11.5 Beschäftigungsduldung

Durch das Migrationspaket wurde eine weitere neue Form der Duldung, die sog. Beschäftigungsduldung   nach § 60d AufenthG geschaffen. Sie soll erteilt werden, wenn Sie eineinhalb Jahre gearbeitet haben und weitere Voraussetzungen erfüllen und nach 30 Monaten den Übergang in eine Aufenthaltserlaubnis ermöglichen.

Die Regelung ist am 01.01.2020 in Kraft getreten und soll bis 31.12.2023 gelten.[1]

Auch Ihr*e Ehepartner*in/Lebenspartner*in und die mit Ihnen zusammenlebenden minderjährigen, ledigen Kinder sollen eine Beschäftigungsduldung erhalten.[2] Ein Teil der Erteilungsvoraussetzungen für eine Beschäftigungsduldung muss aber durch beide Ehepartner*in/Lebenspartner*innen erfüllen werden. Ist das nicht der Fall, erhalten auch die Sie keine Beschäftigungsduldung. Diese Regelung ist aus unserer Sicht im Hinblick auf den grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie problematisch, da damit Ehepartner*innen ggf. schlechter gestellt werden als Alleinstehende.
Bei der Beschreibung der einzelnen Erteilungsvoraussetzungen wird immer darauf hingewiesen, wenn  auch Ihr Ehepartner*in /Lebenspartner*in diese Voraussetzung erfüllen muss.

Die Beschäftigungsduldung soll erteilt werden. Das bedeutet, dass sie im Regelfall erteilt wird. Nur in  untypischen Fällen ist, auch wenn alle Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. ausnahmsweise eine Versagung möglich.[3]

Eine Beschäftigungsduldung soll für 30 Monate erteilt werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sein.[4]

a) Einreisezeitpunkt

Sie müssen bis zum 01.08.2018 eingereist sein.

b) Vorduldungszeiten

Sie müssen seit mindestens zwölf Monaten eine Duldung haben. Dabei werden Zeiten, in denen eine Duldung für Personen mit ungeklärter Identität erteilt wurde, vermutlich nicht mitgerechnet.[5] Kurzfristige Unterbrechung, wenn Sie die Duldung unverschuldet nicht rechtzeitig verlängern lassen konnten oder die Ausländerbehörde Ihnen in der Zeit der Prüfung der Duldung gründe keine Duldung erteilt hatte.[6]

c) Sozialversicherungspflichtige Vorbeschäftigung

Sie müssen seit mindestens 18 Monaten eine Arbeit haben. Die regelmäßige Arbeitszeit muss mindestens 35 Stunden pro Woche gewesen sein; wenn Sie alleinerziehend sind, reichen 20 Stunden pro Woche. Unverschuldete, kurzfristige Unterbrechungen sind unerheblich.[7]

d) Lebensunterhaltssicherung

Sie müssen in den letzten 12 Monaten vor der Beantragung der Beschäftigungsduldung Ihren Lebensunterhalt durch Ihre Arbeit selbst gesichert haben können, ohne ergänzend Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu benötigen. Auch hier sind unverschuldete, kurzfristige Unterbrechungen unerheblich. [8]

Außerdem müssen Sie Ihren Lebensunterhalt weiterhin durch Ihr Arbeitseinkommen finanzieren können.

e) Identitätsklärung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt

Wenn Sie

  • bis 31.12.2016 eingereist sind und
  • am 01.01.2020 seit 18 Monaten ein Beschäftigungsverhältnis von 35 Wochenstunden (Alleinerziehende: 20 Stunden) haben,

muss die Identitätsklärung bis zur Beantragung der Beschäftigungsduldung erfolgt sein.

Liegt eine dieser beiden Voraussetzungen nicht vor, muss die Identitätsklärung bis 30.06.2020 geschehen sein.

  • Auch Ihr Ehepartner*in /Lebenspartner*in muss diese Voraussetzung erfüllen.

Es ist aber unproblematisch, dass die Identität ohne Ihr Verschulden erst nach dieser Frist geklärt werden kann, wenn Sie alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen hierzu ergriffen haben.

Achtung

Auch nach den Anwendungshinweisen des BMI zur Ausbildungsduldung[9] ist es Ihnen während des gesamten Asylverfahrens bis zu dessen unanfechtbaren Abschluss unzumutbar, „sich einen Pass des Herkunftsstaates zu beschaffen oder in sonstiger Weise zur Passbeschaffung mit der Auslandsvertretung des Herkunftsstaates in Kontakt zu treten.“
Danach soll es allerdings grundsätzlich zumutbar sein, Familienangehörige, Rechtsanwälte oder sonstige Personen in Ihrem Herkunftsland mit der Beschaffung von identitätsklärenden Dokumenten zu beauftragen, „soweit im Einzelfall nicht glaubhaft dargelegt wird“, dass Sie „sich oder andere damit in Gefahr bringen würde.“

Wenn Sie die erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Identitätsklärung ergriffen haben, kann eine Ausbildungsduldung auch ohne Identitätsklärung erteilt werden.[10] Es besteht dann allerdings kein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Ausbildungsduldung.

Der Nachweis der Identität ist möglich durch[11]

  • einen Pass oder andere Identitätsdokumente mit Lichtbild
  • ausländische amtliche Dokumente, die biometrische Merkmale und Angaben zur Person enthalten, wie etwa Führerscheine, Dienstausweise oder Personenstandsurkunden mit Lichtbild
  • wenn andere Dokumente nicht besorgt werden können, hilfsweise auch Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Meldebescheinigungen, Schulzeugnisse oder Schulbescheinigungen,
    wenn sie geeignet sind, auf ihrer Basis Pass- oder Passersatzpapiere zu beschaffen.

f) Deutschkenntnisse

Sie müssen mündliche Deutschkenntnisse von A 2 GER[12] haben. Wenn Sie kein Sprachstandzertifikat besitzen, beurteilt die Ausländerbehörde Ihre Deutschkenntnisse selbst. Wenn Sie das Gespräch zur Erteilung der Beschäftigungsduldung mit dem Mitarbeitenden der Ausländerbehörde auf Deutsch führen können, haben Sie in der Regel die notwendigen Deutschkenntnisse.[13]

g) Integrationskurs

Wenn Sie verpflichtet wurden, einen Integrationskurs zu besuchen, müssen Sie den Kurs erfolgreich besucht haben. Erfolgte ein Kursabbruch, musste er unverschuldet sein.

  • Auch Ihr Ehepartner*in /Lebenspartner*in muss diese Voraussetzung erfüllen.

h) Schulbesuch etc.

Sie müssen nachweisen, dass Ihre minderjährigen ledigen Kinder, mit denen Sie zusammenleben, regelmäßig zur Schule gehen. Hierzu sollten Sie Zeugnisse mindestens des letzten Schuljahres und eine aktuelle Schulbescheinigung vorlegen.[14]

Außerdem dürfen Ihre Kinder nicht wegen bestimmter Straftaten[15] strafrechtlich verurteilt worden sein.

i) Keine strafrechtliche Verurteilungen

Sie dürfen nicht wegen einer hier begangenen vorsätzlichen Straftat strafrechtlich verurteilt worden sein. Dabei werden Geldstrafen von nicht mehr als neunzig Tagessätzen nicht berücksichtigt, wenn die Verurteilung wegen Straftaten erfolgt ist, die nur von ausländischen Staatsangehörigen begangen werden können, [16] wie beispielsweise die wiederholte Verletzung der räumlichen Beschränkung (Residenzpflicht).
Außerdem dürfen Sie keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen haben und diese auch nicht unterstützen.

  • Auch Ihre Ehegatten / Lebenspartner*innen müssen diese Voraussetzungen erfüllen

 j) Keine Ausweisungsverfügung oder Abschiebungsanordnung

Eine Beschäftigungsduldung wird nicht erteilt

  • wenn gegen Sie eine Ausweisungsverfügung[17] erlassen wurde oder
  • wenn eine Abschiebungsanordnung besteht.[18]

Nach den 30 Monaten mit einer Beschäftigungsduldung, soll die Ihnen Ausländerbehörde eine  Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 6 AufenthG erteilen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Beschäftigungsduldung weiterhin vorliegen. Zu den Einzelheiten siehe Kapitel 15.1.3.

Endet das Arbeitsverhältnis, sind Sie verpflichtet, dies innerhalb von 2 Wochen der Ausländerbehörde schriftlich oder elektronisch mitzuteilen; der Arbeitgeber ist ebenfalls zur Mitteilung innerhalb von 2 Wochen verpflichtet.[19]

 

[1] Art. 3 des Gesetzes über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2019 Teil I Nr. 26, ausgegeben zu Bonn am 15. Juli 2019, S. 1021 ff.

[2] § 60d Abs. 1 und 2 AufenthG.

[3] Anwendungshinweise des BMI zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 20.12.2019, Nr. 60d 0.2 siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/anwendungshinweise-zum-gesetz-ueber-duldung-bei-ausbildung.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

[4] § 60d Abs. 1 AufenthG.

[5] § 60b Abs. 5 S. 1 AufenthG.

[6] Anwendungshinweise des BMI zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 20.12.2019, Nr. 60d 1.2 siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/anwendungshinweise-zum-gesetz-ueber-duldung-bei-ausbildung.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

[7] § 60d Abs. 3 S. 2 AufenthG.

[8] § 60d Abs. 3 S. 2 AufenthG.

[9]Anwendungshinweise des BMI zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 20.12.2019, Nr. 60c.2.3.4; 60c.2.3, siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/anwendungshinweise-zum-gesetz-ueber-duldung-bei-ausbildung.pdf?__blob=publicationFile&v=2; wegen der insoweit identischen Regelung müssen die Anwendungshinweise zur Ausbildungsduldung an dieser Stelle auch für die Beschäftigungsduldung gelten.

[10] § 60d Abs. 4 AufenthG.

[11] Anwendungshinweise des BMI zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 20.12.2019, Nr. 60d.1.1; 60c.2.3.2, siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/anwendungshinweise-zum-gesetz-ueber-duldung-bei-ausbildung.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

[12] § 2 Abs. 10 AufenthG.

[13] Anwendungshinweise des BMI zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 20.12.2019, Nr. 60d.1.7, siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/anwendungshinweise-zum-gesetz-ueber-duldung-bei-ausbildung.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

[14] Anwendungshinweise des BMI zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 20.12.2019, Nr. 60d.1.10.1, siehe https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/migration/anwendungshinweise-zum-gesetz-ueber-duldung-bei-ausbildung.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

[15] Zu den Einzelheiten siehe § 60d Abs. 1 Nr. 10.

[16] § 95 ff AufenthG.

[17] Vgl. §§ 53 ff AufenthG; eine Ausweisung kann vor allem bei Straftaten erfolgen.

[18] Nach § 58a AufenthG kann „auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen“ werden.

[19] §§ 60d Abs. 3 S. 4; 82 Abs. 6 AufenthG.

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