[22. Juni 2020]
Offener Brief an die niedersächsische Landesregierung: Niedersachsen soll Sicherer Hafen werden
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil, sehr geehrter Herr stellvertretender Ministerpräsident Dr. Althusmann, sehr geehrte Frau Ministerin Dr. Reimann, sehr geehrter Herr Minister Pistorius, sehr geehrte Mitglieder der niedersächsischen Landesregierung,
nach wie vor sind viele Menschen aus unterschiedlichen Gründen auf der Flucht. Diejenigen, die sich auf den Weg nach Europa machen, sind dabei großen Gefahren ausgesetzt. Auch auf den griechischen Inseln spitzt sich die Lage weiter zu: Zehntausende Menschen harren unter unmenschlichen Bedingungen aus.
Niedersachsens Verantwortungsträger*innen sind immer wieder vorangegangen:
Ministerpräsident Stephan Weil nannte Mitte 2019 die Arbeit privater Seenotretter*innen im Mittelmeer „hoch achtbar“. Er sprach sich für eine neue Seenotrettungsmission der Europäischen Union im Mittelmeer aus. „Der Massenfriedhof Mittelmeer“ werde „Tag für Tag größer“, so der Ministerpräsident im vergangenen Jahr.
Wir erinnern auch daran, dass Niedersachsen bei der humanitären Aufnahme aus Syrien einmal Vorreiter unter den Bundesländern war. Verwandte von syrischen Geflüchteten, die bereits in Deutschland lebten, konnten bis Mitte 2015 über ein Landesaufnahmeprogramm einreisen. Über 5.000 Menschen fanden so zusätzlich in Niedersachsen Schutz. Leider war die Landesregierung bisher im Gegensatz zu einigen anderen Bundesländern nicht bereit, dieses Programm zu verlängern.
Niedersachsen hat bei der Aufnahme mehrerer Kinder aus den griechischen Geflüchtetenlagern eine Vorreiterrolle eingenommen und im April 2020 die ersten Aufnahmen ermöglicht. Diese muss nun dadurch gefestigt werden, dass die Landesregierung die Aufnahme weiterer geflüchteter Menschen in den aufnahmebereiten niedersächsischen Kommunen ermöglicht.
In Niedersachsen haben sich in den vergangenen Monaten bereits 30 kommunale Gebietskörperschaften zu Sicheren Häfen erklärt, die insgesamt über 3,3 Millionen Menschen repräsentieren.
Bund und Länder setzen bei der Aufnahme von Geflüchteten auf eine gesamteuropäische Lösung. Auch wenn eine solche grundsätzlich zu begrüßen ist, ist sie auf absehbare Zeit politisch nicht realistisch. Daher sollte Niedersachsen aus humanitären Gründen vorangehen.
Bund und Länder setzen bei der Aufnahme von Geflüchteten auf eine gesamteuropäische Lösung. Auch wenn eine solche grundsätzlich zu begrüßen ist, ist sie auf absehbare Zeit politisch nicht realistisch. Daher sollte Niedersachsen aus humanitären Gründen vorangehen.
Deshalb appellieren wir an Sie: Die Landesregierung hat vielfältige Möglichkeiten, sich für die zusätzliche Aufnahme von Schutzsuchenden einzusetzen. Die Aufnahmebereitschaft und Solidarität mit Geflüchteten auf kommunaler Ebene ist groß! Doch aufnahmewillige Städte und Kommunen sind auf Sie als Landesregierung angewiesen, damit die Aufnahme zusätzlich zur Quote ermöglicht wird. Als breites zivilgesellschaftliches Bündnis möchten wir die große Aufnahmebereitschaft vieler Bürger*innen unseres Landes deutlich zum Ausdruck bringen.
Niedersachsen hat die Kapazität, noch viele weitere Geflüchtete aufzunehmen und somit ein Sicherer Hafen zu sein. Daher fordern wir, dass die niedersächsische Landesregierung:
- sich solidarisch mit allen Menschen auf der Flucht, der zivilen Seenotrettung und den zivilgesellschaftlichen Unterstützer*innen von Geflüchteten erklärt und sich für ein Ende der Kriminalisierung von praktischer Solidarität mit Geflüchteten in Europa einsetzt.
- sich aktiv für sichere Fluchtwege und für die Einführung staatlich organisierter ziviler Seenotrettungsmissionen einsetzt.
- neue Landesaufnahmeprogramme (nach § 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz) auflegt, um sichere Fluchtwege für Schutzsuchende zu schaffen und diese zusätzlich zum Königsteiner Schlüssel in Niedersachsen aufzunehmen.
- die Aufnahme weiterer Menschen aus den Lagern an den europäischen Außengrenzen, insbesondere von den griechischen Inseln, umsetzt – entweder über Beteiligung an einer Bundesaufnahme durch Überquote oder im Falle der weiteren Blockade der Bundesregierung durch eine eigene Landesaufnahmeanordnung.
- sich an den Resettlement-Programmen des Bundes mit einem zusätzlichen Kontingent beteiligt, um so Möglichkeiten für die zusätzliche Aufnahme von Schutzsuchenden zu schaffen.
- der Bundesratsinitiative zur Änderung von § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zustimmt, mit der gesetzlich klargestellt würde, dass Bundesländer Landesaufnahmeprogramme auch ohne die Zustimmung des Bundesinnenministeriums durchführen können.
- das Engagement der vielen Kommunen als Sichere Häfen unterstützt, indem Rahmenbedingungen für eine eigenständige kommunale Aufnahme durch eine entsprechende Änderung des Aufenthaltsgesetzes erörtert und gesetzlich eingeführt werden.
- vor dem Hintergrund der Beteiligung niedersächsischer Polizeibeamt*innen an FRONTEX-Einsätzen Sorge dafür trägt, dass ein menschenrechtskonformer und humanitärer Umgang mit Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen sichergestellt ist, etwa durch ein eigenes Monitoringverfahren.
- sichere Bleibeperspektiven für Schutzsuchende schafft. Das Land sollte seine humanitären Spielräume nutzen, um Bleibe- und Teilhabeperspektiven für die Menschen zu schaffen und zu sichern, die in Niedersachsen leben und hier längst ihren Lebensmittelpunkt gefunden haben.
Als Landesregierung haben Sie die Möglichkeit, zum Ende der Politik der Abschottung beizutragen und Schutzsuchenden Perspektiven eines erfüllten Lebens zu geben. Mit besonderem Nachdruck appellieren wir an Ihre Menschlichkeit und Ihren Einsatz für grenzenlose Solidarität! Gerne unterstützen wir bei der konkreten Umsetzung unserer Anregungen mit unserem breit aufgestellten Bündnis.
Mit freundlichen Grüßen,
Unterzeichnende
Bundes- und landesweite Organisationen
ADV-Nord e.V. – Afrikanischer Dachverband Norddeutschland
amfn – Arbeitsgemeinschaft Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge in Niedersachsen e.V.
AWO Niedersachsen Landesarbeitsgemeinschaft
BumF – Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V.
Bund der katholischen Jugend Landesarbeitsgemeinschaft Niedersachsen
Caritas in Niedersachsen
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Landesverband Niedersachsen
Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser Niedersachsen
Landesjugendring Niedersachsen e.V.
Landesverband DFG-VK Niedersachsen-Bremen
Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen e.V.
Niedersächsischer Integrationsrat
Pro Asyl Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.
Seebrücke Niedersachsen
terre des hommes Deutschland e.V.
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Landesvereinigung Niedersachsen e. V.
ver.di-Landesbezirk Niedersachsen/Bremen
Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen e.V. (VEN)
Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen e.V. (VNB)
Bürgermeister*innen und Landrät*innen
Bürgermeister Dr. Wolfgang Wiese (Stadt Cloppenburg)
Bürgermeister Frank Seidel (Gemeinde Weyhe)
Bürgermeister Thomas Berling (Stadt Nordhorn)
Landrat Michael Schünemann (Landkreis Holzminden)
Samtgemeindebürgermeister Harald Hesse (Samtgemeinde Thedinghausen)
Oberbürgermeister Belit Onay (Landeshauptstadt Hannover)
Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (Stadt Göttingen)
Regionale Organisationen
AIDS-Hilfe Oldenburg e.V.
AK Asyl Cuxhaven e.V.
Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA) der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA) der Georg-August-Universität Göttingen
Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA) der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA) der Leibniz Universität, Hannover
Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA) der Stiftung Universität Hildesheim
Alltagskultur e.V. (Lüneburg)
Alte Glashüttensiedlung e.V. (Oldenburg)
amikeco-Willkommensinitiative e.V. (Lüneburg)
Antifa L Hannover
APROTO Aktionen und Projekte pro Toleranz e.V. (Bispingen)
Arbeitskreis Kritische Sozialarbeit Braunschweig/Wolfenbüttel
Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Hannover
Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg e.V.
attac Osnabrück
Autonomes Feministisches Kollektiv Hannover
Autonomes Frauenhaus Oldenburg e.V.
Autonomes Frauenhaus Osnabrück
BI Menschenwürde Landkreis Stade
BIPoC-Kollektiv Göttingen
Bündnis gegen Rechts (Braunschweig)
Cafe Glocksee (Hannover)
Cine k – das Filmkunstkino in der Kulturetage
Circus Radieschen Oldenburg
Conquer Babel e.V. (Göttingen)
CSD Nordwest e.V.
Deutsch-Israelische Gesellschaft, AG Oldenburg
DGB Kreisverband Emsland
DGB Kreisverband Grafschaft Bentheim
DGB Kreisverband Diepholz
DGB Kreisverband Osnabrück
DGB Stadtverband Hannover
DGB Stadtverband Osnabrück
direction f (Hannover)
Ende Gelände Hannover
Entwicklungspolitisches Informationszentrum Göttingen EPIZ
Ev.-luth. Christuskirchengemeinde Hasbergen
Evangelisch-reformierte Gemeinde Osnabrück
Exil – Osnabrücker Zentrum für Flüchtlinge e.V.
Feministischer Rat Hannover
FemRef | Autonomes Feministisches Referat Oldenburg
FlüchtlingsCafé Göttingen
Flüchtlingshilfefonds e. V.
Flüchtlingshilfe Oldenburg
Flüchtlingshilfe Rosenplatz e.V. (Osnabrück)
Flüchtlingshilfe Wolfsburg e.V.
Frauenrat Ronahî (Hannover)
Fridays for Future Braunschweig
Fridays for Future Göttingen
Fridays for Future Hannover
Fridays for Future Oldenburg
Fridays for Future Osnabrück
Friedensbüro Hannover e. V.
GEW Bezirksverband Lüneburg
GEW Kreisverband Region Hannover
Göttingen für Seenotrettung im Mittelmeer e.V.
Göttinger Arbeitskreis zur Unterstützung von Asylsuchenden e.V.
Göttinger Friedensforum
Griechenlandsolidarität Osnabrück
Haus der Kulturen Braunschweig e.V.
Help Age Deutschland e.V.
IBIS – Interkulturelle Arbeitsstelle für Forschung, Dokumentation, Bildung und für Beratung e.V. (Oldenburg)
Institut für angewandte Kulturforschung e.V. (Göttingen)
IG Metall Jugend Oldenburg/Wilhelmshaven
IG Metall Oldenburg
IG Metall Wilhelmshaven
IG Metall Hannover
Infocafé Anna & Arthur (Lüneburg)
Initiative für Internationalen Kulturaustausch Hannover/ Nds. IIK e.V.
Initiative NO OLGIDA (Oldenburg)
Janusz Korczak – Humanitäre Flüchtlingshilfe e.V. (Hannover)
Jugendkulturarbeit e.V. (Oldenburg)
Jugendverband Terne Rroma Südniedersachsen e.V. (Northeim)
kargah e.V. – Verein für Interkulturelle Kommunikation, Migrations- und Flüchtlingsarbeit (Hannover)
Klimakollektiv Oldenburg
Konferenz des Ev.-luth. Kirchenkreises Osnabrück
Labor für kritische Migrations- und Grenzregimeforschung (Göttingen)
Kulturzentrum Faust e.V. (Hannover)
Lampedusa-Bündnis Göttingen
Lebenswege Begleiten e.V. (Bruchhausen-Vilsen)
Mädchenhaus Oldenburg e.V.
MC Kuhle Wampe Brigade Belfort (Braunschweig)
Medienbüro Oldenburg e.V.
Medinetz Hannover e.V.
Migrationszentrum für Stadt und Landkreis Göttingen
NAV-DEM Hannover
Netzwerk Flüchtlingshilfe und Menschenrechte e.V. (Hannover)
Oldenburger Rechtshilfe
Ökumenisches Zentrum Oldenburg e.V.
Our House OM10 (Göttingen)
Peloton e.V. (Göttingen)
Prisma – Queer Migrants (Hannover)
Projekt Queeres Leben in der Migrationsgesellschaft (Hannover)
Refugee Law Clinic Göttingen e.V.
Refugee Law Clinic Hannover e.V.
Refugium Flüchtlingshilfe e.V. Braunschweig
Roma Center e.V. (Göttingen)
SJD – Die Falken Bezirksverband Hannover
SJD – Die Falken Kreisverband Braunschweig
So.Wi.WIR – Solidarisches Wildeshausen WIR
Solinet Hannover
Städtefreundschaft Oldenburg-Efrîn e.V.
Stadtlabor: Migration bewegt Göttingen
Steuerungsgruppe Fairtrade-Town Oldenburg (engagierte Personen)
Students for Future Oldenburg
theater wrede + (Oldenburg)
Transkultureller Jugendtreff INTAKT Syke
TRIVT e.V. Braunschweig – für Toleranz, Respekt und Interkulturelle VersTändigung
UNTER EINEM DACH (Hannover)
ver.di Bezirk Süd-Ost-Niedersachsen
ver.di Bezirk Weser-Ems
ver.di Jugend Bremen/Nordniedersachsen
ver.di Jugend Hannover-Heide-Weser
ver.di Jugend Region Süd-Ost-Niedersachsen
ver.di Jugend Weser-Ems
Verein der Arbeitslosen in WHV/FRI e. V.
Verein zur Förderung von Kommunikation und Streitkultur Lüneburg e.V.
Vfb für Alle e.V. (Oldenburg)
Willkommen in Lehre e.V.
„Wir sind mehr“-Bündnis Landkreis Diepholz
Women Defend Rojava Oldenburg
Zirkusschule Seifenblase e.V. (Oldenburg)