Wende im Fall Ahmed Siala?

Rund 100 Unterstützer/innen von Gazala Salame und Ahmed Siala sind am vergangenen Samstag (15.10.2011) erneut in Hildesheim auf die Straße gegangen, um ein Aufenthaltsrecht für die gesamte Familie in Deutschland zu fordern . Die Familie wurde bekanntlich im Februar 2005 durch Abschiebung auseinander gerissen. Begründung: Sie habe über ihre „Identität getäuscht“. Seither lebt Vater Ahmed Siala mit seinen beiden älteren Töchtern in Deutschland, Mutter Gazale Salame mit den kleineren Kindern in einem Vorort von Izmir.

Die Familie schöpft wieder neue Hoffnung auf eine Familienzusammenführung, weil es neue Erkenntnisse gibt: Das Landgericht Bückeburg hat in seinem Urteil vom 13.09.2011 einen im Landkreis Hameln lebenden Verwandten, der in dem selben türkischen Registerauszug auftaucht wie Ahmeds Vater, vom Vorwurf der Identitätstäuschung freigesprochen. Das Gericht stützt sich in seiner Urteilsbegründung ausgerechnet auf jenen Mitarbeiter der Landkreis-Ausländerbehörde, der den Fall Salame / Siala bearbeitet. In seinem gemeinsam mit Rechtsanwalt Heinrich Freckmann verfassten Reisebericht in die Türkei und den Libanon hatte dieser Mitarbeiter bereits im Jahr 2001 massive Zweifel an der Glaubwürdigkeit türkischer Registerauszüge geäußert und u.a. festgestellt, dass Eintragungen auch von Schulleitern, Dorfvorstehern oder Dritten (gegen Geld) vorgenommen wurden. Personen, die – wie Familie Siala – im Jahr 1994 im Libanon eingebürgert wurden, seien bereits 1958 im Libanon registriert worden. Auch haben die im Libanon geborenen Kinder von Angehörigen der arabischen Minderheit der Mhallami, die ab 1920 aus der Türkei in den Libanon eingewandert sind, von einer Registrierung in türkischen Personenstandsregistern nach Auffassung des zuständigen Mitarbeiters im Landkreis Hildesheim in der Regel nichts gewusst.

Die angebliche Eintragung des Vaters von Ahmed Siala in einem türkischen Personenstandsregister unter dem Namen „Gazi Önder“ erscheint auch im konkreten Fall aus mehreren Gründen sehr unglaubhaft: Registriert wurde diese Person nämlich erst 1975, 30 Jahre nach ihrer Geburt also, und zwar als „ledig“. Ahmeds Vater war zu diesem Zeitpunkt allerdings längst verheiratet und Vater von sieben Kindern. Dies belegen entsprechende Eintragungen im Libanon (siehe hier). Hätte er selbst eine Registrierung vorgenommen, so hätte er seine Frau und seine Kinder sicher mit eintragen lassen. Der Vater von Gazi Siala, also Ahmeds Großvater, ist bereits 1973 gestorben und kann eine Registrierung insofern auch nicht vorgenommen haben. Auch liegt inzwischen ein DNA-Nachweis vor, dass die angegebenen Verwandtschaftsverhältnisse nicht stimmen: Zumindest ein in dem Registerauszug genannter angeblicher Bruder von Ahmeds Vater kann danach kein Bruder sein (siehe hier).

Wer auch immer die Registrierung in der Türkei vorgenommen haben mag – sofern es sich überhaupt um dieselbe Familie handelt – eines steht jedenfalls inzwischen fest: Jeglicher Vorwurf der „Identitätstäuschung“ gegen Ahmed Siala ist infam: Der 1979 geborene Bürgerkriegsflüchtling stammt aus dem Libanon und hat wie alle seine Geschwister die Türkei nie betreten. Im Alter von fünf Jahren ist er mit seinen Eltern aus der „Hölle von Beirut“ direkt nach Deutschland geflohen, im Alter von 15 Jahren erhielt er die libanesische Staatsangehörigkeit.  Eine weitere Verweigerung der im Jahr 2001 mit unhaltbarer Begründung entzogenen Aufenthaltserlaubnis wäre nichts als blanker Zynismus.

 

Bitte schreiben Sie an dieser Stelle nur allgemeine Kommentare.
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...

Schreibe einen Kommentar

Jetzt spenden und unsere Arbeit unterstützen!