5.5 Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“

Eine für Sie besonders schlechte Entscheidung ist die Ablehnung als “offensichtlich unbegründet”. In diesem Fall droht Ihnen unmittelbar die Abschiebung. Bei einer Ablehnung als “offensichtlich unbegründet” steht im Bescheid:

„1. Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
2. Der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
3. Der Antrag auf Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter wird abgelehnt.
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen nicht vor.
5. Der Antragsteller wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung endet die Ausreisefrist einen Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, wird er nach … (z.B. Liberia) abgeschoben. Der Antragsteller kann auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist.“

Das BAMF lehnt einen Asylantrag unter anderem dann als “offensichtlich unbegründet” ab,[1]

  • wenn das BAMF dem Flüchtling nicht glaubt, zum Beispiel wegen großer Widersprüche oder gefälschter Beweismittel
  • wenn das BAMF davon ausgeht, dass der Flüchtling über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder hierzu keine Angaben macht
  • wenn ein Flüchtling seinen Asylantrag erst lange nach der Einreise stellt, um das Ende seines Aufenthalts zu verhindern
  • wenn das BAMF es für offensichtlich hält, dass wirtschaftliche Gründe oder eine allgemeine Notsituation der einzige Grund für den Asylantrag ist;
  • bei Kindern, deren Eltern im Asylverfahren bereits unanfechtbar abgelehnt wurden
  • wenn jemand wegen eines Verbrechens zu mindestens drei Jahren Haft verurteilt wurde und deshalb als “Gefahr für die Sicherheit Deutschlands” oder “Gefahr für die Allgemeinheit” eingestuft wird oder wenn jemanden im begründeten Verdacht steht, ein Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein schweres nichtpolitisches Verbrechen begangen zu haben.[2]

Seit 17.03.2016[3] ist eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet auch möglich, wenn „eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet“, weil

  • er/sie wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte
  • rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, und
  • die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder die Straftat ein sexueller Übergriff, eine sexuelle Nötigung oder eine Vergewaltigung[4][5]

Es muss also eine Ermessensentscheidung[6] getroffen werden, ob deswegen eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet erfolgt.

Es besteht die Gefahr der Abschiebung. Sie haben nur eine Woche Zeit, gegen die Entscheidung des BAMF Klage einzureichen. Zusätzlich muss innerhalb derselben Frist ein Eilantrag gestellt werden.[7] Stellen Sie diesen Eilantrag nicht oder lehnt das Gericht ihn ab, können Sie abgeschoben werden, obwohl über die Klage noch nicht entschieden ist. Wenn der Eilantrag auf aufschiebende Wirkung erfolgreich ist, können Sie zumindest für die Dauer des Gerichtsverfahrens in Deutschland bleiben.

Eine endgültige Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 Nr. 1-6 AsylG hat zur Folge, dass Ihnen später eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden kann, wenn Sie einen Anspruch auf die Erteilung haben (z.B. wegen Familiennachzugs zu Deutschen, § 28 AufenthG). Wegen der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet können Sie keine Aufenthaltserlaubnis erhalten, bei der die Ausländerbehörde bei Vorliegen aller Erteilungsvoraussetzungen eine Ermessensentscheidung trifft, ob sie erteilt wird (z.B. Aufenthaltserlaubnis wegen der Unmöglichkeit einer freiwilligen Ausreise, § 25 Abs. 5 AufenthG).[8]

Dieser Ausschluss gilt nicht, wenn der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nr. 7 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Das ist der Fall, wenn ein Asylantrag von einem Flüchtling unter 18 Jahren gestellt wird oder nach § 14a AsylG als gestellt gilt, nachdem die Asylanträge der Eltern oder der des allein personensorgeberechtigten Elternteils unanfechtbar abgelehnt wurden.[9]

Flüchtlinge aus sog. „Sicheren Herkunftsländern“

Sog. „sichere Herkunftsstaaten“ sind jetzt Albanien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Bosnien – Herzegowina, Mazedonien, Senegal, Ghana.[10] Mit dieser Festlegung wird eine Vermutung aufgestellt, dass es in diesen Ländern keine politische Verfolgung gibt. Das hat zur Folge, dass Asylanträge von Staatsangehörigen aus diesen Staaten im Regelfall als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. Gegen diese Entscheidung muss innerhalb einer Woche eine Klage und ein Eilantrag eingelegt werden, in dem darzulegen ist, dass dem Asylsuchenden „abweichend von der allgemeinen Lage“ politische Verfolgung droht.[11]

Gegen diese Änderung bestehen erhebliche verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken.[12]

Das BAMF kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen, wenn Flüchtlingen aus sog. „sicheren Herkunftsstaaten“ kommen und der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde.[13] Die Frist beginnt mit der Ausreise und soll mit der Abschiebungsandrohung, spätestens aber bei der Ab- oder Zurückschiebung festgesetzt werden.[14]

Ein erneute Einreise ist in solchen Fällen nur möglich, wenn man erfolgreich einen Antrag auf Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots oder auf Verkürzung der Frist stellt; die Aufhebung oder Fristverkürzung kann erfolgen zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Betroffenen oder wenn der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots dieses nicht mehr erfordert.[15] Die Ausländerbehörde wird bei der Entscheidung über die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots oder über die Verkürzung der Befristung voraussichtlich oft zur Bedingung machen, dass vorher die Abschiebungskosten bezahlt wurden. Erst danach können die Familienangehörigen bei der deutschen Botschaft im Ausland ein Visum für die Einreise erhalten.

 

[1] §§ 30 Abs. 2, Abs. 3 AsylG.

[2] § 30 Abs. 4, Alt. 1 AsylG, § 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG.

[3] Gesetz zur erleichterten Ausweisung straffälliger Ausländer und Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11.März 2016, BGBl. I vom 16.März 2016, S. 394 f (sog. Köln-Gesetz).

[4] § 177 StGB.

[5] § 30 Abs. 4, Alt. 2 AsylG, § 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG.

[6] Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/7537 vom 16.02.2016, S. 9.

[7] §§ 74 Abs. 1; 36 Abs. 3 S. 1 AsylG; § 80 Abs. 5 VwGO.

[8] § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG.

[9] § 10 Abs. 3 S. 2 AufenthG; § 30 Abs. 2 Nr. 7 AsylG.

[10] Anlage II zu § 29a AsylG.

[11] § 29a AsylG.

[12] Reinhard Marx; Rechtsgutachten zur Frage, ob nach Unions- und Verfassungsrecht die rechtliche Einstufung von Serbien, Mazedonien und Bosnien und Herzegowina zu »sicheren Herkunftsstaaten« zulässig ist, April 2014; Heiko Habbe, Jesuitischer Flüchtlingsdienst, Stellungnahme vom 04.04.2014.

[13] Die Anordnung ist nur möglich, wenn kein subsidiärer Schutz zuerkannt und das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und keinen Aufenthaltstitel vorliegt, § 11 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 AufenthG.

[14] § 11 Abs. 2 S. 2, 3 AufenthG.

[15] § 11 Abs. 4 S. 1 AufenthG.

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