Mit unserer Petition „Voices from Choucha: Fluchtwege öffnen, Flüchtlinge aufnehmen!“ hatten wir versucht, den Landtag dazu zu bewegen, gegen die unmenschlichen Bedingungen in nordafrikanischen Lagern etwas zu unternehmen und den Flüchtlingen zu helfen. Der Niedersächsische Landtag lehnte den Antrag auf Aufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika und dem Nahen Osten jedoch mehrheitlich ab.
Der Niedersächsische Landtag sieht sich mehrheitlich nicht in der Verantwortung, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Zur Begründung heißt es, dass aktuell eine Reihe von Maßnahmen seitens der EU in Planung seien. Hier soll es vor allem um die „Förderung von Mobilität und Migrationssteuerung“ gehen, also im Klartext um die Planung weiterer Abschottungsmaßnahmen und den verstärkten Einsatz von Frontex. Bereits im Oktober 2010 seien neun Flüchtlinge aus Malta aufgenommen worden, weitere 14 von insgesamt 150 Flüchtlingen würden entsprechend der Aufnahmeerklärung von Bundesinnenminister Friedrich noch nach Niedersachsen kommen. Diese Argumentation mutet einigermaßen zynisch an angesichts der Tatsache, dass gleichzeitig 108 Menschen im Rahmen des Dublin II – Verfahrens nach Malta abgeschoben wurden. „Europa schützt die Grenzen, nicht die Flüchtlinge“, bringt PRO ASYL diese Politik treffend auf den Punkt.
Weiter argumentiert die Landesregierung, dass sie mit der Aufnahme weiterer Flüchtlinge einen „pull-effekt“ begünstigen würde und die „Schleuserkriminalität“ dadurch steigen würde. Würde man nicht eher die Schleuserkriminalität senken, wenn man Flüchtlingen den legalen Weg nach Europa ermöglicht?
Über 5.000 anerkannte Flüchtlinge sitzen derzeit in Lagern an der tunesischen und ägyptischen Grenze fest. In einer gemeinsamen Erklärung appellierten PRO ASYL und Amnesty International am Mittwoch in Berlin an die Bundesregierung, sich an der Aufnahme der Menschen zu beteiligen. Auch das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) rief dazu auf, neue Aufnahmeplätze zur Verfügung zu stellen.
Der deutsche Generalsekretär von Amnesty International, Wolfgang Grenz, nannte die Haltung der EU-Staaten angesichts der Krise vor den Toren Europas beschämend: „Nur sieben EU-Mitgliedsstaaten wollen einige Flüchtlinge aufnehmen, Deutschland ist nicht darunter.“ Dabei seien die Flüchtlinge vom UNHCR bereits vor Ausbruch des Libyen-Konflikts als schutzbedürftig eingestuft worden, es handele sich um Menschen, die in ihren Heimatländern als verfolgt gelten. „Da sie weder in Libyen noch in Ägypten oder Tunesien auf Dauer sicher leben können, wagen viele den lebensbedrohlichen Weg über das Mittelmeer“, berichtete Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt.
Nach Angaben des UNHCR sitzen in Tunesien etwa 3.900 und in Ägypten 1.900 Flüchtlinge fest. Als Lösung komme für sie nur das sogenannte Resettlement, also die Neuansiedlung in einem Drittland, in Frage, sagte der deutsche UNHCR-Vertreter Michael Lindenbauer. „Die bislang angebotenen weniger als 1.000 Plätze sind jedoch bei weitem nicht ausreichend“, betonte Lindenbauer. Er hoffe deshalb, dass sich nun auch Deutschland an dem von UNHCR organisierten Aufnahmeprogramm beteiligen werde.
Das Antwortschreiben der Landesregierung ist ein Armutszeugnis: Die Mehrheitsfraktionen verweigern die Übernahme von Verantwortung und schließen die Augen vor dem Leid der Flüchtlinge, die auch weiterhin mit ihrem Schicksal in den nordafrikanischen Lagern allein gelassen werden.
Frauke Paschen
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