Straßburger Urteil zum Dublin-System

Lager in Griechenland

von Marei Pelzer, PRO ASYL

Das Straßburger Urteil zu den Dublin-Überstellungen nach Griechenland hat zahlreiche Reaktionen hervorgerufen. Am 21. Januar 2011 hatte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) Griechenland und Belgien wegen der Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verurteilt. Entschieden wurde der Fall eines afghanischen Asylsuchenden, der 2009 über Iran, die Türkei und Griechenland nach Belgien geflohen war, wo er Asyl beantragte. Allerdings stellten die Belgischen Behörden fest, sie seien gar nicht zuständig, sondern Griechenland, da er dort in die EU eingereist sei. Es folgte die Abschiebung. In Griechenland kam er in eine überfüllte Zelle, später lebte er auf der Straße. Er gab weiter an, von der Polizei geschlagen worden zu sein.

Der EGMR sah hierin eine unmenschliche Behandlung und verurteilte sowohl Griechenland also auch Belgien wegen der Verletzung von Artikel 3 EMRK. Belgien seien die Verhältnisse in Griechenland bekannt gewesen. Die Belgischen Behörden hätten den Asylsuchenden nicht nach Griechenland abschieben dürfen. Deutlich hat das Gericht auch den mangelhaften Rechtsschutz in Belgien als Verletzung von Artikel 13 EMRK kritisiert. Das Eilverfahren in Belgien sah lediglich ein Schnellverfahren vor, das eine umfassende Prüfung möglicher Menschenrechtsverletzungen nicht zulässt. Diese Kritik der Straßburger Richter hat auch für die deutsche Rechtslage weitgehende Folgen. Denn der Rechtsschutz gegen drohende Dublin-Überstellungen ist in Deutschland noch schwächer als in Belgien ausgestaltet. Das Gesetz verbietet jeglichen Eilrechtsschutz (§ 34a AsylVfG), nur über eine verfassungskonforme Auslegung dieser Norm wurde Asylsuchenden überhaupt Eilrechtsschutz gewährt. Das Gesetz muss nun nach dem Urteil des EGMR dringend angepasst werden.

Bezogen auf die Situation in Griechenland hat der EGMR deutlich gemacht, dass Abschiebungen dorthin menschenrechtswidrig sind. PRO ASYL fordert, dass die Abschiebungen nach Griechenland EU-weit gestoppt werden.

Die deutsche Bundesregierung hatte wenige Tage vor dem Urteil des EGMR mitgeteilt, dass sie für die Dauer von einem Jahr keine Abschiebungen nach Griechenland mehr vornehmen und stattdessen das Asylverfahren selbst durchführen wird. Im Vorgriff auf das Straßburger Urteil hatten bereits Belgien, Großbritannien, Schweden, die Niederlande, Island und Norwegen die Überstellungen von Asylsuchenden nach Griechenland gestoppt. Finnland kündigte in Reaktion auf das Urteil an, keine Asylsuchenden mehr nach Griechenland zurückzuschicken.

Uneinsichtig zeigte sich die Innenministerin Österreichs, Maria Fekter. Es bestehe kein Änderungsbedarf zur derzeitigen Praxis. Sie werde an den Einzelfallprüfungen festhalten. Damit erteilte sie einem generellen Abschiebungsstopp nach Griechenland eine Absage.

Dagegen machte der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak deutlich, dass das Urteil auch Auswirkungen auf Österreich habe. Formell gelte das Urteil für Belgien und Griechenland. De facto sage der Gerichtshof aber, dass die Lebens- und Haftbedingungen in Griechenland menschenunwürdig seien und es keine Asylverfahren gebe – das gelte für alle EU-Staaten.

Die EU Kommissarin Malmström rief in Hinblick auf die laufenden Verhandlungen über eine Reform der Dublin II-Verordnung die Mitgliedstaaten auf, sich an der Entwicklung eines Kompromisses zu beteiligen. Es sei ein Notfall-Mechanismus notwendig, mit dem Überstellungen in besonderen Druck-Situationen ausgesetzt werden können. Dies würde zu einem größeren Vertrauen unter den Dublin-Staaten führen.

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