Vom Umgang mit psychischer Krankheit (2018)

[Mai 2018]

Im Fall der Frau E. weigerte sich das BAMF trotz ihres besorgniserregenden gesundheitlichen Zustandes, vom Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 S. 1 der Dublin-III-Verordnung Gebrauch zu machen, und ordnete entgegen der fachärztlichen Empfehlungen eine Abschiebung in ein anderes EU-Land, in diesem Fall Polen, an. Frau E. ist eine Tschetschenin aus Russland. Sie floh – wie die meisten Menschen aus Tschetschenien – auf dem Landweg über Polen, wo sie keine angemessene Unterstützung und Behandlung erhielt, nach Deutschland. Im Jahr 2016 lehnte das BAMF den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Polen an. Der Flüchtlingsrat kümmerte sich um die Einleitung einer Behandlung und half Frau E., ihre Klage zu begründen und mit weiteren Gutachten und Beweismitteln zu untermauern. In der Folge ordnete das Verwaltungsgericht Hannover die aufschiebende Wirkung der Klage an. Das hieß, dass Frau E. jedenfalls für die Zeit des weiteren verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vor einer Abschiebung nach Polen geschützt war.

Knapp ein Jahr später fand die mündliche Verhandlung im Klageverfahren statt. Das Gericht hob erfreulicherweise den Bescheid des BAMF aufgrund der schweren psychischen Erkrankung auf und stellte die Zuständigkeit Deutschlands für die Durchführung des Asylverfahrens fest. Der Flüchtlingsrat begleitete die alleinstehende Mutter zweier Kinder auch weiterhin und bereitete sie auf die weiteren Schritte im Asylverfahren vor. So konnte Frau E. ihre Anhörung bei einer speziell geschulten Entscheiderin des BAMF wahrnehmen und sich zu ihren Asylgründen umfassend äußern. Bei Frau E. wurde schließlich ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG festgestellt, und so erhielt sie ein Aufenthaltsrecht in Deutschland.

Der Einzelfall zeigt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlige (BAMF) vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 S. 1 Dublin-III-Verordnung viel zu selten Gebrauch macht. Erst ein langer Kampf der Betroffenen bringt sie zu ihrem Recht.

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