In der Nacht vom 5. auf den 6. März 2021 starb der 19-jährige Qosay Khalaf, nachdem er im Polizeigewahrsam in Delmenhorst kollabiert war. Er war zuvor von Zivilpolizist:innen im Delmenhorster Wollepark kontrolliert und festgenommen worden. Die Polizist*innen setzten bei der Festnahme Pfefferspray und körperliche Gewalt ein. Auch einen Monat nach dem Tod des jungen Geflüchteten bleiben viele Fragen zum Geschehen offen.
Trotz zahlreicher offener Fragen und der weiter ungeklärten Umstände des Todes von Qosay hat die Staatsanwaltschaft im Mai 2021 alle Ermittlungen eingestellt: zunächst die Ermittlungen gegen die beteiligten Polizist:innen und nun auch jene gegen die Rettungssanitäter:innen, die Qosay laut Zeugenaussagen nicht behandelten. Die Anwält:innen der Familie haben gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt.
Anfang August 2021 hat die Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg das Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Polizeibeamt:innen und Rettungskräfte wiederum eingestellt.
Viele Fragen offen
„Woran starb Qosay Khalaf? Wie ist der Polizeieinsatz abgelaufen? Wurde Qosay Khalaf ärztliche Hilfe verweigert? Was geschah im Polizeigewahrsam und warum wurde der 19-Jährige überhaupt dorthin gebracht?“
Qosay K. bekam keine Luft, in: taz vom 6. April 2021
Hamoudi, der an dem Abend gemeinsam mit Qosay Khalaf im Wollepark von der Polizei kontrolliert und festgenommen worden war, schilderte gegenüber dem NDR die Ereignisse:
„Hamoudi beschreibt, wie ein Beamter auf seinem Freund kniete. Mittlerweile sollen fünf Polizisten und eine Polizistin anwesend gewesen sein. Ein Sanitäter, der nach einem Pfefferspray-Einsatz routinemäßig gerufen wird, soll ihn nicht richtig untersucht haben und Qosay unterstellt haben, er schauspielere.“
Tod in Polizeigewahrsam? Staatsanwaltschaft ermittelt, in: NDR vom 7. April 2021
Nachdem es zunächst kein Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Polizist:innen gegeben hatte, stellten die Anwält*innen der Familien Strafantrag, so dass die Staatsanwaltschaft Oldenburg mittlerweile Ermittlungen aufgenommen hat.
„Das Anwält*innen-Team der Familie wartet momentan noch auf Akteneinsicht. Es sei aber klar, sagt [Anwältin Lea] Voigt, dass der Sohn ihrer Mandant*innen gesund war und im Zuge des Polizeieinsatzes so schweren gesundheitlichen Schaden nahm, dass er starb. „Laut dem Obduktionsgutachten, welches die Familie in Auftrag gegeben hat, starb Qosay K. an einem sauerstoffmangelbedingten Herz-Kreislauf-Versagen“, so die Anwältin. Ein Zeuge hatte schon früher berichtet, Qosay K. habe bereits im Park gesagt, er bekomme keine Luft. „Ihm wurde offensichtlich nicht geholfen, das wurde nicht erkannt – oder man wollte das nicht erkennen“, sagt Voigt.“
Qosay K. bekam keine Luft, in: taz vom 6. April 2021
„Fakt ist: Qosay K. hat den Polizeigewahrsam lebend betreten. Nur wenige Stunden später starb der Jugendliche im Krankenhaus. Auf Fotos von dort, die dem NDR vorliegen, ist der Heranwachsende kaum wiederzuerkennen. Das Gesicht ist stark angeschwollen. Eingetrocknetes Blut ist an einem Hüft-Verband zu sehen. Das Bettlaken, auf dem der junge Mann liegt, hat Blutflecken, rot getränkte Waschlappen lugen unter seinem Körper hervor.“
Tod in Polizeigewahrsam? Staatsanwaltschaft ermittelt, in: NDR vom 7. April 2021
Protest gegen Einstellung der Ermittlungen
Am Ostersamstag organisierte das Bündnis in Erinnerung an Qosay eine Demonstration in Delmenhorst, an der rund 250 Menschen teilnahmen und die Aufklärung des Polizeieinsatzes forderten. Auch die Eltern von Qosay Khalaf sprachen zum ersten Mal öffentlich. Eine weitere Demonstration organisiert das Bündnis am 5. Juni 2021 in Delmenhorst. Beginn ist um 14 Uhr.
Der Flüchtlingsrat erwartet, dass die Umstände, unter denen der Jugendliche ums Leben kam, umfassend aufgeklärt werden. Allzu oft müssen wir erleben, dass in Fällen, in denen Menschen bei einem Polizeieinsatz zu Tode kommen, Ermittlungen frühzeitig eingestellt oder – wie in diesem Fall zunächst – gar nicht erst aufgenommen werden. Auch Anmesty International kritisiert in seinem am 7. April vorgestellten Menschenrechtsbericht: „Der deutsche Rechtsstaat weist ausgerechnet dort Lücken auf, wo es um Transparenz und Kontrolle der Polizei geht.“ Eine unabhängige Kontrollinstanz fehle. Wichtige internationale Menschenrechtsstandards würden nicht eingehalten.
Meldungen des Flüchtlingsrats
Ermittlungen nach dem Tod von Qosay K. erneut eingestellt, Meldung vom 3. August 2021
Gerechtigkeit für Qosay – Demonstration am Samstag, Meldung vom 3. Juni 2021
Qosay K.: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Polizei ein, Meldung vom 18. Juni 2021
Woran starb Qosay K.?, Meldung vom 12. Mai 2021
Nach dem Tod von Qosay K. in Delmenhorst – Forderung nach Aufklärung, Meldung vom 7. April 2021
Initiative vor Ort
Bündnis In Erinnerung an Qosay: Instagram | Twitter
Medienberichte
Bündnis übt scharfe Kritik an Behörden, in: Nordwest Zeitung vom 3. August 2021
Ermittlungseifer? Fehlanzeige, in: taz vom 2. Juni 2021
Ermittlungen eingestellt, in: taz vom 17. Mai 2021
Tod nach Gewahrsam, in: taz vom 23. April 2021
Tod nach Polizeieinsatz: Wie ein gesunder 19-Jähriger starb, in: NDR/Panorama 3 vom 13. April 2021
Tod in Gewahrsam, in: Süddeutsche Zeitung vom 13. April 2021
Warum starb ein 19-Jähriger im Polizeigewahrsam?, in: tagesschau vom 13. April 2021
Tod in Polizeigewahrsam? Staatsanwaltschaft ermittelt, in: NDR vom 7. April 2021
Qosay K. bekam keine Luft, in: taz vom 6. April 2021
230 Menschen bei Trauerkundgebung in Delmenhorst, in: Nordwest Zeitung vom 6. April 2021
Zwischen Trauer und Wut, in: Weser-Kurier vom 5. April 2021