Abschiebung trotz bevorstehenden Bleiberechts?
Integrierte Flüchtlingsfamilie aus Peine soll in das Kosovo abgeschoben werden
Landkreis Peine verheimlicht der UNMIK wichtige Krankenakten
Nds. Innenministerium lehnt Vorgriffserlass auf Bleiberechtsregelung ab
Gäbe es einen Preis für die ruppigste Ausländerbehörde in Niedersachsen, so hätte ihn in diesem Jahr sicherlich der Landkreis Peine verdient: Am 17.11. soll die Familie Berisha aus Lengede in das Kosovo abgeschoben werden, obwohl die Innenminister von Bund und Ländern auf Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen während ihrer Konferenz am 8. und 9. Dezember über ein Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge beraten werden, von dem die Familie Berisha mit großer Wahrscheinlichkeit profitieren würde. Dem Vorschlag von Nordrhein-Westfalen auf Gewährung eines bundesweiten Bleiberechts für langjährig geduldete Flüchtlinge werden durchaus Chancen eingeräumt, weil sich mit NRW erstmals ein konservativ regiertes Bundesland für eine solche Forderung ausgesprochen hat. Dennoch weigert sich die Ausländerbehörde, die Abschiebung der Bürgerkriegsfamilie, die seit Jahren geduldet wird, auszusetzen oder auch nur um drei Wochen zu verschieben und die Entscheidung der Innenministerkonferenz abzuwarten. Diese unmenschliche Praxis wird vom niedersächsischen Innenministerium unterstützt. Das Land will den Landkreis nicht zur Duldung der Familie Berisha anweisen und lehnt ein allgemeines Bleiberecht für Altfälle weiterhin gnadenlos ab.
Dabei würde eine weitere Duldung der Familie Berisha den Landkreis nicht einmal etwas kosten: Familienvater Hasan Berisha arbeitet seit viereinhalb Jahren in Vollzeit als KFZ-Mechaniker und finanziert damit den Lebensunterhalt für sich und seine Familie. Er spricht ebenso wie seine Frau Besa Berisha gut deutsch, die gemeinsamen Kinder gehen zur Schule und in den örtlichen Fußballverein, keiner hat sich je etwas zuschulden kommen lassen. Dennoch soll die mustergültig integrierte Familie nach über sechsjährigem Aufenthalt jetzt ganz aus Deutschland vertrieben werden. Mit Schreiben vom 27.10. hat die Ausländerbehörde Herrn und Frau Berisha schon mal ein Arbeitsverbot erteilt und der Familie mit Schreiben vom 31.10. eine Inhaftierung für den Fall angedroht, dass sie sich in der Nacht auf den 17.11. nicht für die Abschiebung bereit hält.
Die Begründung des Landkreises, sie sei rechtlich verpflichtet, durch sofortige Abschiebung vollendete Tatsachen zu schaffen, ist unhaltbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des § 58 Abs. 1 AufenthG. Die Abschiebung der Familie Berisha zum jetzigen Zeitpunkt wäre nämlich offenkundig unverhältnismäßig. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet und leitet sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ab (Art. 20 Abs. 3 GG). Alle Maßnahmen der Exekutive sind immanent durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beschränkt. Sofern eine zwangsweise Rückführung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht verhältnismäßig ist, hat eine Abschiebung zu unterbleiben.
Diese besonderen Umstände leiten sich nicht nur aus der Dauer des geduldeten Aufenthaltes ab, sondern auch aus der besonderen Lebenslage der Familie, die der Landkreis Peine bei der Anmeldung der Familie zur Abschiebung nicht nur nicht berücksichtigt, sondern bewusst unterschlagen hat: Entgegen den in dieser Hinsicht eindeutigen Auflagen der UNMIK hat der Landkreis Peine die ihm vorliegenden ärztlichen Befunde über die durch den Krieg verursachte Traumatisierung von Frau Berisha nicht an die UNMIK weitergegeben und die Familie als „gesund“ gemeldet. Auch die Zerstörung der Wohnung und der Autowerkstatt der Familie Berisha im Kosovo durch nationalistische Albaner blieben unerwähnt. Vor ihrer Flucht wurden die der ethnischen Minderheit der „Ashkali“ angehördenen Berishas von den Albanern als angebliche Kollaborateure verfolgt. Rechtsanwalt Hermann Weische aus Köln, der die Familie vertritt, hat deshalb jetzt einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht gestellt und auch die UNMIK gebeten, die beabsichtigte Abschiebung zu untersagen. Eine Entscheidung steht noch aus.
Nach der inhumanen Abschiebung der vietnamesischen Flüchtlingsfamilie Van aus dem Kirchenasyl im Dezember 2004 und den rechtswidrigen Arbeitsverboten gegen geduldete Flüchtlinge im Frühjahr 2005 macht der Landkreis Peine nun zum dritten Mal binnen Jahresfrist Schlagzeilen mit seiner überaus ruppigen Flüchtlingspolitik. Der Landrat des Landkreises Peine ist gefordert, endlich auch im Bereich des Peiner Ordnungsamts eine Amtsführung zu gewährleisten, die an den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und der Verhältnismäßigkeit des behördlichen Handelns ausgerichtet ist.
gez. Kai Weber
Niedersächsischer Flüchtlingsrat
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