Tagesspiegel: Josephat und Priscilla sind zurück!

Tagesspiegel vom 29.05.2007

Josephat und Priscilla mussten 2004 in den Kongo ausreisen. Jetzt dürfen die Halbwaisen bei ihrer Tante leben

Mit bunten Luftballons, Plüschtieren und vielen offenen Armen wurden Josephat und Priscilla Nguya gestern am Flughafen Tempelhof empfangen. Wie sie da mit ihrer Tante, einem Koffer und zwei Kisten standen, brachten der zwölfjährige Junge und seine fünfjährige Schwester aber erstmal kein Wort über die Lippen, schauten nur schüchtern vor sich auf den Boden. Dann gelang ihnen aber doch ein zaghaftes Lächeln. „Josephat und seine kleine Schwester Priscilla haben so viel durchgemacht, die müssen erstmal zu sich kommen“, sagt Titi Baneck. Sie ist die Tante der beiden kongolesischen Kinder, lebt seit 30 Jahren in Berlin und arbeitet hier als Krankenschwester.

Jetzt hat sie ihren Neffen und ihre Nichte in Kinshasa abgeholt, und bei den Behörden im Kongo das Sorgerecht eingeholt. „Ich bin so glücklich, dass die Kleinen nun bei mir sind, hier haben sie ein Zuhause“, sagte sie gestern am Flughafen und drückte die beiden immer wieder an sich.

Josephats und Priscillas Mutter ist vor zweieinhalb Jahren in Kinshasa gestorben. Sie war 34 Jahre alt. Die deutschen Behörden hatten sie vier Monate zuvor mit den Kindern abgeschoben, obwohl sie schwanger war und es ihr gesundheitlich nicht gut ging. Noch auf dem Flughafen in Kinshasa seien die drei verhaftet worden, sagt Emmi Gleim-Msemo, die Anwältin der Familie. Danach steckte man sie monatelang in ein Militärcamp. Dass die Frau an Blutvergiftung litt, wurde nicht erkannt. Ihr Kind hat sie verloren.

Der Vater tauchte aus Angst vor der drohenden Abschiebung unter, ebenso sein damals 15-jähriger Sohn. Die Familie hatte zehn Jahre lang als Bürgerkriegsflüchtlinge in Niedersachsen gelebt. Josephat ging dort zur Schule und spielte begeistert Fußball im Verein. Den Asylanträgen war zunächst stattgegeben worden, später wurden sie abgelehnt. Auch die Bemühungen von Josephats Lehrern und des Fußballvereins konnten die Abschiebung nicht verhindern. Wo sich der Vater und der älteste Sohn jetzt aufhalten, weiß niemand. Im Kongo hat die Familie keine Angehörigen mehr.

Nach dem Tod der Mutter kümmerte sich ein Pastor in Kinshasa um Josephat und Priscilla. Er lebt sehr einfach und hat noch viele weitere Zöglinge. „Auf Dauer hätte er nicht für die beiden sorgen können“, sagt Titi Baneck. Deshalb versuchten sie und die Anwältin alles, um die Kinder nach Berlin zu holen. „Wir danken der Berliner Ausländerbehörde sehr, dass sie so kooperativ war“, sagen Anwältin und Tante. Unter der Bedingung, dass Baneck das Sorgerecht erhält und klar ist, wer für den Unterhalt aufkommt, war die Behörde mit der Einreise einverstanden.

Das Schicksal der Familie rührte viele an. Nachdem die ARD im Dezember darüber berichtet und den weinenden Josephat in Kinshasa gezeigt hatte, fragten Menschen aus ganz Deutschland, wie sie helfen könnten, erzählt Anwältin Gleim-Msemo. Auch der Berliner Unternehmer Dirk Gädeke und seine Frau beschlossen, sich zu engagieren. Ihnen gehört die Hotelkette „Artotel“. „Diese Kinder sind völlig entwurzelt, der Vater weg, die Mutter tot, an so einem Schicksal kann man doch nicht einfach vorbeigehen“, sagt Dirk Gädeke. Zumal er selbst vier Kinder habe.

Die Gädekes haben eine offizielle Erklärung abgegeben, dass sie für den Unterhalt von Josephat und Priscilla mindestens bis zu deren 18. Lebensjahr aufkommen werden. „Ich werde die beiden auch gerne mal in den Arm nehmen“, sagt Sylvia Gädeke. Sie hat ihnen Eisbär, Känguru und Glücksschwein aus Plüsch mitgebracht. „Und wenn sie wollen, gehen wir morgen zusammen einkaufen.“ Als Geschenk für Josephat, den Fußballfan, hat Dirk Gädeke ein Fußballtrikot mitgebracht, auf dem die Schalke-Spieler unterschrieben haben. „Ja, Fußball, darauf freue ich mich“, sagt Josephat nach einer Weile in gutem Deutsch. Priscilla beißt ein Stück Schokolade ab und spielt mit den Luftballons. „Meine eigenen Kinder sind schon erwachsen“, sagt ihre Tante. „Wie schön, dass ich jetzt noch mal zwei kleine habe.“ Claudia Keller

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