12.3 Arbeit und Ausbildung

In den ersten drei Monaten in Deutschland können Flüchtlinge mit einer Duldung eine Arbeitserlaubnis nur für die Arten von Arbeit erhalten, bei denen die Bundesagentur für Arbeit der Erteilung der Arbeitserlaubnis nicht zustimmen muss.[1] Das sind vor allem folgende Tätigkeiten. Das gilt aber nur dann, wenn kein Arbeitsverbot besteht (siehe unten):

  • eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf, was nicht nur für mindestens zweijährige Berufsausbildungen, sondern auch für Ausbildungen mit kürzerer Regelausbildungsdauer, z. B. als Altenpflegehelfer/in, gilt[2]
  • ein Praktikum[3], das
    – zur Orientierung für eine Ausbildung oder ein Studium gemacht (maximal 3 Monate) wird
    – bei einem Studium oder einer Ausbildung gemacht werden muss oder
    – freiwillig begleitend zu einem Studium oder einer Ausbildung gemacht (maximal 3 Monate)
  • eine Einstiegsqualifizierung[4] oder ein Praktikum im Rahmen einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme[5]
  • die Teilnahme an einem Freiwilligen Sozialen Jahr oder dem Bundesfreiwilligendienst oder anderen gesetzlich geregelten Freiwilligendiensten
  • die Arbeit bei Ehepartnern oder engen Verwandten wie Eltern oder Kindern, wenn man zusammen wohnt
  • die Arbeit als sog. Hochqualifizierter, z.B. als Wissenschaftler mit besonderen Fachkenntnissen.

Wenn bei Ihnen kein Arbeitsverbot besteht (siehe unten) und Sie seit drei Monaten hier leben, muss die Ausländerbehörde in Ihre Duldung die Nebenbestimmung „Beschäftigung nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet“ eintragen. Sie können dann eine Arbeitserlaubnis für eine konkrete Arbeitsstelle bei der Ausländerbehörde beantragen.[6] Bei den drei Monaten werden die Zeiten mitgezählt, in denen Sie eine Aufenthaltsgestattung, einen Ankunftsnachweis[7] oder einen Aufenthaltstitel wie ein Visum hatten.

Diese Arbeitserlaubnis gilt nur für eine ganz bestimmte Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb. Sie müssen sich also vorher darum bemühen, einen Arbeitsplatz zu finden, und können dann erst den Antrag auf Arbeitserlaubnis dafür stellen. Dabei wird nur noch geprüft, ob Sie zu schlechteren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer/innen beschäftigt werden sollen (Arbeitsbedingungsprüfung). Eine Vorrangprüfung (also eine Prüfung, ob kein/e bevorrechtigte/r Arbeitnehmer/in, wie zum Beispiel Deutsche, EU-Bürger/innen oder anerkannte Flüchtlinge für diesen Arbeitsplatz zur Verfügung stehen) findet nicht mehr statt und Leiharbeit ist möglich.[8] Durch das Migrationspaket 2019 wurde die Vorrangprüfung für Flüchtlinge mit einer Duldung bundesweit und unbefristet abgeschafft.

Dies sind die Schritte zu einer Arbeitserlaubnis:

  • Besorgen Sie sich bei der Ausländerbehörde die Formulare “Antrag auf Erlaubnis einer Beschäftigung, die der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf” sowie “Stellenbeschreibung”.
  • Suchen Sie sich eine Arbeitsstelle.
  • Der/die Arbeitgeber/in muss die “Stellenbeschreibung” ausfüllen und unterschreiben. Berücksichtigen Sie bei dem Termin für den Arbeitsbeginn, dass das Antragsverfahren einige Wochen dauert.
  • Machen Sie sich Kopien für Ihre Unterlagen (sie können später mal wichtig sein, um Ihr Bemühen um Arbeit nachzuweisen) und geben Sie die Formulare bei der Ausländerbehörde ab. Nehmen Sie dazu auch Ihre Duldung mit.

Die Ausländerbehörde schickt den Antrag im Regelfall zur Bundesagentur für Arbeit. Innerhalb der BA ist hierfür der Operative Service zuständig, der bundesweit an vier Standorten angesiedelt ist.[9] Der Operative Service leitet den Antrag an den Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur vor Ort weiter. Dieser prüft die dort genannten Arbeitsbedingungen.

Für diese Prüfung hat Bundesagentur für Arbeit zwei Wochen Zeit.[10] Wenn sie in dieser Frist nicht der Ausländerbehörde mittelt, dass die Zustimmung verweigert wird oder dass noch Unterlagen fehlen, gilt die Zustimmung als erteilt.

Wenn die Ausländerbehörde die Antwort der Bundesagentur für Arbeit erhalten hat oder wenn die zwei Wochen vorbei sind, kann[11] sie die Arbeitserlaubnis erteilen, d.h., dass die Ausländerbehörde nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung eine Ermessensentscheidung darüber trifft, ob sie die Arbeitserlaubnis erteilt. Nach einer Klarstellung des Niedersächsischen Innenministeriums[12] muss in Niedersachsen das Ermessen aber in der Regel zu Gunsten eines Beschäftigungszugangs ausgeübt werden, d.h. dass im Regelfall eine Arbeitserlaubnis erteilt werden muss.

Soll eine Arbeitserlaubnis nicht erteilt werden, etwa weil die Bundesagentur für Arbeit nicht zugestimmt, muss die Ausländerbehörde die Erteilung der Arbeitserlaubnis schriftlich ablehnen und diese Ablehnung begründen.

  • Sie können sich in diesem Fall an eine Beratungsstelle wenden, um zu erfahren, welche Erfolgsaussichten eine Klage gegen die Ablehnung der Arbeitserlaubnis hat. Berücksichtigen Sie dabei die in der Rechtmittelbelehrung am Ende des Schreibens genannte Rechtsmittelfrist. Wenden Sie sich auch an eine Beratungsstelle, wenn die Ausländerbehörde sich weigert, Ihnen eine schriftliche Ablehnung zu geben, in der die Gründe für die Ablehnung stehen.

Die Arbeitserlaubnis ist befristet und kann nach Fristablauf verlängert werden. Beantragen Sie eine Verlängerung rechtzeitig vor dem Fristablauf der bis dahin geltenden Erlaubnis!

Arbeitsverbote

Durch das Migrationspaket von 2019 wurden die Arbeitsverbote erweitert:

a) Während des Aufenthalts in einer Erstaufnahmeeinrichtungen

Wenn Sie noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen müssen (siehe Kapitale 12.2), können Sie erst dann eine Arbeitserlaubnis erhalten, wenn Sie seit mindestens sechs Monaten eine Duldung nach § 60a AufenthG [13]

b) Bei Flüchtlinge aus einem sog. sicheren Herkunftsstaat[14]

Wenn Sie nach dem 31. August 2015 einen Asylantrag gestellt haben und der Asylantrag abgelehnt wurde, darf keine Arbeitserlaubnis erteilt werden.[15] Dabei kommt es nach den Anwendungshinweisen des BMI[16] auf die Stellung des förmlichen Asylantrags an, nicht auf den Zeitpunkt des Asylgesuchs.[17]

Durch das Migrationspaket wurden die Arbeitsverbote für Flüchtlinge aus einem sog. sicheren Herkunftsstaat noch erheblich ausgeweitet. Seit 01.01.2020 besteht das Arbeitsverbot aber auch dann, wenn
(1) Sie den Asylantrag vor einer Entscheidung des BAMF zurückgenommen haben.
Achtung Ausnahme: Es besteht kein Arbeitsverbot, wenn

  • Sie den Asylantrag nach einer Beratung durch das BAMF zurückgenommen haben oder
  • die Rücknehmen bei unbegleiteten Minderjährigen im Kindeswohlinteresse erfolgt ist.

(2) Sie keinen Asylantrag gestellt haben.

Achtung Ausnahme: Es besteht kein Arbeitsverbot, wenn
bei unbegleiteten Minderjährigen im Kindeswohlinteresse kein Asylantrag gestellt wurde.

Übergangsregelung zur Erweiterung des Arbeitsverbots:[18]
Für Beschäftigungen, die bis 31.12.2019 erlaubt wurden, gilt die Ausweitung des
Arbeitsverbots nicht.

c) Bei einer Einreise wegen des Bezugs von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz[19]

Wenn ein Arbeitsverbot damit begründet wird, dass Sie nach Deutschland geflohen, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu beziehen, ist dies oft rechtswidrig. Selbst wenn auch materielle Not ein Motiv für die Einreise war, so darf das Arbeitsverbot nur ausgesprochen werden, wenn der Bezug von sozialen Leistungen entscheidend für die Einreise nach Deutschland war.[20] Haben andere Gründe (zum Beispiel die Flucht vor dem Krieg) eine wesentliche Rolle gespielt, darf mit dieser Begründung kein Arbeitsverbot verhängt werden. Wenn Sie vor Ihrer Duldung einen Asylantrag gestellt haben, kann dieser Fall in der Regel auf Sie nicht zutreffen. Denn dann haben Sie ja im Asylverfahren schon deutlich gemacht, dass Sie hier Schutz suchen und aus welchen Gründen.

d) Bei einer Duldung für Personen mit ungeklärter Identität

Wenn Sie diese Duldung haben (vgl. Kapitel 11.2), dürfen Sie nicht arbeiten.[21]

e) Wenn eine Abschiebung aus selbst zu vertretenden Gründen nicht möglich ist

Wenn die Ausländerbehörde meint, Sie würden durch Ihr Verhalten eine Abschiebung verhindern, werden Sie wahrscheinlich eine Duldung für Personen mit ungeklärter Identität erhalten (siehe d).
Aber auch bei einer anderen Duldung kommt es zu einem Arbeitsverbot, wenn Sie bei der Passbeschaffung nicht mitwirken, weil Sie zum Beispiel ein Formblatt zur Beantragung eines Passes nicht ausfüllen, nicht zur Botschaft Ihres Herkunftsstaates fahren oder tatsächlich falsche Angaben zu Ihrer Identität oder Staatsangehörigkeit machen.[22]

Die Ausländerbehörde muss Ihnen aber zumindest auf Ihre Nachfrage hin mitgeteilt haben, welche konkreten Handlungen sie von Ihnen erwartet. Diese Mitwirkungshandlungen müssen verhältnismäßig und zumutbar sein.

Wenn die Ausländerbehörde das Arbeitsverbot damit begründet, dass Sie falsche Angaben zu Ihrem Namen oder Ihrer Staatsangehörigkeit machen, müsste sie das in einem Gerichtsverfahren auch beweisen können.

Ein Arbeitsverbot ist nur solange zulässig, wie Ihr eigenes Verhalten eine Abschiebung verhindert. Es spielt also keine Rolle, ob Sie früher einmal die Abschiebung verhindert haben, entscheidend ist die aktuelle Situation. Auch muss die Abschiebung allein an Ihrem Verhalten scheitern. Wenn auch aus anderen Gründen eine Abschiebung nicht möglich ist, zum Beispiel weil der Herkunftsstaat grundsätzlich keine Heimreisedokumente ausstellt, weil dies wegen des Schutzes von Ehe und Familie nach der deutschen Verfassung gar nicht erlaubt wäre oder weil Sie wegen einer schweren Krankheit im Moment nicht abgeschoben werden können, darf kein generelles Arbeitsverbot erteilt werden. Rechtswidrig ist das Arbeitsverbot auch dann, wenn Sie sich weigern, in Ihr Herkunftsland “freiwillig” auszureisen, ansonsten aber Ihre Pflichten erfüllen.

Sind Sie minderjährig und bei Ihren Eltern besteht ein Arbeitsverbot, kann die Ausländerbehörde nicht aus diesem Grund Ihren Antrag auf Arbeitserlaubnis ablehnen, da das Verhalten Ihrer Eltern Ihnen nicht zugerechnet werden darf.[23]

  • Wenn die Ausländerbehörde Ihnen eine Arbeitserlaubnis verweigert, bestehen Sie auf einer schriftlichen Begründung. Wenn Ihnen mit einer der obigen Begründungen ein generelles Arbeitsverbot erteilt wurde, wenden Sie sich an Ihren Rechtsanwalt oder Ihre Anwältin oder eine Beratungsstelle, um zu klären, ob das Arbeitsverbot rechtmäßig ist, und gegebenenfalls weitere Schritte zu unternehmen.

Fördermöglichkeiten durch die Agentur für Arbeit

Wenn Sie seit drei Monaten in Deutschland leben,[24] können Sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos melden[25] und deren Förderangebote nutzen. Zu den Förderangeboten gehören die Berufsberatung, die Vermittlung freier Stellen, die Finanzierung z.B. von Bewerbungskosten und ggf. der Kosten für die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse, Qualifizierungsangebote, berufliche Weiterbildung und Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber.

Beratung und Unterstützung bieten Ihnen die Nds. IvAF-Netzwerke,[26] die an die Stelle der ESF-Bleiberechtsnetzwerke getreten sind: Die sind die Projekte FairBleib Südniedersachsen-Harz (http://www.fairbleib.org), Netzwerk Integration 3 (http://esf-netwin.de), AZF III (Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge III, http://www.nds-fluerat.org/projekte/arbeitsmarktzugang-fuer-fluechtlinge-ivaf-projekte/azf-hannover-arbeitsmarktzugang-fuer-fluechtlinge/) und TAF (Teilhabe am Arbeitsmarkt für Flüchtlinge, http://www.taf-region-lueneburg.de/projektpartner/).

Wenn Sie schon vier Jahre ununterbrochen[27] entweder mit einer Aufenthaltsgestattung, einem Ankunftsnachweis, einer Duldung oder einem Aufenthaltstitel[28] in Deutschland leben, muss die Bundesagentur für Arbeit der Erteilung der Arbeitserlaubnis überhaupt nicht mehr zustimmen.[29] Wenn die Ausländerbehörde in Ihre Duldung die Nebenbestimmung „Beschäftigung gestattet“ eingetragen hat, dürfen Sie jede Art von Beschäftigung, also jede Arbeit als Arbeitnehmer/in ausüben.

Der Nds. Erlass vom 17.12.2014[30] bestimmt zu der Frage, wann ein ununterbrochener Aufenthalt vorliegt, Folgendes:

  • durch eine Ausreise wird der Aufenthalt unterbrochen
  • durch ein zwischenzeitliches Untertauchen wird der Aufenthalt unterbrochen
  • Zeiten ohne Duldung oder Aufenthaltsgestattung sind unproblematisch, wenn objektiv ein
    Duldungsgrund (z.B. Passlosigkeit) vorgelegen hat und eine Duldung hätte erteilt werden müssen.[31]

Sollte diese Nebenbestimmung noch nicht vermerkt sein, wenden Sie sich an die Ausländerbehörde. Nach § 4 Abs. 2 S. 2 AufenthG ist die Ausländerbehörde verpflichtet, eine Nebenbestimmung zur Erwerbstätigkeit einzutragen. Der Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom 18.02.2014[32] bestimmt, dass bei einer Duldung und Aufenthaltsgestattung „Beschäftigung gestattet“ eingetragen werden kann, wenn die Bundesagentur für Arbeit der Erteilung der Arbeitserlaubnis nicht zustimmen muss. Sollte die Ausländerbehörde die Eintragung ablehnen, wenden Sie sich an eine Beratungsstelle.

Ausbildung

Um mit einer Duldung eine Berufsbildung beginnen zu können, müssen Sie sich zunächst eine Ausbildungsstelle suchen. Für diesen Ausbildungsplatz beantragen Sie bei der Ausländerbehörde eine Arbeitserlaubnis. Da die Bundesagentur für Arbeit der Erteilung der Arbeitserlaubnis für eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf, auch wenn die Ausbildungszeit kürzer als zwei Jahre ist,[33] nicht zustimmen muss,[34] kann[35] die Ausländerbehörde die Arbeitserlaubnis erteilen, wenn kein Arbeitsverbot besteht (siehe oben).[36] Nach einer Klarstellung des Niedersächsischen Innenministeriums[37] muss in Niedersachsen das Ermessen in der Regel zu Gunsten eines Beschäftigungszugangs ausgeübt werden, d.h. dass im Regelfall eine Arbeitserlaubnis erteilt werden muss.

Nichtbetriebliche, das heißt schulische Ausbildungen können Sie ohne Arbeitserlaubnis absolvieren. Fach- und Berufsfachschulen vermitteln in Vollzeitunterricht die für den Beruf erforderlichen Kenntnisse. Schulische Ausbildungen werden unter anderem in folgenden Bereichen angeboten:

  • Fremdsprachen
  • Gestaltung
  • Informationstechnik
  • Sozial- und Gesundheitswesen
  • Technik
  • Wirtschaft

Eine berufliche Vorbildung ist für den Besuch einer Berufsfachschule nicht erforderlich, es werden jedoch oft praktische Tätigkeiten in den jeweiligen Tätigkeitsfeldern erwartet.

Nach den Anwendungshinweisen des BMI[38] ist hierfür eine Genehmigung durch die Ausländerbehörde, d.h. eine Arbeitserlaubnis erforderlich, wenn eine Beschäftigung vorliegt. Hierzu heißt es im Einzelnen:

„Hierfür kommt es darauf an, ob die Tätigkeit in die schulische Berufsausbildung integriert ist oder ob der Schwerpunkt bei einer beruflichen Ausbildung oder sonstigen beruflichen Tätigkeit liegt. Von einer Integration in die schulische Berufsausbildung ist auszugehen, wenn es aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften in die Schulausbildung eingegliedert und die Phasen der betrieblichen Ausbildung im Wesentlichen durch die Schule geregelt und gelenkt werden und sich infolge enger Verzahnung mit der theoretischen Ausbildung als Bestandteil der Schulausbildung darstellen. Die im Rahmen der Erfüllung der Schul- bzw. der Berufsschulpflicht vorgesehenen Praktika erfüllen regelmäßig die Voraussetzungen einer Integration in den schulischen Bildungsgang.“[39]

Um aber Missverständnissen vorzubeugen, ist es sicher sinnvoll, sich im konkreten Einzelfall bei der Ausländerbehörde die Bestätigung einzuholen, dass eine Arbeitserlaubnis für den praktischen Teil
einer angestrebten schulischen Ausbildung nicht notwendig ist. Dabei sollte auf die Rechtsauffassung des BMI hingewiesen werden.

Wenn im Ausnahmefall eine Arbeitserlaubnis erforderlich sein sollte, muss die Bundesagentur für Arbeit  der Erteilung der Arbeitserlaubnis für Pflichtpraktika im Rahmen der schulischen Ausbildung nicht zustimmen.[40]

Für eine schulische Ausbildung ist mindestens ein Hauptschulabschluss erforderlich, meistens sogar ein Realschulabschluss. Oft gibt es mehr Bewerber/innen als Ausbildungsplätze, und es kommt zu einem Auswahlverfahren. Auswahlkriterien können bestimmte Schulnoten, der Notendurchschnitt oder auch die Art der schulischen Vorbildung und die Wartezeit sein. Auch Eignungsprüfungen und Vorstellungsgespräche sind üblich. Schulische Ausbildungen kosten bei privat geführten Schulen oft Gebühren. Ausbildungsstellen ohne Gebühren gibt es zum Beispiel für Erzieher/innen, Heilerziehungspfleger/innen, Hebammen, Medizinisch-technische/r Assistenten/innen.

Fördermöglichkeiten durch die Agentur für Arbeit

Sie können sich bei der Agentur für Arbeit ausbildungssuchend melden.

Einen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), die die Arbeitsagentur vor allem bei einer betrieblichen Berufsausbildung in bestimmten Fällen zusätzlich zum Azubi-Gehalt zahlt, haben Flüchtlinge mit einer Duldung, die sich seit 15 Monaten ununterbrochen mit einer Aufenthaltserlaubnis, einer Aufenthaltsgestattung oder einer Duldung in Deutschland aufhalten.[41]

Wenn Sie mit einer niedrigen Ausbildungsvergütung und der Berufsausbildungsbeihilfe Ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, erhalten zur vollständigen Sicherung ihres Lebensunterhalts ergänzend Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die als Beihilfe erfolgen, also nicht zurückgezahlt werden müssen.[42]

Sobald Sie eine Arbeitserlaubnis erhalten können, haben Sie (neben der Berufsberatung) seit Inkrafttreten des Migrationspakets[43] ohne Einschränkungen Zugang zu folgenden Förderangebote der Agentur für Arbeit

  • Vermittlung freier Ausbildungsplätze
  • Einstiegsqualifizierung, d.h. finanzielle Unterstützung von Praktika von 6 bis 12 Monaten zur Vorbereitung auf eine Ausbildung[44]
  • Ausbildungsbegleitende Hilfen[45]
  • Begleitende Phase der Assistierten Ausbildung.[46]

Zu berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen[47] haben Sie Zugang

  • wenn Ihre Schul- und Deutschkenntnisse einen erfolgreichen Übergang in eine Berufsausbildung erwarten lassen und
  • Sie seit 9 Monaten eine Duldung haben. Wenn Sie vor dem 01.08.2019 eingereist sind, genügen 3 Monate.

Zu der Vorphase der Assistierten Ausbildung[48] haben Sie Zugang

  • wenn Ihre Schul- und Deutschkenntnisse einen erfolgreichen Übergang in eine Berufsausbildung erwarten lassen und
  • Sie seit 15 Monaten gestattet, geduldet oder erlaubt hier leben. Wenn Sie vor dem 01.08.2019 eingereist sind, genügen 3 Monate.

Bei einer schulischen Ausbildung könnte der Lebensunterhalt durch Schüler-BAföG finanziert werden.[49] Dies erhalten Sie nach 15 Monaten Voraufenthalt.[50] Haben Sie (noch) keinen Anspruch auf BAföG-Leistungen, haben Sie uneingeschränkt Zugang zu Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, die als Beihilfe erfolgen.[51]

Personen, die eine rein schulische Ausbildung machen, sind nicht gesetzlich krankenversichert. Das Sozialamt muss aber in jedem Fall Krankenhilfe nach dem 5. Kapitel des SGB XII (§§ 47 ff SGB XII) leisten; die Auszubildenden erhalten eine elektronische Gesundheitskarte.[52]

Selbständigkeit

Seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetz kann Ihnen die Ausländerbehörde auch erlauben, selbständig erwerbstätig zu sein.[53]

Um den Einstieg in die Selbstständigkeit finanzieren zu können, können Sie von der Arbeitsagentur einen so genannten Gründungszuschuss von 300 Euro monatlich erhalten.[54] Der Gründungszuschuss wird sechs Monate lang zusätzlich zu Ihrem Arbeitslosengeld gezahlt und kann dann noch einmal für neun Monate verlängert werden. Um einen Gründungszuschuss zu erhalten, müssen Sie noch mindestens fünf Monate lang Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben. Außerdem müssen Sie der Arbeitsagentur nachweisen, dass Ihre Gründungsidee tragfähig ist und Sie die dafür benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen.

  • Vor einer Existenzgründung sollten Sie sich in jedem Fall umfassend bei der Industrie- und Handelskammer, dem Deutschen Hotel und Gaststättenverband, der Handwerkskammer oder anderen kompetenten Stellen beraten lassen. Diese Vereinigungen bieten auch Existenzgründungsseminare an. Gründen Sie nicht übereilt ein Gewerbe. Schließen Sie vor allem erst einen Mietvertrag oder andere Verträge ab, nachdem Sie sich umfassend beraten lassen haben und ein tragfähiges Konzept haben. Es besteht die große Gefahr dauerhafter Verschuldung.

Beratung und Unterstützung bieten Ihnen die Nds. IvAF-Netzwerke, [55] die an die Stelle der ESF-Bleiberechtsnetzwerke getreten sind: FairBleib Südniedersachsen-Harz (www.bildungsgenossenschaft.de), Netzwerk Integration 3 (http://esf-netwin.de), AZF III (Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge III, nds-fluerat.org) und TAF (Teilhabe am Arbeitsmarkt für Flüchtlinge, VHS Heidekreis).

 

[1] § 32 Abs. 2 BeschV.

[2] Bundesagentur für Arbeit, Weisung 201606018 vom 20.06.2016 – Fachliche Weisungen zur Beschäftigungsverordnung, Nr. 32.04.

[3] Zu den Einzelheiten vgl. § 32 Abs. 2 Nr. 1 BeschV.

[4] § 54a SGB III.

[5] § 51 SGB III; einen Zugang zu Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme haben Flüchtlinge mit einer Duldung nur, wenn sie sich seit 6 Jahren in Deutschland aufhalten oder wenn sie oder ein Elternteil eine bestimmte Zeit in Deutschland gearbeitet haben etc. (§§ 52 Abs. 2; 59 Abs. 3; 132 Abs. 3 Nr. 2 SGB III)

[6] § 61 Abs. 2 AsylG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AufenthG.

[7] § 63a AsylG; § 55 Abs. 1 S. 1 AsylG; Nds. Innenministerium, Schreiben vom 02.04.2015, Az. 61.11 – 12235/9, S. 3.

[8] § 32 Abs. 1 S. 2 BeschV.

[9] Bundesagentur für Arbeit, Schreiben vom 09.04.2015, Az. AV32 – 5758.3, Anlage 2.

[10] § 36 Abs. 2 BeschV.

[11] Die Entscheidung über die Erteilung der Arbeitserlaubnis ist eine Ermessensentscheidung.

[12] Nds. Innenministerium, Schreiben vom 12.03.2020, https://www.mi.niedersachsen.de/startseite/niedersaechsische_erlasse_seit_2014/niedersaechsische-erlasse-seit-2014-139998.html.

[13] § 61 Abs. 1 S. 2 AsylG.

[14] Neuregelung seit 24.10.2015 durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (§ 47 Abs. 1a AsylG), zu den sicheren Herkunftsstaaten gehören jetzt Albanien, Kosovo, Serbien, Bosnien – Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Ghana (Anlage II zu § 29a AsylG).

[15] § 60a Abs.6 S. 1 Nr. 3 AufenthG.

[16] Anwendungshinweise des BMI zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 20.12.2019, Nr. 60c.2.1.1, siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/anwendungshinweise-zum-gesetz-ueber-duldung-bei-ausbildung.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

[17] So aber VG Freiburg, Beschluss vom 20.01.2016, Az. 6 K 2967/15.

[18] § 104 Abs. 16 AufenthG.

[19] § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 AufenthG.

[20] Der Leistungsbezug muss das „prägende Motiv“ für die Einreise gewesen sein, OVG NRW, Beschluss vom 09.11.2005 – 17 B 1485/05 (asyl.net, M 7604).

[21] § 60b Abs. 5 S. 2 AufenthG.

[22] § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 AufenthG.

 

[23] Zu den Einzelheizen Vgl. Weiser, Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktzugangs von Flüchtlingen, 3. Auflage, September 2017, S. 36 ff, https://www.asyl.net/fileadmin/user_upload/publikationen/Arbeitshilfen/BroschuereArbeitsmarkt_fin.pdf.

[24] Das gilt nicht für geduldete Flüchtlinge aus einem sog. sicheren Herkunftsstaat, deren nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt wurde (§ 6o Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG).

[25] Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), „Ein Leitfaden zu Arbeitsmarktzugang und -förderung. Flüchtlinge – Kundinnen und Kunden der Arbeitsagenturen und JobCenter“, April 2017, S. 25, siehehttp://www.esf-netwin.de/medien/R-Leitfaden%20Jobcenter%20Niedersachsen.pdf.

[26] Diese Netzwerke werden über die ESF-Integrationsrichtlinie Bund mit dem Handlungsschwerpunkt Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen gefördert.

[27] Zu der Frage, wann ein ununterbrochener Aufenthalt vorliegt, vgl. Erlass des Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport vom 17.12.2014, – Referat 61 (Ausländer- und Asylrecht) – 61.21 – 12232/ 2-0 (§ 32 BeschV), siehe http://www.nds-fluerat.org/infomaterial/erlasse-des-niederschsichen-ministeriums/, Einzelheiten auch unter 10.3 Arbeitserlaubnis ohne Vorrangprüfung.

[28] D.h. eine Aufenthaltserlaubnis, einer Niederlassungserlaubnis oder ein Visum etc., vgl. § 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG.

[29] § 32 Abs. 4, Abs. 2 Nr. 5 BeschV.

[30] Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport vom 17.12.2014, – Referat 61 (Ausländer- und Asylrecht) – 61.21 – 12232/ 2-0 (§ 32 BeschV), siehe http://www.nds-fluerat.org/infomaterial/erlasse-des-niederschsichen-ministeriums/.

[31] Das kann der Fall sein bei einem verspäteten Erscheinen bei der Ausländerbehörde; zu weiteren Einzelheiten vgl. dem Erlass des Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport vom 17.12.2014.

[32] Az. 61.21 – 12232/ 201.

[33] Bundesagentur für Arbeit, Weisung 201606018 vom 20.06.2016 – Fachliche Weisungen zur Beschäftigungsverordnung, Nr. 32.04.

[34] § 32 Abs. 4, Abs. 2 Nr. 1 BeschV.

[35] Die Entscheidung über die Erteilung der Arbeitserlaubnis ist eine Ermessensentscheidung.

[36] § 60a Abs. 6 AufenthG.

[37] Nds. Innenministerium, Schreiben vom 12.03.2020, https://www.mi.niedersachsen.de/startseite/niedersaechsische_erlasse_seit_2014/niedersaechsische-erlasse-seit-2014-139998.html.

[38] Anwendungshinweise des BMI zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 20.12.2019, Nr. 60c.0.1, siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/anwendungshinweise-zum-gesetz-ueber-duldung-bei-ausbildung.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

[39] Das Nds. Innenministerium teilt diese Rechtsauffassung, vgl. Schreiben vom 03.02.2020, https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2020/03/Hinweise-MI-Praktikum-schulische-Ausbldng-03-02-2020.pdf.

[40] §§ 32 Abs. 4, Abs. 2 Nr. 1BeschV; § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 MiLoG; vgl. auch Arbeitshilfe „Rahmenbedingungen von Praktika und ähnlichen betrieblichen Tätigkeiten für Asylsuchende und geduldete Ausländer/innen“, DiCV OS, http://www.caritas-os.de/zbs-auf/zbs-auf.

[41] §§ 56; 60 Abs. 3, S. 2 SGB III.

[42] §§ 3; 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AsylbLG; durch eine Änderung des AsylbLG wurde klargestellt, dass ein Anspruch auf Leitungen nach § 2 AsylbLG (sog. Analogleistungen entsprechend dem SGB XII) entgegen § 22 SGB XII auch dann bestehen, wenn eine dem Grunde nach förderfähige Berufsausbildung begonnen wird. Die sog. „BAB-Falle“ gibt es damit nicht mehr.

[43] Vgl. IvAF-Projekt Netwin, Übersicht zum Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz, siehe https://www.esf-netwin.de/recht.php

[44] §§ 29, 35, 54a SGB III.

[45] § 450 Abs. 1 SGB III.

[46] § 75 SGB III

[47] § 52 Abs. 2 S. 4 und 5 SGB III.

[48] § 75a Abs. 1 S. 3 und 4 SGB III.

[49] § 2 BAföG.

[50] § 8 Abs. 2a, Abs. 3 BAföG.

[51] §§ 3; 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylbLG; durch eine Änderung des AsylbLG wurde klargestellt, dass ein Anspruch auf Leitungen nach § 2 AsylbLG (sog. Analogleistungen entsprechend dem SGB XII) entgegen § 22 SGB XII auch dann bestehen, wenn eine dem Grunde nach förderfähige Berufsausbildung begonnen wird. Die sog. „BaFöG-Falle“ gibt es damit nicht mehr.

[52] § 264 Abs. 2 SGB V; da Krankenhilfe eine Sozialhilfeleistung nach dem 5. Kapitel SGB XII gilt der der Ausschluss aus § 22 Abs. 1 SGB XII, der sich nur auf  Leistungen nach dem 3. und 4. Kapitel SGB XII bezieht (Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung), hier nicht, vgl. Claudius Voigt, https://www.nds-fluerat.org/26025/aktuelles/erlass-des-innenministeriums-zu-leistungen-nach-2-asylblg-waehrend-studiums-und-ausbildung/.

[53] § 4a Abs. 4 AufenthG.

[54] § 93 f. SGB III.

[55] Diese Netzwerke werden über die ESF-Integrationsrichtlinie Bund mit dem Handlungsschwerpunkt Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen gefördert.

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