Fachbeitrag von: Hajo Töllner
Verfassungsrechtliche Vorgaben die bei Gesetzgebung und Rechtsanwendung zu beachten sind:
Das Asylrecht nach Art. 16 a I GG, die Menschenwürde gem. Art 1, das Persönlichkeitsrecht nach Art. 2, und das Diskriminierungsverbot gem. Art. 3 GG. Art. 2 II S. 2 und 3 GG lauten: Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden. Daraus folgt, dass Wohnsitzauflagen bzw. eine Unterbringung in Lagern nur auf gesetzlicher Grundlage angeordnet werden dürfen. Beschränkungen müssen auf allgemeinen, zwingenden sachlichen Gründen beruhen, da auch für Ausländer das Prinzip der persönlichen Freiheit gilt. Entsprechende ausländerrechtliche Auflagen haben die Menschenrechte zu beachten, wie sie in dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16.12.1966 (Art. 12) und in der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4.11.1950 (EMRK Art. 2 und 3 Protokoll Nr. 4) niedergelegt sind, welche als einfache Bundesgesetzes über Art. 59 II GG in das deutsche Recht transformiert worden sind. Jedoch: Nur Deutsche genießen Freizügigkeit, d.h. die freie Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes nach Art. 11 GG.
Personenkreise, die von der Unterbringungspolitik möglicherweise betroffen sind:
Asylbewerber gem. Art. 16 a GG mit der Besonderheit des Transitbereichs im Flughafenverfahren, weiter unerlaubt eingereiste Ausländer, die das Verteilungsverfahren nach § 15 a AufenthG durchlaufen, Staatenlose, denen noch keine entsprechenden Papiere nach dem Abkommen über Staatenlose erteilt worden sind.
Keine Verteilung findet statt bei Flüchtlingen oder Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit (Einreise nur nach Aufnahme aus dem Ausland) Personen, denen die deutschen Botschaften kurzzeitige Visa für Touristen pp. ausgestellt haben.
Aufenthalt und Verfahren für Ausländer und Flüchtling sind im Grundsatz materiell
Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.7.1951, Art. 21 u.a. Gleichbehandlungsklausel, AsylVfG vom 16.7.1982, AusländerG vom 28.4.1965, abgelöst durch das Aufenthaltsgesetz vom 30.7. 04, gilt ab 1.1.2005.
Die Verpflichtung, sich an einen bestimmten Ort zu begeben, in den verschiedenen Phasen des Aufenthalts:
Früher richtete sich der Aufenthalt eines Ausländers nur nach dem allgemeinen Ordnungs- und Polizeirecht, ohne dass Einzelheiten geregelt worden wären. Ausländer ohne Unterkunft wurden ggf. wie entsprechende Deutsche in eine Obdachlosenunterkunft eingewiesen, sie erhielten ggf. Sozialhilfe ohne Abschläge wie deutsche Hilfsbedürftige.
Heute werden Verteilung, Aufenthaltsbeschränkung, Wohnsitznahme einheitlich auf Bundesebene gesetzlich geregelt (s.o.). Die Durchführung der Gesetze, Unterhaltung der Wohneinrichtungen, soziale Fürsorge, aber auch polizeilicher Maßnahmen wie Abschiebung liegt jedoch in der Verantwortung der Länder. Trotz der weitgehenden Rechtseinheit wurden in der Praxis die Unterbringung und die soziale Leistungsgewährung von Bundesland zu Bundesland daher unterschiedlich gehandhabt. In den Bundesländern parallel erlassene, aufeinander abgestimmte Verwaltungsvorschriften sollen die Verwaltungspraxis vereinheitlichen (hierzu: Vorläufige Niedersächsische Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 30.11.2005, kurz: Vorl. Nds. VV-AufenthG). Auf der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder, kurz: IMK, werden Beschüsse zu einem einheitliche Vorgehen gefasst, wie etwa zur Bleiberechtsregelung. Hier haben sich die Innenminister vornehmlich Niedersachsen und Bayern als Bremser hervorgetan.
Asylbewerber durchlaufen folgendes Verfahren:
- Einreise/Antrag an der Grenze: Vorkontrolle der Grenzbehörde („Zuständigkeit“ der BRD für die Antragsbearbeitung), danach Weiterleitung an die nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung gem. § 18 AsylVfG
Ggf. Flughafenverfahren nach § 18 a VI AsylVfG (Einreise nach zwei Tagen, oder Hindernis), ggf. Zurückschiebung an der Grenze - Weiterleitung an die nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung zur Meldung, §§ 19 ff AsylVfG
- Weiterleitung nach dem länderübergreifenden Verteilungsschlüssel nach dem technischen System „EASY“
– im Falle § 15a AufenthG (unerlaubt eingereiste Ausländer) verteilt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz: BAMF, nach dem System Verteilung unerlaubt eingereister Ausländer –
Die Verteilung erfolgt jeweils nach dem sog. Königsteiner Schlüssel (Quote aus Bevölkerungszahl und Steuereinnahmen). - 4.Erstverteilung innerhalb des Landes mit Zuweisungsentscheidung per Bescheid ohne vorherige Anhörung („Transfer“), § 50 IV AsylVfG
- Auf Antrag des Ausländers ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich eine länderübergreifende (Um-)Verteilung gem. § 51 AsylVfG nach einer Entscheidung durch die Landesbehörde am Zielort (Voraussetzung immer: es besteht keine Verpflichtung mehr, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen).
III. Die Verpflichtung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten/Räumliche Beschränkung
Der Gesetzesbegriff richtet sich jeweils nach Zweck des Aufenthalts.
In den vergangenen Jahren war eine ßnderung der Bundes- als auch Landespolitik weg von einer dezentralen Unterbringung hin zu einer zentralen Unterbringung zu verzeichnen. Die Beschränkungen und Differenzierungen der Rechte haben sich mit dem AufenthG verschärft.
Es gibt:
- Aufnahmeeinrichtung gem. § 47 I AsylVfG
..verpflichtet, bis zu sechs Wochen, längstens jedoch bis zu drei Monaten, .. zu wohnen
Pflicht, erreichbar zu sein (Abs. III), Vorzeitige Beendigungsgründe gem. § 48 AsylVfG sind u.a. die Anerkennung als Flüchtling und der Rechtsanspruch auf Einheit der Familie aufgrund einer Eheschließung.
Wichtige Hinweise für die Praxis:- In der Einrichtung hat der Asylsuchende ein Recht auf Beratung, welches im Gesetz normiert wird (Abs. IV): Die Aufnahmeeinrichtung benennt … auch, wer dem Ausländer Rechtsbeistand gewähren kann und welche Vereinigungen dem Ausländer über seine Unterbringung und medizinische Versorgung beraten können.
- Ein Bescheid des Bundesamtes gilt gem. § 10 IV AsylVfG durch Aushang als zugestellt, so dass Rechtsmittelfristen laufen, auch wenn der Asylsuchende den Bescheid – aus welchen Gründen auch immer – nicht zur Kenntnis nimmt.: Zustellungen und formlose Mitteilungen sind mit der Aushändigung an den Ausländer bewirkt, im übrigen gelten sie am dritten Tag nach ßbergabe an die Aufnahmeeinrichtung als bewirkt.
- Der Asylsuchende ist in vielfältiger Weise zur Mitwirkung mit den Behörden verpflichtet. Verstöße können mit Sanktionen belegt werden.
- Gemeinschaftsunterkunft gem. § 53 AsylVfG
Die Gemeinschaftsunterkunft soll nunmehr der Regelfall der Unterbringung darstellen (Zentralisierung s.o.), und zwar für Asylbewerber im Verfahren und selbst nach Anerkennung, sofern nicht durch den Ausländer eine anderweitige Unterkunft nachgewiesen wird und der öffentlichen Hand dadurch Mehrkosten nicht entstehen, § 53 II S 1 AsylVfG.
Hinweis für die Praxis vor dem Hintergrund chaotischer Briefkastenanlagen im Einzelfall: Angesichts der oftmals existentiellen Bedeutung der zugestellten Briefe und dem Zusammenleben vieler fremder Menschen auf engstem Raum legt die Rechtsprechung zunehmend Wert auf eine verlässliche Zustellung der Post. Bei der GU erfolgt die Zustellung durch Postzusteller, indem die Sendung jeweils im Zimmer übergeben wird. Die Wohnung des Asylbewerbers ist nicht die Gemeinschaftsunterkunft als solche, sondern das Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft, das ihm zugewiesen wird und in dem er schläft (BayVG 19.3.2007 InfAuslR 2007, 263). - Ausreiseeinrichtung „können“ durch die Länder gem. § 61 III AufenthG
geschaffen werden für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer. § 61 II S. 2 AufenthG: In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden. In verschiedenen Entscheidungen haben Verwaltungsgerichte angemerkt, dass die Unterbringung in der Einrichtung nicht als Strafe oder eine Art Beugehaft verstanden werden darf (vgl. OVG Sachsen-Anhalt B vom 27.6.2005 zum AZ.: 2 O. 90/05). - Die Abschiebehaft gem. § 62 AufenthG in einer Justizvollzugsanstalt bedarf der besonderen Begründung, zumal die Freiheitsrechte eines Ausländers noch stärker beschnitten werden als bei manchen Strafgefangenen, die zumindest die Chance eines Freigangs haben.
IV.Räumliche Beschränkung und Wohnsitznahme, zwei verschiedene Auflagen
Das Gesetz kennt keine Präsenspflicht im strengen Sinne (Art. 2 I GG !), aber eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit: Die Aufenthaltsgestattung ist räumlich auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, in dem die für die Aufnahme des Ausländers zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt, § 56 AsylVfG.
Wohnsitzauflagen haben zum Inhalt, in einer bestimmten Gemeinde bzw. Unterkunft zu wohnen, § 60 I 1 AsylVfG. Sie werden durch die Ausländerbehörde für Personen im Asylverfahren mit einer Aufenthaltsgestattung verfügt, soweit sie sich nicht mehr in einer der o.g. Unterkünfte aufhalten (müssen). Für andere Ausländer kann die Ausländerbehörde nach Ermessen eine Wohnsitzauflage nach § 12 II AufenthG anordnen. Wie das Bundesverwaltungsgericht in einer noch nicht veröffentlichten Entscheidung vom 15.1.2008 entschieden hat, sind Wohnsitzauflagen speziell auch für sozialhilfebedürftige, anerkannte Flüchtlinge als Verstoß gegen das Europäische Fürsorgeabkommen und Art. 23 der Flüchtlingskonvention rechtswidrig, soweit sie im Interesse einer ausgewogenen Lastenverteilung verfügt wurden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz Urteil vom 24.8.2006 in: InfAuslR 2006 S. 492; in einem Einzelfall, in dem die eigene Familie eine Frau mit Gefahr für Leib und Leben bedrohte, war die Auflage aufzuheben nach dem Urteil des VG Lüneburg vom 18.4.2007, in: InfAuslR 2007 S. 471).
V.Spezielle ausländerrechtlich relevante Durchführungsvorschriften hat das Land Niedersachsen erlassen, wie u.a. (nicht vollständig!):
Das Aufnahmegesetz vom 11.3.2004 regelt allgemein die Verteilung – Gemeinden, die Standort einer Aufnahmeeinrichtung sind, können von der Verteilung ganz oder teilweise ausgenommen werden (Oldenburg – Regelung), ferner die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes, kurz: AsylbwLG, die Unterbringung in Landeseinrichtungen (öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis zwischen Land und Flüchtling ggf. mit der Folge einer Mietzahlungspflicht pp.), die Kostenerstattung des Landes an die Gemeinden als Pauschale von z.Z. 4.270 â?¬ je dezentral untergebrachter Person.
Die Vorl. Nds. Anwendungshinweise zum AufenthG vom 30.11.2005 unter Ziffer 61.2.: Niedersachsen hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Ausreiseeinrichtungen bei den ZAAB Braunschweig und Oldenburg zu schaffen.
In den Hinweisen sind ferner unter Ziffer 12.5.3 diejenigen Fälle aufgeführt, in denen eine Erlaubnis zum vorübergehenden Verlassen des Bereichs der räumlichen Beschränkung erteilt wird. Ferner werden unter 12.3. die Sanktionen bei Verstößen aufgelistet (der wiederholte Verstoß gegen eine Auflage ist eine Straftat!).
Erlasse (also verwaltungsinterne Anweisungen an die nachgeordneten Behörden) regeln weiter die örtliche und sachliche Zuständigkeitsverteilung ZAAB Oldenburg und Braunschweig mit der angegliederten Außenstelle Bramsche (Aufgabe: Koordinierung von Maßnahmen zur Förderung der freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen).
Nach dem Erlass vom 7.2.2005 verteilt die Einrichtung Braunschweig zentral für Nds. alle Personen quotenmäßig auf die Gemeinden, oder entscheidet nach Anhörung der Zuzugsgemeinde über Umverteilungsanträge innerhalb Nds.. Anträge auf Verteilung in ein anderes Bundesland können formlos bei der örtlichen Ausländerbehörde gestellt werden, die sie weiterleitet, § 51 II AufenthG,
Der Bezirk der räumlichen Beschränkungen der zentralen Gemeinschaftsunterkünfte nach § 56 I AsylVfG wird festgelegt auf die Stadt Braunschweig, die ZAAB Oldenburg und Bramsche jeweils auf das Stadtgebiet und den Landkreis Oldenburg bzw. Osnabrück.
Die Verlassensgründe nach § 58 V AsylVfG werden in dem Erlass im einzelnen aufgelistet, wobei die Landesregierung ausdrücklich Demonstrationen von Ausländern unterbinden will (Grund: Es sollen keine sog. Nachfluchtgründe für das Asylverfahren geschaffen werden).
Praxishinweis: Die Erlaubnisse nach § 58 I AsylVfG zur Aufnahme einer auswärtigen Arbeit sollen von der auswärtigen Ziel-Ausländerbehörde gegenüber der ersuchten Ausländerbehörde regelmäßig kurzfristig erteilt werden.
Auch wenn dies nur eine verwaltungsinterne Regelung darstellt, kann hierauf bei zögerlicher Bearbeitung verwiesen werden.
Zum Schluss zitiere ich aus einer Auskunft des Innenministers Schünemann auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten Langhans in 2006/7 (kursiv ist wörtlich):
Durch die „multifunktionale“ Nutzung der Landeseinrichtungen zur Aufnahme, Gemeinschaftsunterkunft und Ausreiseeinrichtung soll die Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen erreicht als auch die Nachteile einer dezentralen Unterbringung weitgehend vermieden werden. Kosten pro Person und Jahr incl. der Betreuung pp. belaufen sich in den Landeseinrichtungen auf 9.662 â?¬ pro Person und Jahr, was nach Umfang der Leistungen jedoch nicht vergleichbar sei mit der Erstattung von 4.270 â?¬ für dezentrale Unterbringung. Zuzugeben ist, dass die zentralen Einrichtungen Personal für die Ausreiseberatung u.a. vorsehen müssen.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...