Mit ihrer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Landtagsabgeordneten Filiz Polat zur Abschiebung von Teilen der kurdischen Familie Naso am 1. Februar 2011 stellt sich die Landesregierung in alter Tradition ganz auf die Seite der Ausländerbehörde: Weder die überfallartige Abschiebung im Morgengrauen noch die Familientrennung, noch die Durchführung einer Abschiebung trotz des bestehenden Abschiebungsstopps für gut integrierte Jugendliche stellen nach Auffassung des MI ein Problem dar. Das MI kann auch kein datenschutzrechtliches Problem darin erkennen, dass die Schule ohne Rücksprache mit der Familie detaillierte Bewertungen an die Ausländerbehörde schickt, und beteuert, dass die Integrationsbeauftragte das alles ganz genau so sehe.
Perfide der Vorwurf, die Familie habe ihren Lebensunterhalt durch den Bezug von Sozialhilfeleistungen bestritten: Zum Zeitpunkt der Einreise der Familie bestand für Asyl suchende Flüchtlinge ein absolutes, unbefristetes Arbeitsverbot. Mit immer neuer Begründung hat die Ausländerbehörde der Familie in der Vergangenheit eine Arbeitserlaubnis verweigert. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass der Familienvater aus eigenem Antrieb deutsch gelernt und jahrelang im Rahmen sog. „gemeinnütziger Arbeit“ seinen Beitrag zur Integration geleistet hat.
Auch die Unterstützung der Abschiebung trotz des bestehenden Abschiebungsstopps unter Rekurs auf die Leistungen des 15-jährigen Anuar ist empörend. Der niedersächsische Innenminister erntete bereits in der Vergangenheit viel Kritik dafür, dass er das Bleiberecht von Familien von den Zensuren und Kopfnoten pubertierender Jugendlicher abhängig machen wollte. Jetzt versteigt sich das MI gar zu der These, die Betroffenen müssten eine „besondere Integrationsleistung“ erbringen, um ein Bleiberecht zu erhalten. Selbst ein problemloser Schulbesuch soll für ein Bleiberecht nicht mehr ausreichen.
Kein Wort verliert der Innenminister über die Tatsache, dass der Familienvater 13 Tage lang und der 15-jährige Sohn seit mittlerweile 17 Tagen in Incommunikadohaft festgehalten und vom Geheimdienst verhört wurde und wird. Die Betroffenen sind im Folterstaat Syrien während dieser Haftdauer dem unmittelbaren Risiko einer menschenrechtswidrigen Behandlung ausgesetzt. Welchem anderen Zweck dient die lange Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt? Welche Konsequenz hat die achselzuckende Aussage des Innenministeriums, Syrien sei nun einmal kein Rechtsstaat? Wann endlich wird die niedersächsische Landesregierung ihrer Verantwortung gerecht werden und Kontakt mit der deutschen Botschaft aufnehmen, um auf diplomatischen Kanälen auf eine sofortige Haftentlassung zu dringen? Der Kotau vor den syrischen Machthabern und die fortgesetzte, gedeihliche Zusammenarbeit deutscher Polizei mit den Verfolgungsbehörden der syrischen Diktatur bei der Abschiebung von Flüchtlingen ist aus menschenrechtlicher Sicht erbärmlich und unverzeihlich.
gez. Kai Weber
Nachtrag:
Die niedersächsische Landesregierung interessiert sich durchaus für Syrien, freilich in erster Linie als Handelspartner und Absatzmarkt, siehe die Presseerklärung des Wirtschaftsministeriumsvom 18.02.2011: 042 Syrien Delegationsreise. Da wären kritische Interventionen wegen wochenlanger Inhaftierung abgeschobener Flüchtlinge natürlich unpassend.
hier werden die Interessen Niedersachsens an Syrien deutlich. Da wären kritische Ansichten zu Abschiebungen und Inhaftierungen natürlich unpassend.
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