[Mai 2019]
NesT – ein neues Programm zur legalen Aufnahme von Flüchtlingen
von Thomas Heek, Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrats Niedersachsen
„Neustart im Team“, kurz NesT, so heißt ein deutsches Pilotprojekt zur legalen Aufnahme von Flüchtlingen, welches das Bundesinnenministerium (BMI) am 6. Mai 2019 in Berlin vorgestellt hat. Sogenannte Private Sponsorship – Aufnahmeprogramme, in denen sich zivilgesellschaftliche Akteure finanziell und ideell an der eigentlich staatlichen Aufnahme von Geflüchteten beteiligen – gibt es in anderen Staaten schon seit langem.
Wie funktioniert das NesT-Programm?
Entsprechend der Aufnahmeanordnung des Bundesinnenministeriums werden 500 Personen aus den Erstzufluchtsländern Ägypten, Äthiopien, Jordanien und Libanon ab Mitte 2019 aufgenommen. Als Herkunftsländer sind vor allem Somalia, Syrien, Irak, Sudan und Eritrea vorgesehen. Die Auswahl erfolgt zunächst durch UNHCR entsprechend der Kriterien des Bedarfs und des besonderen Schutzbedarfs (Vulnerabilität), die abschließende Aufnahmeentscheidung trifft das BAMF.
Wie auch im Resettlement erhalten die Einreisenden im NesT eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23(4) AufenthG mit allen Rechtsfolgen (unter anderem Anspruch auf SGB2-Leistungen und Integrationskurs, Arbeitsmarktzugang, zunächst dreijähriger Aufenthalt). Allerdings übernehmen Mentorengruppen von mindestens fünf Personen für zwei Jahre die Wohnraumkosten und die Begleitung der ersten Schritte zur Partizipation. Nähere Informationen zum Programm finden sich im Flyer des BMI sowie auf der Seite der Zivilgesellschaftlichen Kontaktstelle (ZKS), die das Programm fachlich begleitet.
Warum ein neues Programm?
Grundsätzlich begrüßt der Flüchtlingsrat Niedersachsen jeden zusätzlichen legalen Aufnahmeplatz für Geflüchtete. Gerade die Aufnahme aus Drittstaaten wie Ägypten, Äthiopien, Jordanien und Libanon folgt dem von UNHCR identifizierten Bedarf.
Die zielgerichtete Verknüpfung von Staat und Zivilgesellschaft bei der Aufnahme Geflüchteter ist ebenfalls begrüßenswert – aber sie ist eben auch nicht neu. Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich seit Jahren ehrenamtlich in der Unterstützung von Flüchtlingen. Die Zivilgesellschaft ist nicht nur Bestandteil, sondern Grundlage jeglicher Aufnahme Schutzbedürftiger. Weshalb sich die Bürger:innen nun auch noch finanziell an Wohnraumkosten beteiligen sollen, erschließt sich daher nicht.
Ebenfalls unklar bleibt, warum eigentlich ein solcher Aufwand betrieben wird: Weshalb muss ein neues Aufnahmeprogramm aufgelegt werden, wenn Aufnahmekriterien, Abläufe, Aufenthaltstitel und die Länder, aus denen aufgenommen wird, dieselben sind wie im diesjährigen Resettlement-Programm?
Ein neues Aufnahmeprogramm bedeutet immer auch zusätzlichen behördlichen und finanziellen Aufwand sowie erhebliche zeitliche Verzögerungen durch den Aufbau der benötigten Infrastruktur. Diese Schwierigkeiten zeigen sich bei den Bundesländern, die eigene Aufnahmeprogramme vorbereiten, unter anderem Schleswig-Holstein (500 Personen) und Brandenburg (60 Personen). Auch sie müssen dazu eigene Strukturen schaffen. Zudem ist der Aufenthaltstitel bei diesen Programmen gemäß § 23(1) AufenthG mit ungünstigeren Rechtsfolgen verbunden (unter anderem kein Anspruch auf Familienzusammenführung, AsylbLG statt SGB2, einjähriger Aufenthalt).
So stellt sich sowohl für NesT als auch für weitere Aufnahmeprogramme die Frage, weshalb Deutschland nicht einfach die Quote für das originäre Resettlement erhöht. Weshalb schließen sich Bundesländern nicht mit zusätzlichen Aufnahmeplätzen dem Resettlement-Programm des Bundes an? So entstünde eine langfristig planbare, höhere Aufnahmequote mit einem starken Aufenthaltstitel statt des Nebeneinanders von Resettlement, Humanitärer Aufnahme, Private Sponsorship und weiteren sogenannten „complementary pathways“.
Forderungen
Vor dem Hintergrund stetig steigender weltweiter Flüchtlingszahlen, einer europäischen Festungs- und Externalisierungspolitik und eines von UNHCR benannten Resettlement-Bedarfs von weltweit 1,4 Millionen Plätzen ist Deutschland vor allem gefordert, nachhaltig sichere Fluchtwege auszubauen und die legale Einreise von deutlich mehr Flüchtlingen verlässlich und planbar zu ermöglichen.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert die Bundesregierung daher auf, ihre Aufnahmebereitschaft dauerhaft zu zeigen und die Zahl der Resettlement-Plätze nachhaltig zu erhöhen. Solange die Bundesregierung aber auf ergänzende Programme wie NesT zurückgegreift, muss sie für jeden von der Bevölkerung gesponserten Aufnahmeplatz einen zusätzlichen vollständig staatlich finanzierten Platz im Resettlement-Programm zur Verfügung stellen.
Angesichts der Tatsache, dass die verfügbaren Resettlement-Plätze weit hinter dem großen Bedarf zurückbleiben, gilt aber nach wie vor, dass Resettlement und Programme wie NesT andere Aufnahmewege nicht ersetzen, sondern nur ergänzen können. Resettlement darf daher keinesfalls dazu dienen, die Flucht und Aufnahme nach der Genfer Flüchtlingskonvention zu beschränken oder auszuhebeln.
Links
Informationen zu den legalen Aufnahmeprogrammen in Deutschland beim Projekt Resettlement.de