Kein Ort für Kinder. Zur Lebenssituation von minderjährigen Geflüchteten in Aufnahmeeinrichtungen

 

Im Juli hat terre des hommes die Studie “Kein Ort für Kinder” zum asylrechtlichen Aufnahmesystem und dessen Auswirkungen auf die Rechte von Kindern veröffentlicht. Die Studie nimmt die politischen und rechtlichen Entwicklungen seit 2015 kritisch in den Blick und zeichnet ausgehend von Einrichtungsbesuchen in Brandenburg, Baden-Württemberg und Sachsen nach, wie die Rechte von Kindern und Jugendlichen systematisch verletzt werden.

Dargestellt und anhand der Länderberichte konkretisiert werden das Recht auf Kita und Schule, auf Jugendhilfe, auf ein Leben frei von Gewalt  und auf Privatsphäre. Die Autor*innen kommen zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Konzeption des Aufnahmesystems nicht ohne die Rechteverletzung funktioniert, weshalb Verbesserungen innerhalb der Einrichtungen zwar wichtig sind, die Probleme jedoch nicht lösen. Ohne eine erhebliche Verkürzung der Aufenthaltsdauer sei eine Wahrung der Rechte der Kinder und Jugendlichen nicht möglich. Besonders relevant für die Praxis ist  dass in der Studie dargestellt wird, warum Familien in vielen Fällen ein Anspruch darauf haben, aus den Einrichtungen heraus verteilt und kommunal zugewiesen zu werden.

Die Studie macht deutlich: Aufnahmeeinrichtungen sind Orte von Rechtsverletzungen an Kindern und Jugendlichen, schaden dem Kindeswohl und hindern an der gesellschaftlicher Teilhabe.

( Text von www.b-umf.de)

Aus dem Vorwort:

„Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien nach Deutschland geflüchtet sind, erleben ihre Ankunftszeit als permanenten Lockdown – ob mit oder ohne Corona-Pandemie. Für bis zu sechs Monate, teilweise auch länger, leben sie in Aufnahmeeinrichtungen, die in einigen Ländern als AnkER-Einrichtungen bezeichnet werden. Das Konzept für AnkER-Einrichtungen wurde mit dem Ziel entworfen, die notwendigen Verwaltungsverfahren bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen an zentralen Orten zu bündeln, die kommunale Verteilung erst nach Feststellung des Schutzstatus zu erlauben und schnellere Abschiebungen zu ermöglichen.

[…] Die bisherige Fokussierung der öffentlichen Debatte und Kritik an der Gestaltung der AnkER-Einrichtungen in Bayern soll erweitert werden. Denn: Die Idee der Zentralisierung und der Verlängerung des Aufenthalts in Aufnahmeeinrichtungen, um Verwaltungsprozesse zu erleichtern und Abschiebungen aus Einrichtungen abseits der öffentlichen Beobachtung durchführen zu können, hat sich in vielen Bundesländern durchgesetzt. Auch wenn die entsprechenden Einrichtungen nicht offiziell als AnkER-Einrichtungen bezeichnet werden.

Die Ergebnisse der Recherche sind eindeutig: Aufnahmeeinrichtungen sind keine Orte für Kinder. Der Aufenthalt für Kinder und ihre Familien sollte dementsprechend dort möglichst kurz sein. Während der Zeit in den Aufnahmeeinrichtungen sind die betroffenen Kinder und Jugendlichen vielen Einschränkungen und Begrenzungen ausgesetzt. Sie haben keinen Zugang zur Regelschule, regulären Kitaangeboten, keine Privatsphäre und kaum Unterstützung durch die Jugendhilfe. Gleichzeitig erleben sie Gewalt und Abschiebungen in ihrem direkten Wohnumfeld.

Aufenthaltszeiten von bis zu sechs Monaten an solchen Orten stehen in Widerspruch zu ihren in der UN-Kinderrechtskonvention verankerten Rechten. Zudem verhindern sie eine schnelle Integration der zahlreichen Kinder und Jugendlichen, die über längere Zeit oder dauerhaft in Deutschland bleiben.In den letzten fünf Jahren sind durch den Gesetzgeber eine Vielzahl von asyl- und aufenthaltsrechtlichen Regelungen verschärft worden. Dies betrifft auch die Lebenssituation in Aufnahmeeinrichtungen. Trotz der umfangreichen Änderungen, die nachhaltig das Leben von Tausenden von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in Deutschland beeinflussen und beschränken, wurden die Folgen für sie weitgehend unberücksichtigt gelassen und sind bis heute nicht untersucht. Diese Studie leistet an dieser Stelle einen wichtigen Beitrag und nimmt die Einschränkungen der Rechte geflüchteter Kinder und Jugendlicher, die in Aufnahmeeinrichtungen leben müssen, in den Blick und fragt nach ihren Folgen.“

Zur Studie

 

 

Weitere Hinweise:

Studie vom Baff e.V.:  „Living in a box. Psychosoziale Folgen des Lebens in Sammelunterkünften für geflüchtete Kinder

 

Weitere Informationen und Materialien

 

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