Die Forderung nach einer großzügigen Bleiberechtsregelung für Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben und längst Teil der Gesellschaft geworden sind, finden immer größere Unterstützung. Auch die vom Niedersächsischen Landtag gegründete Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe hat sich nun eindeutig positioniert und fordert ein weitreichendes Bleiberecht.
Am 9. März 2021 hat die Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe ohne Gegenstimmen ein Forderungspapier an die Landesregierung verabschiedet, das die Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände (LAG FW), der Flüchtlingsrat Niedersachsen und kargah e.V. (Verein für interkulturelle Kommunikation, Flüchtlings- und Migrationsarbeit)) gemeinsam eingebracht haben.
Die Forderungen der Landtagskommission
- ein stichtagsunabhängiges Aufenthaltsrecht für alle Menschen, die seit fünf Jahren in Niedersachsen leben
- eine Liberalisierung der bestehenden Bleiberechtsregelungen
- eine systematische Beratung und Unterstützung aller potenziell anspruchsberechtigten Geflüchteten durch die Behörden unter Beteiligung der NGOs nach dem Beispiel des WIB-Projekts.
Unter anderem fordert die Kommission ein Absenken der Anforderungen an Einkommen, Sprachkenntnisse und Identitätsnachweise sowie eine Heraufsetzung der Altersgrenze für ein Bleiberecht von Jugendlichen und Heranwachsenden von 21 auf 27 Jahre. Statt einer „Duldung“ sollten Auszubildende und Beschäftigte eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Darüber hinaus sollten alle bestehenden Regelungen entfristet und von restriktiven Erteilungsbedingungen befreit werden. Unter indirekter Bezugnahme auf den Fall der Farah Hareb (Demir), die seit 34 Jahren in Deutschland lebt und als Corona-Krankenschwester arbeitet, aber noch immer keine Aufenthaltserlaubnis erhalten konnte, fordert die Landtagskommission, dass langjährig hier lebende Menschen, die bereits in Deutschland geboren bzw. aufgewachsen und hier sozialisiert sind, ein bedingungsloses humanitäres Bleiberecht wegen faktischer Verwurzelung in Deutschland erhalten müssen.
Zur Untermauerung ihrer Forderungen verweisen die Verbände unter Bezugnahme auf die vom niedersächsischen Innenministerium präsentierten Zahlen auf die desaströse Umsetzung der bisherigen Bleiberechtsregelungen:
- Rund zwei Drittel der Geduldeten (10.194 Menschen) lebt seit über vier Jahren in Deutschland.
- 3.519 Menschen (17%) leben seit mehr als 6 Jahren mit einer Duldung in Deutschland, 2.245 Menschen (über 10%!) lebt mit einer Duldung seit mehr als 8 Jahren in Deutschland. Aber nur 668 Menschen haben bislang ein Bleiberecht nach §25b AufenthG erreichen können.
- 1.014 in Deutschland sozialisierte Kinder und Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren leben seit 4-8 Jahren in Deutschland, ohne über ein Bleiberecht zu verfügen. Dagegen haben lediglich 946 Kinder und Jugendlichen bislang eine AE nach §25a Abs. 1 AufenthG erhalten.
- 282 in Deutschland geborene Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 20 Jahren haben bislang kein Bleiberecht erhalten und verfügen nur über eine Duldung. Ihnen droht weiterhin die Abschiebung, obwohl sie in Deutschland sozialisiert und aufgewachsen sind und das Herkunftsland ihrer Eltern aus eigener Anschauung meist nicht kennen.
- 132 Menschen leben seit über 30 Jahren (!) mit einer „Duldung“, d.h. ohne ein Aufenthaltsrecht, in Niedersachsen
Die beteiligten Organisationen erwarten nun, dass sich sowohl die niedersächsische Landesregierung als auch die Landtagsfraktionen dieses wichtigen Themas annehmen und sich für eine weitreichende und liberale Bleiberechtsregelung einsetzen.
Anlagen
- Entschließung der Kommission zu Fragen der Migration und Teilhabe, Bleiberecht für langjährig hier lebende Menschen, 9. März 2021
- Flüchtlingsrat Niedersachsen/LAG FW/kargah, Begründung des Antrags, 16. Februar 2021
- Nds. Innenministerium, Schriftliche Unterrichtung durch die Landesregierung, 1. Februar 2021
einen solchen Antrag brauchten wir in Hessen auch! Aber hier schweigen die Grünen!