Familienzusammenführung (Skizzen) (2018)

[Mai 2018]

Maher (37)

Der syrische Familienvater ist subsidiär geschützt und lebt mit seinen drei Söhnen seit Ende 2015 in Deutschland. Seine Ehefrau Sherin lebt mit drei weiteren Kindern unter äußerst prekären Bedingungen in der Türkei, die jüngste Tochter wurde dort geboren. Mahers Klage vor dem Verwaltungsgericht auf Zuerkennung des GFK-Status war erfolgreich, doch das BAMF legte Berufung gegen die Entscheidung ein. Die rechtliche Hängepartie dauert an. Zunächst war die damals achtköpfige Familie im Sommer 2014 gemeinsam in den kurdischen Teil des Iraks geflohen. Dort war ihre Situation so ausweglos, dass Maher und Sherin beschlossen, die Familie zu trennen. Maher sollte sich mit drei Kindern zu seiner Mutter nach Deutschland durchschlagen und seine Frau und die weiteren Kinder nachholen. Maher ist mittlerweile wegen Depressionen in Behandlung, auch die drei Söhne haben wegen der lang andauernden Trennung der Familie inzwischen große gesundheitliche Probleme.

Samer (49)

Zusammen mit seiner Tochter Sara lebt Samer seit September 2014 in Deutschland. Seine Ehefrau Maha ist mit den vier Söhnen in Jordanien. Samer bekam im Januar 2017 subsidiären Schutz zugesprochen. Er hat gegen den Bescheid geklagt, das Verfahren läuft. Doch er fürchtet, dass ihm nicht mehr ausreichend Zeit bleibt, denn im Juli 2017 wurde bei ihm Schilddrüsenkrebs diagnostiziert. Sara hat als mittlerweile volljährig gewordene Tochter grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ihre Mutter und ihre minderjährigen Geschwister zu sich nach Deutschland holen zu dürfen. Im August 2013 war die aus Damaskus stammende Familie zunächst gemeinsam nach Jordanien geflohen. Aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen dort sahen Samer und Maha jedoch bald nur einen Ausweg. Samer und seine Tochter sollten versuchen, es bis nach Europa zu schaffen und dann die übrigen Familienmitglieder nachholen. Dafür opferte die Familie ihre letzten Ersparnisse. In Deutschland haben Samer und Sara einen Integrationskurs besucht, Sara möchte gern ihr in Syrien begonnenes Studium in Deutschland fortsetzen. Samers Gesundheitszustand, die inzwischen jahrelange Trennung der Familie und die schwindende Hoffnung auf ein Wiedersehen zehren an beiden.

Anas (35)

Anas ist Kurde und stammt aus dem Nordosten Syriens. Seit Juli 2015 lebt er in Deutschland. Aufgrund seiner politischen Aktivitäten wurde der Lehrer in Syrien drangsaliert und offiziell vom Dienst suspendiert. Aus Angst vor weiteren Repressalien floh er und hoffte, Frau und Kinder nachholen zu können. Doch in Deutschland bekam er im Februar 2017 nur subsidiären Schutz  zugesprochen. Wegen der Kriegshandlungen und massiver Bombardierungen konnte auch seine Ehefrau Aycha mit den Kindern nicht länger in Syrien ausharren. Seit Oktober 2016 sind Mutter und Kinder in der Türkei. Sie leben in einem winzigen Zimmer, ohne Heizung und sanitäre Anlagen, im Winter ist es eiskalt. Ohne die Unterstützung von Verwandten könnten sie und die Kinder in der Türkei nicht überleben. Anas will bald seine B2-Sprachprüfung machen und hat ein Praktikum in einem Altenheim absolviert. Doch aus Sorge um seine Familie und aufgrund der Ungewissheit, ob er sie überhaupt irgendwann zu sich holen kann, fällt es ihm immer schwerer, die nötige Kraft aufzubringen, um sich ein neues Leben in Deutschland aufzubauen. Auch seiner Frau geht es in der Türkei psychisch und physisch immer schlechter.

Bagaht

Im November 2015 reist Bagaht, ein staatenloser Kurde aus Syrien, nach Deutschland ein. Seine Ehefrau und die drei Kinder bleiben in einem Flüchtlingslager im Nordirak. Im November 2016
wird ihm subsidiärer Schutz zugesprochen. Trotz seiner schwierigen Situation und vielen Hindernissen gelingt es Bagaht außergewöhnlich schnell, in Deutschland Fuß zu fassen. Schon während des Asylverfahrens findet er einen Arbeitsplatz bei einem Bauunternehmer. Seit September 2016 bezieht Bagaht keinerlei Sozialleistungen mehr und wäre finanziell in der Lage, seine Familie in Deutschland zu versorgen. Sein Arbeitgeber setzt sich beim örtlichen Abgeordneten und damaligen SPD-Generalsekretär Hubertus Heil für die Familienzusammenführung ein. Entgegen allen Erwartungen erhält seine Familie im Juli 2017 einen Termin, um im Irak ihren Visumsantrag zu stellen und ihre Unterlagen prüfen zu lassen. Weitere drei Mal wird die Familie ins Konsulat bestellt, es werden Fingerabdrücke genommen und bereits Reiseausweise für die Kinder ausgestellt. Erst im Oktober 2017 fällt im Konsulat auf, dass Bagaht nur subsidiären Schutz hat und damit seine Familie vorerst kein Recht auf Einreise hat.

Mahmoud (28)

Mahmoud ist ein staatenloser Palästinenser aus Syrien und lebt seit Oktober 2015 in Deutschland. In Syrien hatte Mahmoud im Gefängnis gesessen, weil er sich dem Militärdienst entziehen wollte. Zudem wurde er von einem Verwandten seiner Frau bedroht, der eine Ehe zwischen einem Sunniten und einer Schiitin nicht akzeptieren wollte. Da dieser Verwandte Kontakt zum syrischen Nachrichtendienst hatte, wurde die Situation für Mahmoud bald zu gefährlich. Als das Haus seiner Eltern durchsucht wurde, beschloss Mahmoud zu fliehen. Er hoffte, in Deutschland als Flüchtling anerkannt zu werden und sich ein neues Leben aufzubauen. Sobald wie möglich wollte Mahmoud auch seine Ehefrau zu sich holen, doch sie ist noch immer in Syrien. Im Mai 2017 bekam Mahmoud subsidiären Schutz zugesprochen. Somit ist Mahmoud zurzeit vom Recht auf Familiennachzug ausgeschlossen. In Deutschland bemühte Mahmoud sich, so schnell wie möglich Fuß zu fassen. Seit Dezember 2016 arbeitet er in Vollzeit bei einem IT-Unternehmen. Doch es fällt ihm immer schwerer, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Er hat gegen den BAMF-Bescheid vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Doch die Zeit drängt, denn mittlerweile hat sich die Situation auch für seine Frau zugespitzt. Der Geheimdienst hat sie bereits zweimal nach ihrem Ehemann befragt. Mittlerweile ist sie untergetaucht.

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