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Zusammenfassung:
Diese Handreichung soll Hilfestellung für Beratende und Interessierte sein, die mit mittellosen Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern in Deutschland konfrontiert werden. Sie konzentriert sich auf deren aufenthaltsrechtliche und sozialleistungsrechtliche Situation, besonders auf Leistungen nach dem SGB II und SGB XII. Deutlich wird, dass die Unionsbürgerschaft für das Aufenthaltsrecht für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger entscheidend ist. Diese führt ähnlich einer Staatsangehörigkeit dazu, dass jeder Unionsbürger bedingungslos in einen anderen Mitgliedstaat einreisen und sich dort zunächst für drei Monate aufhalten darf. Danach gelten abgestufte Aufenthaltsbedingungen, die den Aufenthalt insbesondere davon abhängig machen, ob er im Zusammenhang steht mit der Ausübung einer der vier Grundfreiheiten des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV).
Wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger ist dabei die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit. Denn der Status des Arbeitnehmers und auch des niedergelassenen Selbstständigen bringt eine Vielzahl von Rechten mit sich. Dies zeigt sich an den Leistungen des SGB II, die hilfebedürftigen Arbeitnehmern und Selbstständigen aus anderen EU-Staaten zustehen.
Für Arbeitsuchende hingegen, die erstmals zum Zwecke der Arbeitsuche nach Deutschland eingereist sind, sieht das SGB II und das SGB XII einen Leistungsausschluss vor. Für Nichterwerbstätige dagegen gibt es einen solchen Ausschluss nicht, jedoch kann aufgrund des Bezuges existenzsichernder Leistungen ihr Freizügigkeitsrecht entfallen. Wenn das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) Anwendung findet oder Rechte aus der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO EG 883/2004) berührt sind, gilt jedoch etwas anderes: Kommt der betreffende Unionsbürger aus einem Unterzeichnerstaat des EFA oder findet die genannte Verordnung Anwendung, kann er sich darauf berufen, dass die Ausschlussklauseln des SGB II und auch des SGB XII nicht anwendbar sind.
Die Rechtslage ist vor allem deshalb schwer verständlich, da einige Begriffe im Recht der EU anders als im deutschen Recht und Sprachgebrauch definiert sind. Dies wirkt sich beispielsweise bei dem Begriff der „Sozialhilfe“ aus: Nach EU-Recht sind die Mitgliedstaaten in den ersten drei Monaten nicht verpflichtet, Unionsbürgern anderer Staaten Sozialhilfe zu gewähren. Die Frage, ob Leistungen nach SGB II eine Sozialhilfe im europarechtlichen Sinne darstellen, ist noch nicht abschließend entschieden. Doch es gibt gute Argumente, die dafür sprechen, dass es sich nicht um Sozialhilfe im europarechtlichen Sinne handelt, sondern um eine Leistung, die den Zugang zum Arbeitsmarkt unterstützen soll. Die Rechtsprechung, insbesondere des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), wird insofern berücksichtigt, als sie Hinweise auf die Auslegung themenrelevanter Begriffe oder Lebenssituationen gibt.
Festzuhalten ist, dass bei einem Großteil der Fälle ein Anspruch auf Sozialleistungen für hilfsbedürftige Unionsbürger besteht, diese aber oft in Unkenntnis der Rechtslage nicht ausreichend beantragt und bewilligt werden. Nachrangig sind in jedem Einzelfall unabweisbare Leistungen nach SGB II oder SGB XII im Ermessenswege zu prüfen.
Trotz mancher noch nicht abschließend geklärter Fragen wie der Gültigkeit des Leistungsausschlusses für Unionsbürger in SGB II und SGB XII oder der Europarechtskonformität der Unionsbürgerrichtlinie selbst, werden in dieser Handreichung keine politischen Forderungen nach einer Gesetzesänderung formuliert. Schwerpunkt ist die Darstellung der derzeitig komplexen Rechtslage. Sie kann – allein bei richtiger Anwendung − schon eine deutliche Verbesserung der Lebenslage für die Betroffenen mit sich bringen. Die Handreichung ist nach bestem Wissen und Gewissen erstellt worden, sie kann und will eine anwaltliche Rechtsberatung nicht ersetzen.
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