16.1 Aufenthaltsrechtliche Situation

Seit 2009 kann Flüchtlingen mit einer Duldung, die eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben oder die seit drei Jahren eine qualifizierte Beschäftigung ausüben, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.[1]
Seit Inkrafttreten des Integrationsgesetz am 06.08.2016 haben Flüchtlinge mit einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG[2] (vgl. Kapitel 11.3) nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1a AufenthG.[3]

Diese Regelungen eröffnet die Chance vor allem für sogenannte Bildungsinländer*innen mit einer Duldung eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG können Sie erhalten, wenn Sie ein Arbeitsangebot haben, für das ein Studium oder eine Berufsausbildung erforderlich ist (s.u.).

Eine weitere Bedingung für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG ist, dass die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 39 AufenthG der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zugestimmt hat. Die Zustimmung wird ohne eine Vorrangprüfung erteilt, d.h. es wird nicht geprüft, ob für diesen Arbeitsplatz deutsche oder andere Migrant*innen, die ohne Einschränkungen arbeiten dürfen, zur Verfügung stehen.[4] Wenn Sie zwei Jahre lang diese qualifizierte Arbeit ausgeübt haben, können Sie mit der Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG jede Arbeit ausüben.[5]

Wenn Sie die Arbeitsstelle vorzeitig verlieren, sind Sie verpflichtet, das der Ausländerbehörde mitzuteilen.[6] Da die Ausländerbehörde die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nachträglich verkürzen kann,[7] sollten Sie sich daher umgehend an eine Beratungsstelle oder an einen Rechtsanwalt/anwältin wenden.

Die Regelung des § 19d Abs. 1 AufenthG enthält drei verschiedene Möglichkeiten. Die Aufenthaltserlaubnis ist vorgesehen für Menschen, die:

  1. im Bundesgebiet eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf oder ein Hochschulstudium abgeschlossen haben
  2. im Bundesgebiet mit einem anerkannten oder einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss seit zwei Jahren ununterbrochen eine dem Abschluss angemessene Beschäftigung ausgeübt haben, oder
  3. im Bundesgebiet als Fachkraft seit 3 Jahren ununterbrochen eine Beschäftigung ausgeübt haben, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, und innerhalb des letzten Jahres vor Beantragung der Aufenthaltserlaubnis für den eigenen Lebensunterhalt und den ihrer Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen nicht auf öffentliche Mittel mit Ausnahme von Leistungen zur Deckung der notwendigen Kosten für Unterkunft und Heizung angewiesen waren.

Die neue Regelung des § 19d Abs. 1a AufenthG sieht zusätzlich einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von zwei Jahren vor, wenn Sie zuvor eine Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG hatten und nach erfolgreichem Abschluss dieser Berufsausbildung eine der erworbenen beruflichen Qualifikation entsprechende Beschäftigung beginnen. Das bedeutet, dass Sie eine Arbeitsstelle suchen müssen, für die normalerweise ein Ausbildungsabschluss erforderlich ist und bei der Sie die bei Ihrer Ausbildung erworbenen Kenntnisse zumindest teilweise oder mittelbar benötigen.[8]

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1a AufenthG wird widerrufen, wenn das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in Ihrer Person liegen, beendet wird oder wenn Sie wegen einer in Deutschland vorsätzlich begangenen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylgesetz nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben.[9]

Diese vier Regelungen sind wahlweise anzuwenden und enthalten jeweils unterschiedliche Erteilungsvoraussetzungen.

Für alle vier Varianten gelten aber noch diese weiteren Voraussetzungen für die Aufenthaltserlaubnis:

  • ausreichender Wohnraum muss vorhanden sein
  • ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache müssen vorliegen (Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen – GERR, genau wie bei der Niederlassungserlaubnis)[10]
  • die Ausländerbehörde darf nicht vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht worden sein,
  • behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung dürfen nicht vorsätzlich hinausgezögert oder behindert worden sein
  • es dürfen keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen bestehen und diese Organisationen auch nicht unterstützt worden sein
  • es darf keine Verurteilung wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat geben, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem AufenthG oder dem AsylG nur von Ausländern begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben
  • der Lebensunterhalt muss eigenständig gesichert sein.[11]

Die Einreise ohne das nötige Visum und ein zuvor gestellter Asylantrag sind keine Erteilungshindernisse. Hiervon kann abgesehen werden.[12] Anders ist es, wenn der Asylantrag unanfechtbar als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 AsylG abgelehnt wurde und diese Ablehnung erst nach dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden ist. Dann kann, mit einer Ausnahme, diese Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt werden. Die Ausnahme ist eine Asylentscheidung gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG. Diese Vorschrift lautet: “Ein unbegründeter Asylantrag ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn er für einen nach diesem Gesetz handlungsunfähigen Ausländer gestellt wird oder nach § 14a als gestellt gilt, nachdem zuvor Asylanträge der Eltern oder des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt worden sind.” Damit sind die Asylanträge gemeint, die für Kinder unter 16 Jahren gestellt worden sind, nachdem bereits die Asylanträge der Eltern oder eines Elternteils abgelehnt worden sind. Dazu zählen auch Asylanträge von minderjährigen Kinder, die mit den Asylanträge der Eltern automatisch als gestellt gelten.[13]

Hier gilt es genau zu prüfen, ob die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 AufenthG eintritt oder nicht. Hilfreiches steht dazu in den allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes zum Aufenthaltsgesetz (AVwV):[14] “Die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 entfällt bei denjenigen Geduldeten, bei denen die Offensichtlichkeitsentscheidung des BAMF auf § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG beruht, weil diese Gruppe die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nicht persönlich zu vertreten hat.”

Achtung: Das Bundesverwaltungsgericht[15] hat klargestellt: Für Asylverfahren, die bereits vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar abgelehnt wurden, gilt dagegen die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 AufenthG nicht.

Im Folgenden werden Informationen zu den drei Varianten in § 18a Abs. 1 AufenthG gegeben.

Zu 1.: Ausbildung/Studium im Inland

Hier geht es um die “Bildungsinländer”. Diejenigen, die eine qualifizierte Berufsausbildung in Deutschland absolviert haben, können diese Aufenthaltserlaubnis erhalten. Eine “qualifizierte Berufsausbildung” bedeutet, dass es sich um eine Berufsausbildung mit einer mindestens zweijährigen Ausbildungsdauer handeln muss.[16] Eine Aufenthaltserlaubnis kann aber auch erteilt werden, wenn eine entsprechende Qualifikation vorliegt, die Ausbildung aber in verkürzter Zeit erfolgreich absolviert wurde.

Hierzu steht in den AVwV[17]: “§ 18a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a)[18] ist die Grundlage für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an Geduldete, die im Bundesgebiet eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf oder ein Hochschulstudium abgeschlossen haben.”

Dann wird definiert, wann eine Berufsausbildung als qualifiziert gilt: “Mit der Bezugnahme auf eine „qualifizierte Berufsausbildung“ wird der Terminologie des Aufenthaltsgesetzes gefolgt, das auch in § 18 Absatz 4 und § 39 Absatz 6 diese Begrifflichkeit verwendet. Konkretisiert wird der Begriff der „qualifizierten Berufsausbildung“ durch § 25 BeschV.[19] Die danach geforderte Dauer der Ausbildung bezieht sich auf die generelle Dauer der Ausbildung und nicht auf die individuelle Ausbildungsdauer des betroffenen Ausländers. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sind daher auch in den Fällen erfüllt, in denen die Ausbildung durch vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung im Einzelfall vor Ablauf der Regelausbildungsdauer erfolgreich abgeschlossen worden ist.”[20]

Merksatz: Ist der geforderte Abschluss in Deutschland erworben worden, reicht das konkrete Arbeitsplatzangebot für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG aus.

Zu 2.: Ausländischer Hochschulabschluss

Hier geht es um Geduldete, die erfolgreich eine ausländische Hochschulausbildung absolviert haben. Dieser muss aber entweder in Deutschland anerkannt worden sein oder einem deutschen Abschluss vergleichbar sein. Das Verfahren zur Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse ist im Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz und in den verschiedenen Landesgesetzen geregelt. Zugang zu dem Verfahren haben alle Flüchtlinge unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Beratung bietet das Netzwerk „Integration durch Qualifizierung“.[21] Fehlen die entsprechenden Zeugnisse, können diese durch Arbeitsproben, Fachgespräche, praktische und theoretische Prüfungen ersetzt werden .[22]

Hierzu wird in den AVwV ausgeführt:[23] “Soweit für einen im Ausland erworbenen Studienabschluss eine formale Anerkennung nicht vorgesehen oder nicht erforderlich ist, ist für die Frage, ob es sich um einen (faktisch) anerkannten Studienabschluss handelt, auf die Bewertungsvorschläge der Zentralstelle für Ausländisches Bildungswesen bei der Kultusministerkonferenz abzustellen, die im Internet unter www.anabin.de öffentlich zugänglich sind. Als faktisch anerkannt gilt ein Studienabschluss, wenn er dort als einem deutschen Hochschulabschluss „gleichwertig“ oder entsprechend („entspricht“) eingestuft ist. In den mithilfe von anabin nicht zu entscheidenden Fällen bildet die tatbestandlich erforderliche zweijährige angemessene Beschäftigung ein im Regelfall gewichtiges Indiz für die vom Gesetz geforderte Vergleichbarkeit. Des Weiteren muss der Ausländer bei Antragstellung bereits seit zwei Jahren ohne Unterbrechung eine dem Studienabschluss angemessene Beschäftigung ausgeübt haben. Angemessen ist die Beschäftigung, wenn sie üblicherweise einen akademischen Abschluss voraussetzt und die mit der Hochschulausbildung erworbenen Kenntnisse zumindest teilweise oder mittelbar benötigt werden.”

Das Problem der nicht formal anerkannten Studienabschlüsse ist dann nicht so schwerwiegend und zu überwinden, wenn eine faktische Anerkennung vorliegt. Hier kommen die Begriffe gleichwertig oder entsprechend zum Tragen. Die AVwV sagen hier, dass wenn man schon seit zwei Jahren in einem solchen Arbeitsverhältnis steht und dies der Qualifikation entspricht, diese formal nicht bestehende Anerkennung kein Hindernis mehr darstellt.

Die zwei Jahre Vorbeschäftigung in einem dieser Qualifikation entsprechenden Beruf ist in jedem Fall Voraussetzung zur Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis.

Merksatz: Wurde der geforderte Abschluss im Herkunftsland/Heimatland erworben, müssen bereits 2 Jahre Erwerbstätigkeit in Deutschland gerade in einer dieser Qualifikation entsprechenden Stelle vorliegen, um die Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG zu erhalten.

Zu 3.: Beschäftigung als Fachkraft

Hier geht es um im Ausland erworbene berufliche Qualifikationen im Sinne von Variante 1, die erst dann zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führen, wenn zusätzlich eine ununterbrochene Beschäftigung in den letzten drei Jahren vorgewiesen werden kann. Diese Beschäftigung muss diese berufliche Qualifikation voraussetzen und zumindest im letzten Jahr dürfen keine Sozialleistungen (mehr) beansprucht worden sein. Lediglich das Wohngeld ist unschädlich.

Die AVwV[24] heißt es zu dieser Gruppe: “§ 18a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c) erfasst die geduldeten Fachkräfte, die ihre berufliche Qualifikation vor der Einreise nach Deutschland im Herkunftsland erworben haben. Bei diesen Fachkräften muss bei Antragstellung eine dreijährige Vorbeschäftigungszeit im Bundesgebiet vorliegen, in der eine Beschäftigung ausgeübt wurde, die eine qualifizierte Berufsausbildung (vgl. 18a.1.1.1) voraussetzt. Wie in § 18a Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b) [bedeutet im Leitfaden Fallgruppe Nr. 2] ist es nicht erforderlich, dass eine neue Beschäftigung aufgenommen wird; § 18a ist auch anzuwenden, wenn die Beschäftigung, die die Voraussetzungen erfüllt, fortgesetzt wird. Die geforderte Vorbeschäftigungszeit soll grundsätzlich ununterbrochen vorliegen. Kürzere Unterbrechungen des Beschäftigungsverhältnisses, die im Regelfall eine Gesamtdauer von drei Monaten nicht übersteigen sollten, sind unschädlich; sie werden aber nicht auf die erforderliche Beschäftigungsdauer von drei Jahren angerechnet.”

Zur Lebensunterhaltssicherung wird dann ausgeführt:[25] “Während der Vorbeschäftigungszeit darf der Ausländer und seine Familienangehörigen nicht auf öffentliche Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts angewiesen gewesen sein. Der Bezug von Leistungen zur Deckung der notwendigen Kosten für Unterkunft und Heizung in dem Bemessungszeitraum ist bei dieser Fallgruppe unschädlich.”

Merksatz: Qualifizierte Fachkräfte, mit Ausbildung im Ausland, müssen 3 Jahre ununterbrochen in Deutschland in einer Stelle, die dieser Qualifikation entspricht, gearbeitet haben. Im letzten Jahr musste der Lebensunterhalt für Familien- und Haushaltsangehörige gesichert sein ohne die vollständigen Kosten für Unterkunft und Heizung.

Falls Sie über eine qualifizierte Berufsausbildung verfügen, egal, ob sie in Deutschland oder im Ausland erworben wurde, wenden Sie sich an eine Beratungsstelle oder an eine Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, um zu prüfen, ob Sie die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1 oder Abs. 1a AufenthG erhalten können.

 Verlängerung

Die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1 AufenthG wird verlängert, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung weiterhin vorliegen.[26] Das gilt auch für die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1a AufenthG.[27] Die Aufenthaltserlaubnisse beinhalten, wenn Sie zwei Jahren entsprechend Ihrem Ausbildungs- oder Studienabschluss bearbeitet haben, eine Arbeitserlaubnis für jede Art der Beschäftigung.[28]

 Familiennachzug

Personen mit Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG kann ein Familiennachzug erlaubt werden.

Ein Anspruch auf Familiennachzug besteht nur, wenn die Ehe bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis bereits bestand und die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird oder er/sie seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis hat.[29] Ansonsten trifft die Ausländerbehörde eine Ermessensentscheidung, ob die Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.[30]

Wenn Sie oder Ihr/e Ehepartner/in noch keine 18 Jahre alt ist, kann er oder sie noch nicht nach Deutschland kommen. Sie müssen abwarten, bis Sie und Ihr/e Ehepartner/in 18 Jahre alt ist. Hiervon kann in Härtefällen abgesehen werden, z.B. bei Vorliegen einer Schwangerschaft.[31]

Eine weitere Voraussetzung für den Ehegattennachzug ist, dass der Ehegatte sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann.[32]

Vom Familiennachzug ausgeschlossen sind unverheiratete Partner/innen. Der/die gleichgeschlechtliche Lebenspartner/in zählt nur dann dazu, wenn die Lebenspartnerschaft schon im Ausland vom Staat anerkannt wurde und sie in ihrer Ausgestaltung der deutschen Lebenspartnerschaft im Wesentlichen entspricht.[33]

Zu den Kindern gehören auch Adoptiv- oder Stiefkindern.[34]

Anderen Familienangehörigen (zum Beispiel Großeltern, volljährigen Kindern, Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen oder Enkeln) kann der Familiennachzug erlaubt werden, wenn eine “außergewöhnliche Härte” vorliegt,[35] also zum Beispiel, wenn der Familienangehörige in Deutschland aufgrund besonderer Lebensumstände auf die Betreuung gerade durch diese/diesen Verwandte/n angewiesen ist. Auch wenn dies der Fall ist, besteht noch kein Anspruch auf Nachzug, sondern es steht im Ermessen der Behörde, ob dieser gestattet werden soll. Die Behörden machen nur selten von dieser Regelung Gebrauch.

Für den Familiennachzug müssen Ihre Angehörigen die Passpflicht erfüllen.[36]

Grundsätzlich müssen Sie in der Lage sein, den Lebensunterhalt für sich selbst und Ihre Familienangehörigen sicherzustellen. Eine Befreiung von der Lebensunterhaltssicherung kann in Ausnahmefällen gemacht werden;[37] bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis kann die Ausländerbehörde hiervon absehen.[38] In diesem Falle suchen Sie unbedingt um Rat nach.

Es ist auch erforderlich, dass ausreichender Wohnraum für Sie und Ihre Familienangehörigen zu Verfügung steht und dass der Lebensunterhalt gesichert ist.[39]
Als ausreichender Wohnraum gilt in der Regel: 12 Quadratmeter für Personen ab 6 Jahren, 10 Quadratmeter für Personen unter 6 Jahren. 0-2-Jährige werden bei der Bemessung nicht mitgerechnet. Ausnahmen sind im Einzelfall möglich, die Wohnung darf bis zu 10% kleiner sein.[40]

Ist der Familienangehörige, der nachziehen will, bereits einmal ausgewiesen, an der Grenze zurückgeschoben oder abgeschoben worden, wurde gegen ihn ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt.[41] Zuständig dafür ist die Ausländerbehörde, die die Ausweisung verhängt und die Abschiebung oder Zurückschiebung durchgeführt hat. Die Ausländerbehörde kann ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot auch dann anordnen, wenn jemand nicht innerhalb der ihm hierfür gesetzten Frist ausgereist ist.[42] Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kann ein solches Verbot anordnen, wenn Flüchtlingen aus sog. „sicheren Herkunftsstaaten“ kommen[43] oder wenn ein Folgeantrag wiederholt erfolglos blieb.[44]

Ein Familiennachzug ist in solchen Fällen nur möglich, wenn man erfolgreich einen Antrag auf Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots oder auf Verkürzung der Frist stellt; die Aufhebung oder Fristverkürzung kann erfolgen zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Betroffenen oder wenn der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots dieses nicht mehr erfordert.[45] Die Ausländerbehörde wird bei der Entscheidung über die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots oder über die Verkürzung der Befristung voraussichtlich oft zur Bedingung machen, dass vorher die Abschiebungskosten bezahlt wurden. Erst danach können die Familienangehörigen bei der deutschen Botschaft im Ausland ein Visum für die Einreise erhalten.

Weitere Einzelheiten sind der Handreichung zum Thema Einreise- und Aufenthaltsverbote (Stand Juli 2019) zu entnehmen siehe https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2019/09/2019_08_Fl%C3%BCRatNds_Handreichung_Einreiseverbot.pdf.

Das Visum muss bei der deutschen Botschaft im Ausland beantragt werden. Die für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständige Ausländerbehörde in Deutschland muss dann der Erteilung des Visums zustimmen.[46] Diese Ausländerbehörde kann – vor allem dann, wenn die Familienangehörigen auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis einen Anspruch haben, wenn ein öffentliches Interesse besteht oder wenn ein dringender Fall vorliegt – einer Visumerteilung zustimmen, bevor die Familienangehörigen den Visumsantrag bei der Botschaft gestellt haben (Vorabzustimmung). Das Nds. Innenministerium hat die Ausländerbehörden im Erlass vom 20.08.2015[47] gebeten, von dieser Möglichkeit in geeigneten Fällen Gebrauch zu machen. Dies gelte auch für Visaverfahren bei den überlasteten Visastellen der deutschen Auslandsvertretungen in den Nachbarländern Syriens.

  • Falls die Auslandsvertretung den Visumsantrag ablehnt, macht sie keinen schriftlichen Bescheid.[48] Sie oder Ihr Familienangehörige können sich aber bei der Auslandsvertretung oder dem Auswärtigen Amt in Berlin über die Ablehnung beschweren. Man nennt das “Remonstration”. Daraufhin schreibt das Auswärtige Amt einen schriftlichen Bescheid, in dem es die Gründe für die Ablehnung erläutert. Gegen diesen Bescheid können Sie oder Ihr Angehöriger innerhalb von einem Monat nach Zugang Klage beim Verwaltungsgericht Berlin erheben.[49] Die Klage muss innerhalb der Frist beim Verwaltungsgericht eingehen. Wenden Sie sich am besten an einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin.
  • Beantragen Sie so früh wie möglich eine Niederlassungserlaubnis (siehe Abschnitt Aufenthaltssicherung in diesem Kapitel). Jugendliche und junge Erwachsene erhalten unter Umständen unter erleichterten Bedingungen eine Niederlassungserlaubnis. Das erleichtert auch den Familiennachzug.

Aufenthaltssicherung

Wenn Sie fünf Jahren lang eine Aufenthaltserlaubnis haben, haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.[50]

Hierzu müssen Sie folgende Bedingungen erfüllen:[51]

  • eigene Lebensunterhaltssicherung, also keine Sozialleistungen (Kinder- und Elterngeld etc. zählen nicht als Sozialleistungen)[52]
  • mindestens 60 Monate Zahlen von Rentenversicherungsbeiträgen (Kinderbetreuungszeiten oder häusliche Pflege zählen auch) – Ausnahme siehe Übergangsregelung unten!
  • Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländer ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet nicht entgegenstehen, hiermit sind Straftaten gemeint. Bis zu Verurteilungen von etwa 90 Tagessätzen dürfte es in der Regel problemlos sein, die Niederlassungserlaubnis zu erhalten, weil diese Grenze von 90 Tagessätzen auch im eigenständigen Aufenthaltsrecht für Kinder[53] und bei der Einbürgerung[54]
  • Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland (Nachweis zum Beispiel über den Besuch eines Integrationskurses, siehe Kapitel 16.7 ),
  • ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und ausreichender Wohnraum, was beides aber schon für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG vorliegen musste.[55]

Es reicht aus, wenn ein/e Ehepartner/in die Versicherungsbeiträge geleistet hat.[56] Dann kann auch der andere Ehepartner die Niederlassungserlaubnis erhalten.

Übergangsregelung: [57] Wenn Sie bereits vor 2005 eine Aufenthaltsbefugnis oder Aufenthaltserlaubnis besessen haben, müssen Sie die 60 Monate Rentenversicherungszeiten nicht nachweisen. Auch auf den Nachweis von Kenntnissen der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung wird dann verzichtet und es genügt, dass Sie sich auf Deutsch mündlich verständigen können.[58]

Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen können eine Niederlassungserlaubnis auch dann erhalten, wenn sie aufgrund ihrer Krankheit oder Behinderung keine Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung haben[59] oder wenn sie deswegen nicht den Lebensunterhalt sichern oder die Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung nicht leisten konnten.[60]

Flüchtlingen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27 – 26a AufenthG, die als Minderjährige eingereist oder in Deutschland geboren sind, kann unter bestimmten leichteren Voraussetzungen eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden:[61]

Ist der Flüchtling minderjährig, muss er hierfür, wenn er 16 Jahre wurde oder wird, die Aufenthaltserlaubnis bereits seit fünf Jahren gehabt haben.
Ist der Flüchtling volljährig, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Besitz der Aufenthaltserlaubnis bereits seit fünf Jahren; es werden die gleichen Aufenthaltszeiten berücksichtigt wie bei der Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG (siehe oben)
  • Deutschkenntnisse auf dem Niveau von B1 GER
  • Lebensunterhalt ist gesichert ist oder der Flüchtling macht eine Ausbildung, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt.

Es besteht kein Anspruch auf die Erteilung eine Niederlassungserlaubnis nach Ablauf der fünfjährigen Wartefrist,[62] wenn:

  • ein auf dem persönlichen Verhalten beruhender Ausweisungsgrund vorliegt
  • der Flüchtling in den letzten drei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Jugendstrafe von mindestens sechs oder zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen verurteilt worden ist oder wenn die Verhängung einer Jugendstrafe ausgesetzt ist oder
  • wenn der Lebensunterhalt nicht eigenständig gesichert ist, d. h. wenn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II, XII oder VIII bezogen werden. Der Lebensunterhalt muss nicht selbst gesichert werden, wenn der Flüchtling eine Ausbildung macht, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss führt oder diese Voraussetzung wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann.[63]

Die Niederlassungserlaubnis kann aber trotzdem nach Ermessen erteilt werden.[64]

Von der Sonderregelung können junge Erwachsene auch dann profitieren, wenn sie als Minderjährige eingereist und inzwischen verheiratet sind.

Mit Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erhalten die Kinder ein eigenständiges, von den Eltern unabhängiges Aufenthaltsrecht.

 

[1] Vor 01.03.2020 war dies die Aufenthaltserlaubnis nach § 18a Abs. 1 AufenthG, seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) am 01.03.202 ist das die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1 AufenthG. Die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (AVwV) zu § 18a bleiben auf § 19d AufenthG anwendbar, vgl. BMI, Anwendungshinweise zum FEG vom 30.01.2020, 19d.0.1.

[2] Vor Inkrafttreten des Gesetzes über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung war die Ausbildungsduldung in § 60a Abs. 2 S. 4 ff AufenthG geregelt.

[3] Vor 01.03.2020 war dies die Aufenthaltserlaubnis nach § 18a Abs. 1a AufenthG, seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes am 01.03.202 ist das die Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1a AufenthG.

[4] § 39 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG.

[5] § 19d Abs. 2 AufenthG.

[6] § 82 Abs. 6 AufenthG.

[7] § 7 Abs. 2 S. 2 AufenthG.

[8] AVwV 18a.1.0 zu der gleichlautenden Formulierung in § 18a Abs. 1 S. 1 AufenthG.

[9] § 19b Abs. 1b AufenthG.

[10] § 2 Abs. 11 AufenthG.

[11] § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG; AVwV 18a.3.

[12] § 19d Abs. 3 AufenthG.

[13] § 14a AsylG.

[14] 18a.3 AVwV.

[15] BVerwG 1 C 20.08; 1 C 30.08 vom 25.08.2009.

[16] § 6 Abs. 1 S. 2 BeschV.

[17] 18a.1.1.1 AVwV.

[18] Die Regelung des § 18a AufenthG wurde durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das am 01.03.2020 in Kraft trat, in § 19d AufenthG übernommen.

[19] Jetzt § 6 Abs. 1 S. 2 BeschV, wonach eine qualifizierte Berufsausbildung vorliegt, wenn die Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre beträgt.

[20] 18a.1.1.1 AVwV.

[21] http://www.netzwerk-iq.de/anerkennung_abschluesse.html.

[22] § 14 BQFG.

[23] 18a.1.0 AVwV.

[24] 18a.1.1.3 AVwV.

[25] 18a.1.1.3 AVwV.

[26] § 8 Abs. 1 AufenthG.

[27] BMI, Anwendungshinweise zum FEG vom 30.01.2020, 19d.1a.2.

[28] § 19d Abs. 2 AufenthG.

[29] Zu den Einzelheiten vgl. § 30 Abs. 1 Nr. 3e, d AufenthG.

[30] § 30 Abs. 2 S. 2 AufenthG.

[31] § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; Abs. 2 S. 1 AufenthG.

[32] § 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufenthG.

[33] § 27 Abs. 2 AufenthG, AVwV 27.2.2.

[34] AVwV 32.0.5; 28.1.2.1; nach den AVwV kommt bei Pflegekindern nur die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG in Betracht.

[35] § 36 Abs. 2 AufenthG.

[36] § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG.

[37] § 5 Abs. 1 AufenthG.

[38] § 30 Abs. 3 AufenthG.

[39] § 29 Abs. 1 AufenthG.

[40] § 2 Abs. 4 AufenthG, AVwV 2.4.2.

[41] § 11 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 AufenthG.

[42] § 11 Abs. 6 S. 1 AufenthG, die Anordnung darf nicht erfolgen, wenn jemand unverschuldet an der Ausreise gehindert war oder die Überschreitung der Ausreisefrist nicht erheblich ist.

[43] Die Anordnung ist nur möglich, wenn der Asylantrag bestandskräftig als offensichtlich unbegründet abgelehnt, kein subsidiärer Schutz zuerkannt und das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und keinen Aufenthaltstitel vorliegt, § 11 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 AufenthG.

[44] Vgl. § 11 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 AufenthG.

[45] § 11 Abs. 4 S. 1 AufenthG.

[46] § 31 Abs. 1 AufenthV.

[47] Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport, – Referat 61 (Ausländer- und Asylrecht) -61.11 – 12230/ 1-9 (§ 31), siehe http://www.nds-fluerat.org/infomaterial/erlasse-des-niederschsichen-ministeriums/.

[48] § 77 Abs. 2 AufenthG.

[49] Auswärtiges Amt, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/FAQ/VisumFuerD/10-Ablehnung.html?nn=350374.

[50] § 9 Abs. 2 S. 1 AufenthG.

[51] § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 – 9 AufenthG.

[52] § 2 Abs. 3 AufenthG.

[53] § 35 AufenthG.

[54] § 12a Abs. 1 Nr. 2 StAG.

[55] § 19d Abs. 1 Nr. 3, 2 AufenthG.

[56] § 9 Abs. 3 AufenthG.

[57] § 104 Abs. 2 AufenthG; AVwV 104.2 – 104.2.3.

[58] § 104 Abs. 2 AufenthG; vgl., auch § 102 Abs. 2 AufenthG.

[59] § 9 Abs.2 S. 3 AufenthG.

[60] § 9 Abs.2 S. 6 AufenthG.

[61] § 35 AufenthG.

[62] § 35 Abs. 3 S. 1 AufenthG.

[63] § 35 Abs. 5 AufenthG.

[64] § 35 Abs. 3 S. 2 AufenthG.

 

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