130 Menschen versammelten sich am 7. September am Angoulemeplatz in Hildesheim, um der Forderung des Unterstützerkreises für eine Rückkehr von Gazale Salame zu ihrer Familie nach Dinklar im Landkreis Hildesheim Nachdruck zu verleihen. Gazale wurde am 10. Februar 2005 auf Anweisung des Landkreis Hildesheim ohne vorherige Ankündigung und trotz einer bestehenden Schwangerschaft zusammen mit ihrer einjährigen Tochter Schams in die Türkei abgeschoben, als Vater Ahmed Siala gerade die beiden älteren Töchter zur Schule brachte . Seither lebt die Familie getrennt (Näheres siehe hier und hier).
Die Demonstration stand unter dem Schock der Erklärung des Landkreises, trotz der offenkundigen Ungereimtheiten und Widersprüche in dem Registerauszug, der eine türkische Abstammung von Ahmed Siala belegen soll, an der Konstruktion einer türkischen Herkunft der Familie Siala festzuhalten. Unbeeindruckt von den vorgelegten libanesischen Dokumenten, die die Registrierung der bis zu ihrer Flucht in Beirut lebenden Familie Siala seit 1952 im Libanon dokumentieren, behauptet der Landkreis weiterhin, Ahmed Siala sei ein Türke, weil sein Vater in der Türkei registriert sei. Dabei hat die Familie türkischen Boden nie betreten. Die Flucht der Familie aus der „Hölle von Beirut“ nach Deutschland erfolgte 1985 .
Als Erste ergriff Dr. Lore Auerbach das Wort. Sie erläuterte noch einmal, dass der Landkreis es in der Hand hätte, angesichts offenkundig falscher Einträge in das türkische Register den Sachverhalt neu zu bewerten und endlich einen Schlussstrich unter den Fall zu ziehen. Eine politische Lösung sei überfällig, wie sie das Bundesverwaltungsgericht bereits im Januar 2009 gefordert hat. Gazale sei inzwischen psychisch zermürbt und suizidgefährdet.
Superintendent Helmut Aßmann appellierte – auch im Namen von Domkapitular Osthaus – an den Landrat, seine Entscheidung zu überdenken, Ahmed Siala eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen und Gazale eine Rückkehr im Wege des Familiennachzugs zu ermöglichen. Er verwies darauf, dass die Lösung kein juristisches Problem sei, sondern ein politisches. Es gehe um die Grundlagen der Gesellschaft – den Schutz von Kindern, den Schutz von Familien.
Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen rekapitulierte noch einmal die Stationen des Leidenswegs der Familie.Von ihrer Herkunft her seien Ahmed und Gazale arabischsprachige Flüchtlinge aus dem Libanon, die als Kleinkinder zu uns kamen, fließend deutsch sprechen und Deutschland als ihr Zuhause begreifen. Mit der Türkei verbinde sie nichts. Weber warf Landrat Wegner Wortbruch vor, weil dieser vor seiner Wahl als Landrat versprochen habe, sich für eine humanitäre Lösung einzusetzen. Wer angesichts der geschilderten Umstände von “Täuschung” spreche und trotz 17 – bzw. 26-jährigen Aufenthalts in Deutschland ein Bleiberecht verweigere, betreibe organisierte Vertreibungspolitik.
Hedwig Mehring erklärte für den Diözesan-Caritasverband ihre Unterstützung des Anliegens der Demonstration und forderte eine humanitäre Lösung. Sie erinnerte daran, dass weitere Familien mit einer „Duldung“ in Deutschland leben, die endlich ein sicheres Aufenthaltsrecht erhalten müssten. Pia Zimmermann, Landtagsabgeordnete der „Linken“, ließ ein Grußwort ausrichten.
Im Anschluss zog die Demonstration, unterstützt von der (aus dem ehemaligen Trillke-Orchester hervorgegangenen) Straßenmusikcombo „Der schwarze Hahn“, vom Angoulemeplatz durch die Bahnhofsallee und die Kaiserstraße vor das Landkreisgebäude in der Bischof-Janssen-Straße.
Dort ergriff der grüne Kreistagsabgeordnete Richard Bruns das Wort und versprach, Landrat Wegner in der nächsten Kreistagssitzung aufzufordern, die Verantwortung für alle Folgen zu übernehmen, die die Politik des Landkreises für das Leben und die Gesundheit von Gazale Salame habe.
Landtagsabgeordnete Jutta Rübke (SPD) erinnerte ihrem Parteikollegen Reiner Wegner an seine sozialdemokratischen Wurzeln. Der Landrat solle die juristischen Finessen lassen, erklärte sie mit bewegter Stimme. „Ich bitte ihn als Menschen, der auch eine Familie hat, seine Haltung zu überdenken“.
Eva Klippenstein berichtete anschließend über einen vergleichbaren Kampf in Düsseldorf um das Bleiberecht einer Roma-Familie. Sie überreichte eine Spende in Höhe von 200 Euro und appellierte an die UnterstützerInnen und an Ahmed Siala, den Mut nicht zu verlieren.
Dieser begleitete die Demonstration mit seinen beiden Töchtern Amina und Nura wortlos. Ihnen stand die Trauer über die erneut verpasste Chance einer kurzfristigen politischen Lösung ins Gesicht geschrieben.
Die Unterstützergruppe bekräftigte noch einmal, sie werde nicht locker lassen und so lange auf die Straße gehen, bis Gazale wieder zu ihrer Familie zurückkehren kann. Das nächste Treffen des Unterstützerkreises findet am 14. September 2011 statt. Für den 15. Oktober 2011 ist eine weitere Demonstration für dieses Ziel bereits angekündigt.
Bericht HAZ 08.09.2011
Manuskript Redebeitrag Flüchtlingsrat
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