Geflüchtete durch Corona-Pandemie besonders gefährdet und benachteiligt
Versorgung von Geflüchteten mit Behinderung muss erheblich verbessert werden
Am 4. und 5. November lud der Flüchtlingsrat Niedersachsen im Rahmen seiner Tätigkeiten in den durch ESF und BMAS geförderten niedersächsischen IvAF-Arbeitsmarktprojekten zu einer bundesweiten Fachtagung unter dem Titel „Auswirkungen der Pandemie auf die Lebenswirklichkeit Schutzsuchender“ in die Akademie Waldschlösschen bei Göttingen ein.
Auf Grundlage von Beiträgen der Referent:innen Prof. Dr. med. Kayvan Bozorgmehr (Universität Bielefeld), Ildikó Pallmann (Minor – Projektkontor für Bildung und Forschung gGmbH) und Maryam Mohammadi (Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.) diskutierten die Teilnehmer:innen aus 19 IvAF-Projekten die besonderen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Geflüchtete.
Es wurde deutlich, dass die Benachteiligungen, denen Geflüchtete ohnehin unterliegen, in Zeiten der Pandemie noch einmal erheblich verschärft wurden. Vorliegende Studien belegen eindeutig: Die Gefahr zu erkranken ist durch die Unterbringung in Sammelunterkünften und durch die spezifischen Beschäftigungsverhältnisse, in denen sich Geflüchtete oftmals wiederfinden, signifkant erhöht. Aber auch der Wegfall von Angeboten führte dazu, dass auch von Seiten des JobCenter immer wieder Einschätzungen fielen, dass Betroffene „von Null anfangen“ müssten. Als Konsequenz daraus ergeben sich einige wesentliche Forderungen:
- Unterbringung in privaten Wohnungen frühzeitig ermöglichen, perspektivisch Abschaffung von Sammelunterkünften
- Zugang zu Sprachkursen für Frauen erleichtern, unabhängig vom Aufenthaltstitel
- Internetzugänge flächendeckend bereitstellen, Optionen des Erwerbs von digitalen Endgeräten schaffen
Da mit dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG) viele dieser Zugänge blockiert werden, waren sich alle Beteiligten auch aus diesem Grund in der Forderung nach der Abschaffung des AsylblG einig. Hilfsweise wurde die Einbeziehung von digitalen Endgeräten in die Regelsätze des AsylbLG gefordert.
Deutlich wurde auch, dass geflüchtete Frauen noch einmal stärker benachteiligt sind, was aus Sicht der Tagungsteilnehmer:innen erheblicher Verbesserungen in Bezug auf Zugangsmöglichkeiten zu Sprachkursen und anderen Maßnahmen erfordert, dazu gehört v.a. der Ausbau und die Sicherstellung von Kinderbetreuungsangeboten während der Kurse insbesondere im ländlichen Raum.
Am zweiten Tag wurde nach Beiträgen von Manuel von Gilsa (Diakonie Michaelshoven) und Dr. Barbara Weiser (Caritasverband Osnabrück) die Versorgungssituation von geflüchteten Menschen mit Behinderung diskutiert. Auch hier wurde erkennbar, dass Geflüchtete einer starken Benachteiligung unterliegen und in der Versorgungsstruktur erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Nicht zuletzt die teilweise Ausgliederung aus dem Sozialrecht erschwert die angemessene Versorgung. So wurden auf der Tagung folgende Handlungsbedarfe festgestellt:
- Frühzeitige Identifizierung und Erfassung von Behinderungen: möglichst direkt nach der Ankunft sollte eine sozialarbeiterische Begleitung ermöglicht werden, die besondere Bedarfe in den Blick nimmt
- frühzeitiger und uneingeschränkter Zugang zu Leistungen für Menschen mit Behinderung wie Eingliederungshilfe oder zu Leistungen nach Landesgesetzen (z.B. Landesblindengeldgesetz)
- Vollständige Eingliederung in das System des SGB und die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes
- Bedarfsgerechtere Sprachkurse und Lernangebote
- Bereitstellung von muttersprachlicher Information zum Thema „Unterstützung bei Behinderung“
- Abbau von Ängsten, Tabus und Stigmatisierung auf beiden Seiten des Beratungssettings
Sowohl Erfahrungen von Geflüchteten Menschen mit Behinderung, als auch die Betrachtung der negativen Folgen die Pandemie machten deutlich, dass eine restriktive Handhabung bei der Erteilung von Arbeits- und Aufenthaltserlaubnissen kontraproduktiv ist. Vielmehr sollte der Zugang zum Arbeitsmarkt frühzeitig uneingeschränkt allen Geflüchteten unabhängig vom Aufenthaltsstatus ermöglicht werden.
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