Zu Drittstaatsangehörigen mit Aufenthaltstitel in Deutschland
Der Anspruch auf Familienzusammenführung bezieht sich ausschließlich auf die sogenannte Kernfamilie, also Ehepartner:innen und ledige minderjährige Kinder. Außerdem besteht für unbegleitete minderjährige Geflüchtete ein Rechtsanspruch auf den Nachzug der Eltern, sofern sich kein personensorgeberechtigtes Elternteil im Bundesgebiet aufhält. In Ausnahmefällen können darüber hinaus sonstige Angehörige nachgezogen werden.
Ehegatten (§§ 30-31)
§ 30 AufenthG regelt den Rechtsanspruch zum Familiennachzug von Ehepartner:innen. Um ein Visum erhalten zu können, müssen beide volljährig sein. Der:die nachziehende Ehepartner:in muss im Regelfall einfache Deutschkenntnisse (A1) nachweisen. Davon gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen, u. a. für anerkannte Flüchtlinge, wenn die Ehe bereits vor der Flucht bestand. Weitere Ausnahmen sind in § 30 AufenthG aufgeführt.
Beim Nachzug zu subsidiär Geschützten ist die Eheschließung nach der Flucht ein Ausschlussgrund.
Nachgezogene Ehepartner:innen haben im Falle einer Scheidung Anspruch auf einen eigenständigen Aufenthaltstitel, zumindest wenn die Ehe bereits drei Jahre in Deutschland bestand (§ 31 AufenthG). In Ausnahmefällen ist es auch vor Ablauf von drei Jahren möglich, einen eigenständigen Aufenthaltstitel zu bekommen.
Auch wenn dies nicht möglich ist, gibt es nach der Trennung häufig Möglichkeiten, einen unabhängigen Aufenthaltstitel zu erhalten (z. B. wegen Kindern oder aufgrund eines eigenen Asylantrags).
Siehe dazu: Welche aufenthaltsrechtlichen Perspektiven haben nachgereiste Personen?
Kinder (§§ 32-35)
Ledige minderjährige Kinder können zu ihrem Elternteil in Deutschland nachziehen. Wenn die Eltern getrennt leben, muss das Einverständnis zur Ausreise oder eine Sorgerechtsübertragung vorliegen. Wenn ein Elternteil verstorben oder verschollen ist, muss auch dies nachgewiesen werden.
ACHTUNG: Bei eintretender Volljährigkeit unbedingt die Weisung des Auswärtigen Amtes und die Weisung des Bundesinnenministeriums beachten!
Eltern und Geschwister von UMF (§ 36 Abs. 1)
Die Eltern von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten haben einen Anspruch zum Familiennachzug, „wenn sich kein personenberechtigtes Elternteil im Bundesgebiet aufhält“ (§ 36 Abs. 1).
ACHTUNG: Bisher musste die Einreise muss vor dem 18. Geburtstag erfolgen. Nun gab es ein Urteil des europäischen Gerichtshofes, das klar gestellt hat, dass dies nicht rechtmäßig war. Dies gilt allerdings nur, wenn das Kind in Deutschland eine Flüchtlingsanerkennung oder Asyl zuerkannt bekommen hat und ein fristwahrender Antrag innerhalb von drei Monaten nach Anerkennung (per Fax an die Botschaft) gestellt wurde. Bitte unbedingt die Weisung des Auswärtigen Amtes und die Weisung des Bundesinnenministeriums beachten!
Wenn der UMF in Deutschland subsidiären Schutz zugesprochen bekommen hat, muss die Einreise weiterhin bis zum 18. Geburstag erfolgen. Wir weisen deshalb darauf hin, dass ein vorgezogener Termin beantragt werden muss, wenn der:die Minderjährige in 6-12 Monaten volljährig wird (siehe „Wie läuft das Visumverfahren ab?“)
Weiterführende Informationen zu der Umsetzung des EuGH-Urteils finden Sie hier: DRK_Suchdienst_Fachinformation 05. September 2022_ EuGH_Entscheidungen_vom 01_08_22_Zeitpunkt der Minderjährigkeit
Detailliertere Informationen zum Nachzugsverfahren zu UMF finden Sie hier: https://www.bbzberlin.de/wp-content/uploads/2023/03/BBZ-Infoblatt-zum-Familiennachzug-zu-UMF-fuer-Vormuender_innen-2023-4-Seiten.pdf
Geschwisternachzug
Es besteht kein Rechtsanspruch für den Nachzug von Geschwistern von in Deutschland lebenden unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten. Die Möglichkeit des Geschwisternachzugs wurde in der Praxis in den letzten Jahren vermehrt eingeschränkt. Dies stellt Familien vor große Herausforderungen, weil Eltern die unmögliche Entscheidung treffen müssen, Kinder in ihrem Heimatland zurückzulassen, um zu ihrem in Deutschland lebenden Kind nachzuziehen.
Eine Möglichkeit bietet die Beantragung eines Visums zu den Eltern mit den Eltern: Wenn die Eltern über den Familiennachzug zum UMF eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland bekommen, haben die minderjährigen ledigen Kinder Anspruch zu ihren Eltern nachzuziehen. Das Visum zum Nachzug zu den Eltern (Kindernachzug nach § 32 AufenthG) kann zeitgleich mit dem Visum der Eltern beantragt werden. Dafür muss in der Regel die Voraussetzung zur Lebensunterhaltssicherung und ausreichend Wohnraum zur Verfügung stehen. Wenn der UMF nicht innerhalb von 90 Tagen nach Visumerteilung volljährig wird, kann auf die Lebensunterhaltssicherung verzichtet werden.
Achtung: Auch der Nachzug von Geschwistern ist nur möglich, solange diese unter 18 Jahre sind! Für volljährig gewordene Kinder gilt die Regelung für sonstige Angehörige.
Hinweise für die Praxis:
Bei drohender Volljährigkeit kann der Botschaftstermin vorgezogen werden. Die Botschaft sollte unbedingt auf die Eilbedürftigkeit aufgrund der baldigen Volljährigkeit hingewiesen werden. Schreiben Sie unbedingt eine Mail mit Hinweis auf Eilbedürftigkeit an die zuständige Botschaft sowie an das zuständige Referat im Auswärtigen Amt (Email: 509-R2@diplo.de).
Wenn die Volljährigkeit eingetreten ist und das Verfahren abgelehnt wurde, sollte Remonstration eingelegt und das Verfahren so offen gehalten werden. So besteht die Möglichkeit, dass Betroffene von einer entsprechenden Umsetzung des EuGH-Urteils profitieren könnten.
Sonstige Angehörige im Fall besonderer Härte (§ 36 Abs. 2)
Alle Familienangehörigen außer Ehepartner:innen und minderjährigen Kindern (z. B. volljährige Kinder) können nur „zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte“ (§ 36 Abs. 2) ein Visum für den Familiennachzug bekommen. Die Behörden treffen hier eine Ermessensentscheidung.
Das Vorliegen einer „außergewöhnlichen Härte“ ist in der Praxis sehr schwer nachzuweisen. Der folgende Auszug aus den allgemeinenen Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 36 AufenthG kann dabei helfen, zu verstehen, was gemeint ist:
Abs. 2 AufenthG, 36.2.2.4:
Umstände, die ein familiäres Angewiesensein begründen, können sich nur aus individuellen Besonderheiten des Einzelfalls ergeben (z.B. Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, psychische Not). Umstände, die sich aus den allgemeinen Lebensverhältnissen im Herkunftsland des nachziehenden Familienangehörigen ergeben, können insoweit nicht berücksichtigt werden. Keinen Härtefall begründen danach z.B. ungünstige schulische, wirtschaftliche, soziale und sonstige Verhältnisse im Heimatstaat. Ebenso wenig sind politische Verfolgungsgründe maßgebend. Dringende humanitäre Gründe, die nicht auf der Trennung der Familienangehörigen beruhen, sind nur im Rahmen humanitärer Aufenthaltsgewährung zu berücksichtigen (§§ 22ff.) und begründen keinen Härtefall i.S.d. § 36.
Die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem im Bundesgebiet lebenden Angehörigen ist im Allgemeinen nicht zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich, wenn im Ausland andere Familienangehörige leben, die zur Betreuung und Erziehung in der Lage sind. Dies ist bei einem Nachzug volljähriger Kinder und volljähriger Adoptivkinder zu den Eltern, beim Nachzug von Eltern zu volljährigen Kindern, beim Enkelnachzug und dem Nachzug von Kindern zu Geschwistern besonders zu prüfen.
Es muss also dargelegt werden, dass es sich um keine regelmäßig auftretende Fallkonstellation handelt, da regelmäßig auftretende Fallkonstellationen als „gewöhnliche Härte“ gewertet werden. Eine außergewöhnliche, sich im Einzelfall begründende Härte liegt dann vor, wenn die Person im Ausland auf die familiäre Gemeinschaft ihre Angehörigen in Deutschland angewiesen ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Betreuungspersonen verstorben sind und somit die Pflege oder Versorgung einer Person von Angehörigen in Deutschland (zu denen eine besondere Nähe besteht) übernommen werden muss. Eine rein finanzielle Abhängigkeit reicht nicht aus, um eine „außergewöhnlichen Härte“ zu begründen.
Beim Nachzug von sonstigen Angehörigen muss immer ausreichend Wohnraum zur Verfügung stehen. Außerdem muss in der Regel der Lebensunterhalt in Deutschland finanziert werden.
Zu deutschen Staatsangehörigen
Zu deutschen Staatsangehörigen können ebenfalls minderjährige Kinder und Ehepartner:innen nachziehen. Außerdem besteht die Option des Nachzugs eines Elternteils zum deutschen Kind, auch wenn der andere Elternteil sich bereits in Deutschland aufhält.