Das Land ist bei Flüchtlingen zu restriktiv – Artikel und Leserbrief

Hildesheimer Allgemeine Zeitung
Machens will mehr Milde – „Das Land ist bei Flüchtlingen zu restriktiv“

Von Michael B. Berger – Für wesentlich mehr Milde in der Flüchtlingspolitik macht sich Hildesheims Oberbürgermeister Kurt Machens (parteilos) stark. „Wir würden als Stadt wesentlich großzügiger bei der Gewährung von Bleiberechten vorgehen – uns sind aber durch harte Vorgaben vom Innenministerium die Hände gebunden“, sagte der Oberbürgermeister im Gespräch mit dieser Zeitung. Machens nannte es „absurd“, dass Flüchtlingen wegen jahrelang zurückliegender Passvergehen ein Bleiberecht verwehrt werde. „Ich wünschte mir einen ganz anderen, pragmatischen Geist in dieser Frage. Warum lässt man nicht die Gemeinden entscheiden, wen sie in ihrer Mitte dulden wollen oder nicht?“ In Hildesheim leben nach Machens Angaben etwa 350 Menschen, für die man eine Lösung bräuchte. Gut hundert von ihnen hätten Anträge gestellt, hierzubleiben. „Die meisten dieser Menschen wohnen seit Jahren in Hildesheim und sind bestens integriert, aber viele haben keine Chancen auf Bleiberecht, weil sie gegen ausländerrechtliche Bestimmungen verstoßen haben.“ Die Gemeinde, die im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises handele, habe so gut wie keinen Spielraum, die Bleiberechtsregelung wohlwollend und großzügig auszulegen, sagt der Oberbürgermeister. Als Beispiel nannte er das Schicksal einer lang in Hildesheim lebenden armenischen Familie, von der ein Mitglied als geduldeter Flüchtling geheiratet hatte – aber nur kirchlich. „Die Frau möchte gern standesamtlich heiraten, dafür müsste sie Papiere beantragen. Wenn sie das täte, stünde fest, woher sie kommt. Die Mutter müsste dann ausreisen, während die Tochter durch die Heirat dann eingebürgert wäre – das ist doch absurd.“
Im Innenministerium ist man erstaunt über die Klagen von Machens. Mit 1579 erteilten Bleiberechten liege Niedersachsen bundesweit an dritter Stelle.

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Dazu der Leserbrief von Andreas Vasterling (Menschen für Menschen Solidarität & Bleiberecht Hildesheim):

Oberbürgermeister Machens kritisiert die Härte des Landes Niedersachsen auf dem Sektor der Flüchtlingspolitik. Gern würde die Stadt Hildesheim großzügiger ein Bleiberecht gewähren, allein die harten Bestimmungen in Niedersachsen und die restriktiven Vorgaben des Innenminister Schünemann verhindern dies. Herr Machens kann nicht nachvollziehen, dass aufgrund eines lange zurückliegenden Passvergehens ein Bleiberecht verweigert werden muss, meiner Erfahrung nach, oft das einzige Vergehen von Betroffenen. Herr Machens spricht Menschen wie mir, die sich für Flüchtlinge einsetzen aus der Seele.
Der hiesige Innenminister überholt mit seiner Politik sogar noch Günter Beckstein, den Innenminister Bayerns, der in der Flüchtlingspolitik ebenfalls als Hardliner gilt, auf der rechten Seite. In Bayern sollen die Ausländerbehörden von den Betroffenen erbrachte Integrationsleistungen positiv bewerten, auch wenn diese zuvor nicht aktiv an ihrer eigenen Abschiebung mitgewirkt haben. Das unser Oberbürgermeister offenbar genauso empfindet, freut mich sehr. Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, ist die Tatsache, daß die Stadt im Fall der Familie Ismailov dann doch so verbissen agierte. Das einzige bisherige Hindernis für die Erteilung eines Bleiberechts war ein Passvergehen. Die Abschiebung dieser Familie wurde ja aufgrund des Protests dagegen zunächst abgebrochen. Es hieß seitens der Stadt, man wolle die Beurteilung der für die Familie gestellten Eilanträge beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abwarten. Man wartete aber nicht auf die Entscheidung, sondern telefonierte hinter ihr her und wollte unbedingt die Abschiebung vollziehen. Mittlerweile wird der Nachfolgeantrag der Ismailovs durch den Leiter des zuständigen Referats persönlich geprüft Dies wäre durch den ßbereifer der städtischen Ausländerbehörde beinahe verhindert worden. Dieses Verhalten passt nicht zu der richtigen Kritik von Herrn Machens.

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