Stellungnahme zum Erlass „Schulische Förderung von Deutsch als Zweit- und Bildungssprache (DaZ/DaB), vom 1.12.23

Der ehemalige Erlass „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ vom 1.7.2014, geändert am 4.11.2019, liegt seit dem 1.12.2023 vor. Damit werden die Folgeerlasse (trotz Kritik von verschiedenen Seiten) in zwei Teile aufgeteilt:

Zu der Fassung des Erlasses Schulische Förderung von Deutsch als Zweit- und Bildungssprache vom 31.7.23 hatte der Flüchtlingsrat Niedersachsen dem MK eine schriftliche Stellungnahme verfasst. Für den Flüchtlingsrat Niedersachsen ist es unverständlich und irritierend, dass so gut wie keine Änderungsvorschläge aus der Stellungnahme übernommen wurde. Hier kurz zusammengefasst die wesentlichen Kritikpunkte vom Flüchtlingsrat Niedersachsen:

  • Eine Aufteilung des ehemaligen Erlasses „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ auf zwei Einzelerlasse lehnen wir nach wie vor ab. Es sind uns keinerlei fachlich-inhaltliche Gründe vermittelt worden, die sinnvoll und nachvollziehbar sind. Sprachliche Vielfalt als positiven Wert in einer demokratischen und diskriminierungskritischen Schule anzuerkennen, erfordert es, den gesamten lebensweltlichen Sprachbesitz eines Kindes in den Blick nehmen, weil die Sprachen miteinander interagieren und in ihrer Gesamtheit relevant für den Spracherwerb sind. Daher sollten sich alle Maßnahmen aus einem Erlass (DaZ, DaB und Mehrsprachigkeit) im Sinne eines Gesamtsprachenkonzepts aufeinander beziehen. Dies ist wichtig, um alle Möglichkeiten erkennen und nutzen zu können, die eine erfolgreiche Bildungsteilhabe ermöglichen. Da der Erlass DaZ und Bildungssprache nun bereits veröffentlicht wurde, ohne dass diese Bedenken aufgenommen wurden, fordern wir die konsequente Entwicklung eines Gesamtsprachenkonzepts, in dem alle Fördermöglichkeiten und Bildungsansätze aufeinander bezogen werden.
  • Der neue Erlass DaZ/DaB sieht eine direkte Zuweisung von Kindern und Jugendlichen in Grundkurse DaZ vor. Diese ersetzen die bisherigen Sprachlernklassen. Problematisch ist diese direkte Zuweisung, weil die Gefahr besteht, dass die Zuordnung nur an Schulen und Regelklassen erfolgt, die freie Schulplätze haben. Das sind i.d.R. nicht die Gesamtschulen oder Gymnasien, sondern niedrigere Schulformen wie Haupt- oder Realschulen. D.h. nicht die individuellen Bildungsvoraussetzungen stehen im Vordergrund und die bestmögliche Schule für das jeweilige Kind, sondern es wird umgekehrt vom Angebot aus gedacht. Dies kann zu Diskriminierungen führen.
  • Additive Sprachförderung ist in begrenztem Maße möglich, z.B. Grundkurs-DaZ mit 15 Std./Woche oder Aufbaukurs-DaZ mit 10 Std./Woche. Diese Möglichkeiten berücksichtigen wenig den individuellen Bedarf der Schüler*innen im laufenden Schuljahr (Einschulung nicht nur zum Schuljahresbeginn, psychische Belastungen) und die zusätzlichen Notwendigkeiten in der Schule z.B. Schulorganisation. Die Möglichkeit eines sicheren Lernortes in einer Sprachlernklasse mit individuellem Lernfortschritten und laufender Integration in die gesamte Schule werden nicht genutzt. Zudem ist nicht gewährleistet, dass die genannten Zusatzbedarfe tatsächlich zur Verfügung stehen. Insbesondere in Zeiten von Lehrermangel hat die Grundversorgung Vorrang, so dass Sprachförderstunden derzeit überdurchschnittlich oft ausfallen oder gar nicht erst eingeplant werden.
  • In dem Erlass wird durchgängige Sprachbildung als Querschnittsaufgabe von Schule beschrieben. Die zusätzlichen Maßnahmen für Schüler*innen ohne ausreichende Deutschkenntnisse müssen jährlich neu beantragt werden. Es kann dabei nicht garantiert werden, dass dieser Zusatzbedarf an Sollstunden auch genehmigt wird. Es wird von den Schulen also etwas erwartet, wofür die Rahmenbedingungen nicht gesichert sind.
  • Die konstruktive Kooperation mit den Erziehungsberechtigten, deren gründliche Information und eine entsprechende Einbindung in die gesamte Schulentwicklung ist (gerade in Zeiten von Fachkräftemangel) viel stärker zu verdeutlichen.

Insgesamt hat das MK leider die Möglichkeit verpasst, eine innovative Regelung zu schaffen und folgende Kriterien zu berücksichtigen1:

Kooperation

Alle Akteur:innen sollten frühzeitig eingebunden sein, um ein gemeinsames Ziel zu entwickeln. Dazu gehört auch, die jeweiligen Verantwortungen zu klären und die Struktur des bestehenden oder eines möglichen neu zu schaffenden Netzwerks zu verdeutlichen. Als wichtiger Faktor von Kooperation zählt ebenfalls die Vernetzung von Wissenschaft und Praxis.

Motivation

In den überwiegend von ehrenamtlichem Engagement getragenen zivilgesellschaftlichen Organisationen engagieren sich Menschen, die intrinsische Motivation für ihre Arbeit und praktische und/oder fachliche Expertise auszeichnet. Durch extrinsische Anreize, wie Unterstützungsangebote, Modellprojekte etc. oder auch gut strukturiertes, ansprechendes Material können diese unterstützt werden bei ihrer Arbeit.

Konzept

Das Konzept zur schulischen Förderung von Deutsch als Zweit- und Bildungssprache sollte evidenzbasiert, fachlich erprobt und nachhaltig einsetzbar sein. Auch sollte klar dargestellt werden, dass das zu implementierende Konzept an andere Programme innerhalb des Landes anknüpfen kann und dafür verlässlich die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen.

Schule im System

Sprachbildung wird nicht automatisch als Querschnittsaufgabe in Schule umgesetzt, weil es im Erlass steht. Die vorhandenen und neu zu entwickelnden Konzepte sollten in das Schulcurriculum eingebunden sein und durch bildungsadministrative Strukturen verankert werden.

Der Transfer und die Implementation von sprachlicher Bildung ins Schulsystem gewinnt durch die Vernetzung aller daran Beteiligten. Hier gilt es, entsprechende Koordinierungsstellen in den Kommunen aufzubauen, in denen Land und Kommune, Jugendhilfe und Schule sowie weitere Beteiligte, förderlich zusammen arbeiten. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Vereine sollten einbezogen werden, da sie wichtige Beiträge dazu leisten können. Die Administration sollte dabei unterstützen und auch Neues wagen.

1 https://www.mercator-institut-sprachfoerderung.de/themenportal/thema/netzwerke-zur-innovation-von-sprachbildung-unter-welchen-bedingungen-sind-laenderuebergreifende-proje/

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