Am dritten Jahrestag der Machtergreifung der Taliban gilt mehr denn je: Afghanistan ist nicht sicher

Am dritten Jahrestag der Machtübernahme in Afghanistan fordert der Flüchtlingsrat Niedersachsen gemeinsam mit PRO ASYL und den Flüchtlingsräten der übrigen Bundesländer die Bundesregierung auf, ihr Schutzversprechen zu erfüllen und das Bundesaufnahmeprogramm endlich zu realisieren. Die niedersächsische Landesregierung fordern wir auf, ihr Koalitionsversprechen einzulösen, ein Landesaufnahmeprogramm für Menschenrechtsverteidiger*innen aufzulegen. Zudem fordern die Organisationen einen bundesweiten Abschiebestopp nach Afghanistan, ein Bleiberecht für geduldeten Afghan*innen und die Einstellung jeglicher Kooperationsgespräche mit dem Taliban-Regime zu Rücknahmeabkommen.

Seit der Machtübernahme der Taliban ist die Lage im Land katastrophal und für viele Menschen lebensbedrohlich. Die Taliban haben die Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan massiv beschränkt. Angehörige der LGTBIQ* werden verfolgt. Die Communities werden öffentlich ausgepeitscht, im ganzen Land herrscht ein brutales Strafsystem. Taliban verschleppen, inhaftieren, vergewaltigen und bedrohen Menschen, die für die internationalen Kräfte gearbeitet haben. Durch die humanitäre Krise in Afghanistan sind zudem Millionen von Kindern von schwerer Unterernährung und lebensgefährlichen Krankheiten bedroht. Menschen, die eine Aufnahmezusage längst bekommen haben, warten aufgrund uferloser „Sicherheitsüberprüfungen“ monatelang auf einen Transfer.

Maryam Mohammadi, Referentin des Flüchtlingsrats Niedersachsen:

„Die anhaltende Situation der Afghanen mit Aufnahmezusage, die seit langem in Pakistan warten, ist alarmierend. Viele haben alles verkauft, um nach Pakistan gelangen zu können, und leben nun in ständiger Unsicherheit über ihre Zukunft. Was wird aus ihnen, wenn die Regierung erklärt, dass im Haushalt 2025 keine Mittel für das Bundesaufnahmeprogramm eingeplant sind? Zudem hoffen zahlreiche weitere verfolgte Afghanen in Afghanistan, die bereits eine Aufnahmezusage erhalten haben, darauf, endlich in Sicherheit gelangen zu können.“

Hochproblematische Entscheidungspraxis im Asylverfahren

Obwohl die menschenrechtliche und humanitäre Katastrophe in Afghanistan dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bekannt ist, gibt es zunehmend mehr Ablehnungen von Asylanträgen afghanischer Geflüchteter. Das BAMF sieht zum Beispiel auch bei vorheriger Arbeit für die ehemalige afghanische Regierung nicht unbedingt eine Gefahr für die Betroffenen, selbst wenn Kolleg*innen verschleppt oder getötet wurden.

Zudem prüft das Bundesinnenministerium, nach Forderungen von Bund und Ländern, die Möglichkeit der Abschiebungen nach Afghanistan und führt konkrete Gespräche zum Beispiel mit Usbekistan, einem direkten Nachbarstaat, und auch mit den Taliban selbst.

“Abschiebungen nach Afghanistan bedeuten zwangsläufig eine Kooperation mit den Taliban, die Menschen-, Frauen- und Kinderrechte mit Füßen treten, foltern, vergewaltigen und morden. Kriminellen Regimen wie den Taliban darf man nicht die Hand reichen, sie anerkennen oder mit ihnen zusammenarbeiten. Das widerspricht allen Grundprinzipien des Rechtsstaats und ist ein unumkehrbarer Tabubruch“, so Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL.

PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräten fordern einen bundesweiten Abschiebestopp und ein Bleiberecht für geduldeten Afghan*innen.

Bundesaufnahmeprogramm vor dem Aus

Obwohl die Lage eindeutig ist und Deutschland Schutz für gefährdete Afghan*innen versprochen hat, steht das Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghan*innen nur drei Jahre nach dem chaotischen Abzug der internationalen Streitkräfte im Sommer 2021 vor dem Aus. Dies ist im aktuellen Haushaltsplan der Regierung erkennbar. Gerade jetzt wird dieser Schutz jedoch dringend benötigt, da die Taliban Kabul vor drei Jahren blitzartig zurückerobert haben und viele gefährdete Personen weiterhin in Gefahr sind.

Für PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte steht diese katastrophale Entwicklung des Bundesaufnahmeprogramms auch im Zusammenhang mit den flüchtlingsfeindlichen Debatten der letzten Monate.

“Es kann nicht sein, dass ein von rechts getriebener Diskurs dazu führt, dass die Bundesregierung Verbündete im Stich lässt. Dies ist nicht nur fatal für die bedrohten Menschen, sondern macht auch deutsche Außenpolitik vor der Welt unglaubwürdig. Das Land Niedersachsen ist nun aufgerufen, einen Beitrag dafür zu leisten, dass an Leib und Leben bedrohte Menschenrechtsverteidiger*innen aus Afghanistan auch in Niedersachsen Aufnahme finden,” so Maryam Mohammadi für den Flüchtlingsrat Niedersachsen.

PRO ASYL, Flüchtlingsräte und viele weitere Organisationen fordern in einem gemeinsamen Statement den Erhalt und die tatsächliche Realisierung des Bundesaufnahmeprogramms und die Einhaltung der Schutzversprechen Deutschlands.

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