Das Bundesaufnahmeprogramm ist leider nicht für Menschen vorgesehen, die ein Visum zum Familiennachzug beantragen können. Wenn Menschen aufgrund des Familiennachzugs nach Deutschland einreisen möchten, müssen Sie das Visumverfahren über die zuständigen Auslandsvertretungen durchlaufen.
Da es seit einem Bombenanschlag 2017 keine deutsche Botschaft in Afghanistan mehr gibt, sind die deutschen Botschaften in Pakistan (Islamabad) und neuerdings auch Teheran (Iran) für afghanische Staatsangehörige zuständig. Darüber hinaus können afghanische Staatsangehörige das Visum auch bei deutschen Botschaften in anderen Staaten beantragen, sofern sie sich legal und dauerhaft in diesem anderen Staat aufhalten. Außerdem räumt das Auswärtige Amt ein, dass gefährdete Afghan:innen an allen Auslandsvertretungen einen Antrag stellen können, sofern die Notwendigkeit begründbar ist.
Im Folgenden versuchen wir häufig gestellte Fragen zum Familiennachzug zu beantworten. Weiterführende Materialien finden Sie hier.
Bin ich berechtigt meine Angehörigen nach Deutschland zu holen?
Wen kann ich nachziehen lassen?
Wie bekomme ich einen Termin bei der Botschaft?
Wie verläuft die Antragstellung?
Muss meine Ehefrau/ mein Ehemann ein Sprachzertifiakt A1 vorweisen?
Wie verläuft die Bearbeitung des Antrags?
Bin ich berechtigt meine Angehörigen nach Deutschland zu holen?
Ob Menschen die Möglichkeit haben, ein Visum zum Zwecke des Familiennachzugs zu erhalten, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst einmal muss die Referenzperson in Deutschland (zu der der Nachzug erfolgen soll) über
- eine Niederlassungserlaubnis,
- eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU,
- eine Aufenthaltserlaubnis,
- eine Blaue Karte EU,
- eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte verfügen oder
- sich gem. § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhalten (vgl. § 29 Abs. 1 AufenthG).
Personen mit einer deutschen Staatsangehörigkeit sind natürlich ebenfalls zum Nachzug berechtigt (vgl. § 27 AufenthG).
Für Personen mit einer Asylzuerkennung nach § 2 AsylG oder einer Flüchtlingsanerkennung nach § 3 AsylG besteht die Möglichkeit eines privilegierten Nachzugs nach § 29 Abs. 2 AufenthG. Das bedeutet, dass von den Voraussetzungen der Lebensunterhaltssicherung und des Nachweises von ausreichend Wohnraum abzusehen ist, wenn innerhalb von drei Monaten nach Zuerkennung der Schutzstatus eine sogenannte „Fristwahrende Anzeige“ gestellt wird. Auch wenn dies nicht geschieht, kann nach Ermessen von den genannten Voraussetzungen abgesehen werden.
Für Personen mit subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG besteht eine Sonderregleung, die mit einer Kontingentierung verbunden ist (vgl. § 36a AufenthG).
Bei den folgenden Aufenthaltstiteln ist der Nachzug nach § 29 Abs. 3 AufenthG nur „aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ erlaubt:
- § 22 AufenthG,
- § 23 Absatz 1 oder Absatz 2 AufenthG,
- § 25 Absatz 3 oder Absatz 4a Satz 1 AufenthG,
- § 25a Absatz 1 AufenthG oder
- § 25b Absatz 1 AufenthG (vgl. § 29 Abs. 3 AufenthG).
Humanitäre Gründe könnten festgestellt werden, wenn sich die Lebensgemeinschaft auf absehbare Zeit in keinem anderen Staat herstellen lässt.
Bei den folgenden Aufenthaltstiteln ist der Nachzug nach nach § 29 Abs. 3 AufenthG ausgeschlossen:
- § 25 Absatz 4, 4b und 5 AufenthG,
- § 25a Absatz 2 AufenthG,
- § 25b Absatz 4 AufenthG,
- § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG und
- § 104b AufenthG.
Neben dem notwendigen Aufenthaltsstatus gibt es weitere Faktoren, die ggf. von der Referenzperson erfüllt werden müssen. Der Nachweis von ausreichend Wohnraum ist nach § 29 Abs. 1 AufenthG eine notwendigerweise zu erfüllende Bedingung. Die Sicherung des Lebensunterhalts ist nach § 5 Abs. 1 AufenthG eine Erteilungsvoraussetzung, die in der Regel zu erfüllen ist. Es kann davon abgesehen werden, wenn besondere, atypische Umstände vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels muss aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten sein, z.B. weil die Herstellung der Familieneinheit im Herkunfts- oder Drittland nicht möglich ist (BVerwG-Urteil vom 30.04.2009 (1 C 3.08 Rn. 13).
Bei Menschen mit Asylanerkennung, Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutz kann immer davon abgesehen werden. Im Falle eines privilegierten Nachzugs (wie oben beschrieben) ist zwangsläufig davon abzusehen.
Um zu prüfen, was genau in Ihren Fall erforderlich ist, wenden Sie sich an eine Beratungsstelle, einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin oder erkundigen Sie sich hier.
Nach oben
Wen kann ich nachziehen lassen?
- Ehepartner:innen und minderjährige ledige Kinder können nachziehen.
- Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge können ihre Eltern nachziehen lassen. Ein Anspruch auf den Nachzug von minderjährigen Geschwistern besteht nicht, dennoch kann er erlaubt werden. (Ausführlichere Informationen zum Nachzug von Eltern und Geschwistern finden Sie hier.)
Der Nachzug von sogenannten „sonstigen Familienangehörigen“, also z.B. volljährige Kinder, Tanten, Onkel oder Eltern einer erwachsenen Referenzperson, kann ebenfalls beantragt werden, aber ein Visum wird nur vergeben, wenn eine „außergewöhnliche Härte“ vorliegt (vgl. § 36 Abs. 2 AufenthG). Diese muss sich von der gewöhnlichen Härte unterscheiden, d.h. eine häufig vorkommende Situation reicht als Begründung leider nicht aus. Es sollte versucht werden, darzustellen, dass es sich um einen Ausnahmefall handelt, der so dramatisch ist, dass die Verweigerung des Aufenthaltsrechts dazu führen würde, dass die/der Betroffene kein eigenständiges Leben führen könnte (vgl. Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 03.05.2019 – N 11). Außerdem ist zu begründen, dass die Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann (vgl. Fachinformation des DRK-Suchdienstes zum Familiennachzug von und zu Flüchtlingen vom 08. April 2022).
In der Praxis bedeutet dies, dass die Chance auf die Erteilung eines Visums für sogenannte „sonstige Familienangehörige“ leider sehr klein ist.
Nach oben
Wie bekomme ich einen Termin bei der Botschaft?
Laut Informationen des IOM von Juni 2022 liegt die Zuständigkeit für die Bearbeitung der Anträge von Antragstellenden mit gewöhnlichem Aufenthalt in Afghanistan für ein Visum zur Familienzusammenführung ab sofort bei den Botschaften in Teheran und Islamabad.
Eine Übersicht der für afghanische Staatsangehörige zuständigen Auslandsvertretungen von DRK Suchdienst finden Sie hier: Zuständigkeit Afghanische FZ Visa Antragstellung und Termin-Registrierung.
Für die Terminbuchung wird momentan nur auf Visametric verwiesen, wenn es sich um eine der folgenden Visumzwecke handelt:
- Studium und Forschung
- Erwerbstätigkeit: Vorsprache ohne Termin, wenn man eine Vorabzustimmung erhalten hat (seit 10.11.21), sonst Terminbuchung bei der Botschaft
- beschleunigtes Fachkräfteverfahren: Vorsprache ohne Termin, wenn man eine Vorabzustimmung erhalten hat (seit 10.11.21), sonst Terminbuchung bei der Botschaft.
Die Buchung des Termins zum Familiennachzug muss nicht über Visametric erfolgen.
Wichtig bei der Buchung: Sie müssen unbedingt eine E-Mail-Adresse und eine Telefonnummer angeben, auf der Sie gut erreichbar sind. Wenn sich die Kontaktdaten ändern, teilen Sie das der Auslandsvertretung mit.
Die Terminbuchung über die Mailadresse des IOM (Info.fap.de@iom.int) scheint nun nicht mehr möglich zu sein (Stand 02.06.2022).
Terminvorziehung
Nach Aussage des Auswärtigen Amtes vergeben die Botschaften Sondertermine zur Vorsprache, wenn besondere Umstände vorliegen, die auf eine besondere Notlage bzw. eine besondere Gefährdungssituation hindeuten und eine unverzügliche sachliche Prüfung des Visumbegehrens erfordern. Unter Darlegung der spezifischen Gefährdungssituation könne daher auf die Vergabe eines zeitnahen Sondertermins bei der deutschen Auslandsvertretung hingewirkt werden. Ein Hinweis auf die generelle Gefährdungssituation in Afghanistan genügt jedoch nicht. Auch eine Schwangerschaft ist i.d.R. kein Grund zur Terminvorziehung.
Wenn der Nachzug zum unbegleiteten Minderjährigen erfolgt, der innerhalb eines Jahres volljährig wird, empfehlen wir dringend um eine Terminvorziehung zu bitten. Wenden Sie sich in diesen Fällen an die zuständige Botschaft und das Auswärtige Amt (509-R2@diplo.de).
Außerdem kann in Teheran ein Sondertermin beantragt werden, wenn ein medizinischer Notfall besteht. Bitte verwenden Sie den Betreff „Familienzusammenführung medizinischer Notfall“ an die Mailadresse sondertermin@tehe.diplo.de. Zugesendet sollten ebenfalls alle Dokumente in Form eines PDF-Dokuments, der vollständige Vor- und Nachname, die Passnummer und die Registrierungsnummer, die man bei der Buchung erhält.
Eine Priorisierung kann außerdem erfolgen, wenn eine Kindeswohlgefährdung anzunehmen ist oder die Zugehörigkeit zu einer „besonders gefährdeten Personengruppe“ glaubhaft gemacht werden kann (vgl. Fachinformation des DRK-Suchdienstes zum Familiennachzug von und zu Flüchtlingen vom 08. April 2022). Nach unserer Erfahrung werden in diesen Fällen in der Regel keine Sondertermine vergeben.
Unterstützung durch das IOM
Das Auswärtige Amt schreibt:
Die International Organisation for Migration (IOM) führt das Familienunterstützungsprogramm (FAP) weiter. Es dient zur Vorbereitung von Anträgen auf Familienzusammenführung auch für afghanische Antragsteller. Afghanische Antragstellerinnen und Antragsteller, die noch keinen Familiennachzug nach Deutschland beantragt haben, können sich per Mail unter info.fap.af@iom.int an die IOM wenden. IOM kann Ihnen dann, im Rahmen der freien Kapazitäten, einen Termin an einer deutschen Auslandsvertretung in der Region zuteilen.
Sofern Termine aufgrund der Situation in Afghanistan nicht wahrgenommen werden können, teilen Sie dies der Botschaft mit und erfragen Sie einen neuen Termin.
Wie verläuft die Antragstellung? Welche Unterlagen muss ich beibringen?
Die Antragstellung erfolgt durch die persönliche Vorsprache bei der zuständigen Auslandsvertretung.
Die Bundesregierung verweist darauf, dass versucht wird, das Visumverfahren für afghanische Staatsangehörige zu erleichtern. Konkret bedeutet dies Folgendes:
- Visastellen wurden angewiesen, Ermessensspielräume umfänglich zu nutzen,
- die Urkundenüberprüfung wurde ausgesetzt,
- Passersatzpapiere können im erleichterten Visumverfahren ausgestellt werden, wenn kein Pass vorliegt,
- ein Dienstleister unterstützt die Annahme der Visumanträge (in Teheran und künftig auch in Islamabad (vgl. Plenarprotokoll 20_36_FNZ Teheran BFAA_Bünger, Frage 49).
Wenn Dokumente aufgrund der Herrschaft der Taliban nicht beschafft werden können, empfehlen wir, dies in einem Schreiben darzulegen. Wenn es sich um einem Reisepass handelt, empfehlen wir, einen schriftlichen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses für Ausländer im Ausland beizulegen.
Achtung: Wenn sich Personen in Iran oder Pakistan aufhalten, sind Reisepässe in den allermeisten Fällen unbedingt erforderlich, da die Regierungen dieser Länder Personen nicht ausreisen lassen, wenn Sie sich nicht legal im Land aufhalten. Die Einreise ist legal, wenn ein Visum vorliegt. Nach unserem Kenntnisstand ist es momentan nicht möglich, den Aufenthalt im Iran oder in Pakistan nach einer Einreise ohne Visum zu legalisieren. Daher ist in vielen Fällen leider eine Aus- und Wiedereinreise nötig (Stand: November 2022).
Wenn ein Sprachnachweis erforderlich ist, dieser aber nicht erbracht werden kann, legen Sie dies ebenfalls schriftlich dar. Listen Sie detailliert auf, welche Bemühungen die antragstellende Person bereits unternommen hat, um die Sprache zu lernen.
Nach oben
Muss meine Ehefrau/ mein Ehemann ein Sprachzertifiakt A1 vorweisen?
Dies ist im Einzelfall zu prüfen und kann nicht pauschal beantwortet werden. Das Auswärtige Amt schreibt dazu:
„Die deutschen Visastellen im Ausland sind gem. § 30 AufenthG u.a. verpflichtet zu prüfen, ob auf Grund der Umstände des Einzelfalles eine Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Lernbemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache oder der Nachweis dieser Bemühungen vorliegt. Dabei berücksichtigen sie insbesondere die jeweilige Gesundheits- und Sicherheitslage und Bewegungsmöglichkeiten am Wohn- bzw. Aufenthaltsort sowie die persönliche und familiäre Situation der Antragstellenden. Aufgrund des gesetzlichen Auftrags, die Umstände des Einzelfalls zu prüfen, darf keine pauschale Einstufung erfolgen.
Das AA hat die Auslandsvertretungen der Region Mitte August explizit darauf hingewiesen, angesichts der aktuellen Situation in Afghanistan auf das Vorliegen derartiger Umstände zu achten und diese zu berücksichtigen. Die Bundesregierung geht derzeit davon aus, dass das Ablegen einer A1- Prüfung im Zuge von Visumanträgen zur Familienzusammenführung für Menschen, die im Zeitpunkt der Antragsstellung ihren letzten Wohnsitz bzw. dauerhaften Aufenthaltsort in Afghanistan hatten, grundsätzlich weder möglich noch zumutbar ist.
Sofern der Nachzug zum Ehegatten bereits seit längerem geplant und ggfs. beantragt ist, kann grundsätzlich erwartet werden, dass bereits entsprechende Bemühungen um das Erlernen der deutschen Sprache unternommen wurden. Diese Bemühungen können bei der Antragstellung entsprechend glaubhaft gemacht werden.“
Wir empfehlen: Schreiben Sie genau auf, welche Bemühungen unternommen wurden und reichen Sie die Zusammenfassung bei der Botschaft ein. Wurde mithilfe einer App gelernt? Wurde sich ein Sprachlernbuch zum Selbststudium angeschafft? Wie viele Stunden hat die antragstellende Person wöchentlich mit Lernen verbracht? Hat der Ehepartner oder die Ehepartnerin in Deutschland online unterstützen können?
Auch wenn es Herausforderungen oder Schwierigkeiten beim Erlernen der Sprache gab (z.B. fehlender Internetzugang, Erkrankungen, Analphabetismus), empfehlen wir, diese darzulegen.
Wie verläuft die Bearbeitung des Antrags?
Da es aktuell keine deutsche Botschaft in Kabul gibt, werden die Visumanträge im Afghanistan-Referat des Auswärtigen Amtes in Berlin bearbeitet. Außerdem werden die zuständigen Ausländerbehörden in die Erteilungsentscheidung einbezogen.
Wenn der Antrag abgelehnt wird, gibt es zwei Möglichkeiten, gegen die Ablehnung vorzugehen:
- Eine sogenannte Remonstration wird verfasst und eingereicht. Dabei handelt es sich um eine Beschwerde gegen die Ablehnung und eine Erklärung, warum dies falsch ist.
- Eine Klage wird beim Verwaltungsgericht Berlin (unabhängig vom Wohnort der Refernzperson!) eingereicht.