Kommission beschließt Resolution mit Forderungen zum Schutz gegen Polizeigewalt

Die nachfolgende Resolution wurde von der Kommission für Migration und Teilhabe beim Niedersächsischen Landtag am 14.11.2023 verabschiedet:

Verantwortung übernehmen – Rassismuskritisch handeln

Wir fordern den Niedersächsischen Landtag und die Landesregierung auf:

1. Eine unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle zu schaffen!
2. Für mehr Transparenz zu sorgen und eine Fehlerkultur zu schaffen!
3. Die Umsetzung des Bremer Modells
4. Sensibilisierung in Polizei, Politik und Behörden zu gewährleisten!
5. Beteiligung weiterer Interessenvertretungen zu gewährleisten!

1. Eine unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle zu schaffen!

Das Land Niedersachsen muss eine unabhängige und niedrigschwellige Beschwerde- und Ermittlungsstelle schaffen. Diese Stelle wäre dafür zuständig, Beschwerden über polizeiliches Fehlverhalten und Polizeigewalt nachzugehen und eigenständig Untersuchungen über Polizeieinsätze durchzuführen, bei denen Personen zu Schaden gekommen sind. Die Stelle soll zudem die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörde bei Fällen unterstützen, in denen Polizeibeamt*innen selbst Beschuldigte sind.
Diese unabhängige Beschwerde- und Ermittlungsstelle darf dabei nicht der Innenverwaltung unterstehen, sondern muss außerhalb der polizeilichen Strukturen angesiedelt werden. Es ist dabei zu prüfen, inwieweit bspw. das britische Independent Office for Police Conduct (IOPC) als Vorbild für eine solche niedersächsische Behörde dienen kann. Schon der Europarat stellte in seinem „Code of Police Ethics“ von 2001 fest, dass Polizei, die gegen die Polizei ermittelt, generell Zweifel an der Unabhängigkeit aufkommen lässt. 1

Bisher obliegen Ermittlung und Verfolgung etwaigen polizeilichen Fehlverhaltens den Polizeibehörden selbst. Die Strafverfolgung wird dabei durch die der Polizei durch Arbeitsbeziehungen oft nahestehende Staatsanwaltschaft ausgeübt, während die Fach- und Dienstaufsicht beim Innenministerium liegt. Hierdurch ergeben sich kaum die Möglichkeiten, etwaiges polizeiliches Fehlverhalten unabhängig zu ermitteln und angemessen gerichtlich erörtern zu können. Internationale Beispiele wie das genannte IOPC zeigen, dass derartige Behörden, differenziert mit Vertreter*innen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen, darunter auch ehemalige Polizist*innen, besetzt, zur Verbesserung der Polizeiarbeit beitragen und das Vertrauen in die Arbeit der Polizei stärken können.
Von einer unabhängigen Beschwerde- und Ermittlungsstelle würde somit auch die Polizei profitieren. Eine transparente Fehlerkorrektur würde die Polizei vor unberechtigten Vorwürfen schützen.  Wird berechtigten Vorwürfen ernsthaft nachgegangen, stärkt dies das Vertrauen in die Polizei, statt Misstrauen zu säen.
Zugleich bedarf es weiterhin nicht-staatlicher Beschwerde- und Beratungsstellen, an die sich Betroffene jederzeit wenden können. Hierzu zählen auch Polizist*innen, die selbst Diskriminierungserfahrungen machen oder Fehlverhalten von Kolleg*innen melden wollen.

2. Für mehr Transparenz zu sorgen und eine Fehlerkultur zu schaffen!

Mit dem Gewaltmonopol der Polizei ist eine große Verantwortung und ein Vertrauensvorschuss durch die Gesellschaft verbunden. Um diesem Vertrauen gerecht zu werden, muss Polizeiarbeit transparent sein und permanenter unabhängiger Kontrolle unterliegen. Daher muss das Land Niedersachsen eine größere institutionelle Transparenz bei Ermittlungen und Beschwerdeeingängen gewährleisten. Insbesondere bei Ermittlungen von Fällen rassistischer Gewalt gegenüber Migranten*innen und migrantisch gelesenen Menschen muss die Polizeiarbeit im höchsten Maße transparent sein. Auch bei der einzurichtenden Beschwerde- und Ermittlungsstelle muss Transparenz über die Tätigkeiten herrschen. Entscheidend ist dabei, dass Fehlverhalten nicht vertuscht, sondern aufgearbeitet wird, dass also eine Fehlerkultur geschaffen wird.

3. Die Umsetzung des Bremer Modells

Wir begrüßen das Interesse des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport für die in Bremen eingeführte Dokumentationspflicht und fordern weiterhin die zeitnahe Umsetzung entsprechender Maßnahmen.
Beamt*innen müssen bei Kontrollen Quittungen ausstellen und darin den Grund der Kontrolle angeben. Sollten sich Verdachtsfälle von Racial Profiling bewahrheiten, sind diese zu ahnden und bewusst zu machen.

4. Sensibilisierung in Polizei, Politik und Behörden zu gewährleisten!

Maßnahmen zur Gewährleistung einer selbstreflexiven, fehlertoleranten Praxis müssen nicht nur in der Ausbildung verankert sein, sondern auch im Alltag auf der Wache etabliert werden. Sowohl innerhalb der Polizei als auch in Politik und Behörden muss anerkannt werden, dass die Wahrscheinlichkeit, als Nicht-Weiße Person von der Polizei angehalten zu werden, um ein Vielfaches größer ist als für weiße Menschen. Darüber hinaus erfahren Migrant*innen und Schwarze Menschen sowie Personen of Color deutlich mehr Gewalt durch die Polizei als Angehörige der Mehrheitsgesellschaft. Daraus müssen strukturelle Maßnahmen erwachsen, um entschieden gegen rassistische Erscheinungsformen anzugehen. So ist bereits in der Ausbildung von Polizist*innen, aber auch fortlaufend eine Sensibilisierung für unbewussten und bewussten Rassismus unerlässlich. Die Aus- und Weiterbildung darf dabei nicht nur interkulturelle Kompetenz vermitteln, sondern muss auch konkret rassismuskritisch konzipiert sein.
Als Beispiel sei hier wieder das britische Modell genannt. In diesem hat sich die Aus- und Weiterbildung von Polizeibeamt*innen durch externe und unabhängige Trainer*innen bewährt und konnte in zahlreichen Fällen ein konkretes Problembewusstsein schaffen, einzelnen Beamt*innen alternative Handlungsoptionen aufzeigen und generell bei Erkennung und Entgegenwirkung rassistischen Verhaltens unterstützen.
Weiterhin sind im Kontext Geflüchteter auch kontinuierliche Schulungen zu De-Eskalation im Umgang mit Personen mit möglichen negativen Vorerfahrungen mit uniformierten Personen sowie psychischen Erkrankungen dringend notwendig.

5. Beteiligung weiterer Interessenvertretungen zu gewährleisten!

Bei richtungsweisenden Entscheidungen innerhalb der Polizeibehörden sind zukünftig repräsentative Interessenvertretungen, darüber hinaus Gewerkschaften sowie zivilgesellschaftliche Akteure, wie MSOs, zu beteiligen. Hierzu zählen bspw. Personalentscheidungen besonders gehobener Führungspositionen oder maßgebliche Budgetentscheidungen.
Zur Berücksichtigung der Perspektiven und Erfahrungen von Polizeibeamt*innen ethnischer Minderheiten, die selbst von Rassismus betroffen sein könnten, ist die Einrichtung repräsentativer Interessenvertretungen in Erwägung zu ziehen. Hierbei ist zu prüfen, inwieweit bspw. die britische National Black Police Association (NBPA) als Vorbild einer solchen Interessenvertretung dienen kann.

1 The European Code of Police Ethics, Council of Europe, 19.09.2001, Rec(2001)10, Nr. 61. Kommentar.

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