Flüchtlings- und Anti-Rassismus-Organisationen fordern gemeinsam anlässlich der Innenministerkonferenz ein Ende rassistisch motivierter Polizeigewalt und ein Bleiberecht für Überlebende rassistischer Gewalt.
In einer gemeinsamen Presseerklärung zur Frühjahrsinnenministerkonferenz vom 17. – 19. Juni 2020 in Erfurt fordern Jugendliche ohne Grenzen, Flüchtlingsrat Thüringen, PRO ASYL, der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.) und die Amadeu Antonio Stiftung die Innenminister*innen und –senatoren auf, den längst überfälligen Paradigmenwechsel in der Bekämpfung von Rassismus zu vollziehen. Das Bündnis der Initiativen und Verbände fordert effektive Maßnahmen gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt, ein humanitäres Bleiberecht für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und eine Kehrtwende in der Flüchtlings- und Migrationspolitik.
Rassismus und Polizeigewalt werden auch als Gefahren für die Demokratie nicht ernst genommen. Deswegen sind im Moment in vielen Städten Deutschlands Menschen auf der Straße, die den Innenminister*innen den Spiegel ihrer Untätigkeit seit der Aufdeckung des NSU vorhalten. „Die Weigerung, rassistisch motivierte Gewalt und institutionellen Rassismus in der Polizei und anderen Behörden als Problem zu erkennen und effektive Gegenmaßnahmen einzuleiten, bietet den Raum für Täter*innen und lässt die Betroffenen alleine“, sagt Martin Arnold vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V.
Die Verbände und Initiativen fordern eine Politik, die die Interessen und Perspektiven der Opfer von Rassismus, Antisemitismus und rechter Gewalt in den Vordergrund stellt und strukturellen Rassismus bekämpft. „Die Tagesordnung der Innenministerkonferenz muss geändert werden: Statt während einer Pandemie Abschiebungen forcieren zu wollen, sollte die IMK endlich eine einheitliche humanitäre Bleiberechtsregelung für Betroffene rassistischer Gewalt beschließen“, sagt Günter Burkhardt von PRO ASYL. „Es braucht ein deutliches Zeichen, dass der Staat gewillt ist, die Opfer zu schützen und Rassismus entgegenzutreten.“
Zahlreiche Asyl- und Aufenthaltsrechtsverschärfungen der letzten Jahre und die Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migrant*innen durch viele Innenminister*innen und Politiker*innen haben rassistischer Hetze Vorschub geleistet.
„Menschenrechtsverletzende Gesetze und rassistische Kampagnen etwa gegen Shisha-Bars tragen mit dazu bei, dass Geflüchtete und Migrant*innen zur Zielscheibe werden“, erklärt Newroz Duman von Jugendliche ohne Grenzen. Jugendliche ohne Grenzen
fordert eine Kehrtwende in der Flüchtlings- und Migrationspolitik, „mit der man den strukturellen Rassismus in der Gesellschaft als „den Vater aller Probleme“ an der Wurzel anpackt. Das Problem heißt Rassismus und nicht Migration.“
„Immer wieder werden Menschen, die im Status der Duldung sind, aus rassistischen Motiven angegriffen. Sie sind doppelt bedroht: Durch Abschiebungen und durch rassistische Gewalt. Der Staat darf sich nicht zum Handlanger rassistischer Gewalttäter machen, indem mit Abschiebungen die Forderungen der Täter nach „Ausländer Raus“ vollzogen werden“, sagt Franz Zobel für die Thüringer Opferberatung ezra und VBRG e.V. Hinzu kämen Restriktionen bei der Wahl des Aufenthaltsorts und menschenunwürdige Massenunterbringungen, die die Folgen der rassistischen Angriffe für die Betroffenen noch verschärfen.
Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, erklärt: „Es braucht jetzt verbindliche Ziele und Gesetzesänderungen, damit wir als Gesellschaft unseren Rassismus verlernen können: Rassismusbeauftragte in allen Bundesländern, Landes-Antidiskriminierungsgesetze und verpflichtende Sensibilisierung von Beamt*innen in Ausbildung und Fortbildungen, gerade im Berufseinstieg. Die Innenminister*innen müssen Schluss machen mit ihrer Verweigerungshaltung und endlich auch rassistischen Praktiken und rechtsextremen Netzwerken in der Polizei den Kampf ansagen.“
Gemeinsam appellieren die Initiativen und Organisationen an die Innenminister*innen und –senatoren, ihrer Verantwortung nachzukommen, entschieden gegen Rassismus in Behörden vorzugehen und bundesweit einheitliche Regelungen für ein entsprechendes Bleiberecht für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt zu schaffen!
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