § 104 Abs. 2 AufenthG.

[17] § 9 Abs. 2 S. 3 AufenthG.

[18] § 9 Abs. 2 S. 6 AufenthG.

[19] §§ 26 Abs. 4 S. 4; 35 AufenthG.

[20] § 35 Abs. 3 S. 1 AufenthG.

[21] § 35 Abs. 5 AufenthG.

[22] § 35 Abs. 3 S. 2 AufenthG.

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