Drei Wochen nach dem tödlichen Polizeieinsatz in Harsefeld, bei dem Kamal Ibrahim in seiner Unterkunft starb, fand vor dem Kreishaus Stade eine Kundgebung statt. Organisiert von Lampedusa Hamburg und den Mitbewohnern von Kamal versammelten sich rund 100 Menschen, um an Kamal zu erinnern und Forderungen an Politik, Polizei und Gesellschaft zu stellen.
Zentral bleibt die Forderung nach vollständiger Aufklärung des Polizeieinsatzes. Zugleich mahnten Redner:innen, dass sich solche tödlichen Polizeieinsätze – der Tod von Kamal Ibrahim ist kein Einzelfall – nicht wiederholen dürften. Nötig sei gerade bei Menschen mit psychischen Erkrankungen ein anderes Vorgehen der Polizei. Darüber hinaus beklagten die Anwesenden, dass weder die Gemeinde Harsefeld noch der Landkreis Stade reagiert hätten, obwohl Mitbewohner schon Wochen zuvor darüber informiert hätten, dass Kamal Hilfe benötige.
In #Stade demonstrieren gerade mehr als 100 Menschen, weil Anfang Oktober Kamal Ibrahim in Geflüchtetenunterkunft in #Harsefeld erschossen wurde, nachdem er Polizist*innen angegriffen haben soll. „Police Stade stop killing us“ steht z.B. auf einem Poster. pic.twitter.com/Y9EBtKbbqX
— Michael Trammer (@mic_tra) October 23, 2021
Offene Fragen
Wir vom Flüchtlingsrat haben uns am Freitag und Samstag mit Mitbewohnern und Freunden von Kamal Ibrahim getroffen und eingehend über die Ereignisse und das weitere Vorgehen ausgetauscht. Insbesondere zwei Fragenkomplexe müssen aufgeklärt werden:
Die Mitbewohner von Kamal Ibrahim informierten die Gemeinde Harsefeld bereits mehrere Wochen zuvor über den sich verschlechternden psychischen Zustand von Kamal. Offenbar erfuhr Kamal anschließend aber weder von Seiten der Gemeinde noch vom Landkreis jene Unterstützung, die dringend notwendig gewesen wäre. Wie ist es also um die psychosoziale Unterstützung im Landkreis bestellt? Warum gibt es am Wochenende keinen psychosozialen Notdienst, der hinzugezogen werden kann? Wie soll künftig gewährleistet werden, dass Menschen, die Hilfe benötigen, diese auch rechtzeitig erhalten?
Offene Fragen bleiben auch zu den Polizeieinsätzen. Bei den ersten beiden Einsätzen am 3. Oktober verschaffte sich die Polizei einen Überblick über die Lage und sprach mit den Mitbewohnern und Kamal Ibrahim. Am Ende des zweiten Einsatzes nahmen sie Kamal Ibrahim mit und kündigten an, ihn über Nacht aufzunehmen. Hier stellt sich die Frage, warum Kamal am Abend dennoch wieder von der Polizei entlassen und nicht etwa in eine psychiatrische Klinik gebracht wurde. Der dritte Polizeieinsatz – diesmal durch andere Polizist:innen – endete dann tödlich. Warum zog die Polizei keine psychologische Unterstützung hinzu? Warum gab die Polizei vier Schüsse auf Kamal Ibrahim ab? Gab es keine andere Möglichkeit ihn zu stoppen?
Die Organisator:innen der Kundgebung haben angekündigt, alle zwei Wochen in Stade in Gedenken an Kamal Ibrahim eine Versammlung durchzuführen sowie am kommenden Sonnabend, 30.10., ab 15.00 Uhr auf dem Rathausplatz in Hamburg eine Kundgebung abzuhalten.
Hintergrund
Tod von Kamal I. nach Polizeieinsatz – viele Fragen offen, Meldung vom 11. Oktober 2021
Tödlicher Polizeieinsatz: Geflüchteter in Harsefeld erschossen, Meldung vom 5. Oktober 2021
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