Sehr geehrter Herr Landrat Wegner!
Der Drucksache 18/1876 vom 20.11.2009 des Niedersächsischen Landtages ist zu entnehmen, dass u. a. der Landkreis Hildesheim „innerhalb der vergangenem vier Jahre“ ein Passersatzpapier gekauft hat, um einen Flüchtling in die Republik Guinea abschieben zu können.
Guinea wurde zu der Zeit von einer Militärjunta regiert, die von der Europäischen Union nicht anerkannt wurde. Erst am 15. Februar 2010 wurde ein neuer Premierminister ernannt und eine neue Übergangsregierung eingesetzt, die nun innerhalb von 6 Monaten demokratische Präsidentschaftswahlen organisieren soll. Für den Zeitraum, in dem das Passersatzpapier beschafft wurde, beschrieb das auswärtige Amt die Menschrechtslage u. a. wie folgt: „Menschenrechte sind weitgehend eingeschränkt, weil die Justiz schlecht ausgestattet, schlecht bezahlt und für Korruption anfällig ist. Menschenrechtsübergriffe staatlicher Stellen werden praktisch nicht verfolgt. Beschuldigte werden in Polizeistationen systematisch gefoltert, teilweise auch in den Gefängnissen … Knapp zwei Drittel der Gefangenen sind in Untersuchungshaft, viele davon, weil ihre Fälle jahrelang unbearbeitet bleiben“.
Eine Delegation von Beamten des Staates Guinea bereiste in den vergangenen Jahren Deutschland und besuchte diverse Ausländerbehörden. Dabei wurde angeboten, Abschiebpapiere bzw. Passersatzpapiere auszustellen. Dazu wurden der Delegation u. a. in den Räumen der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde Braunschweig ausländische Flüchtlinge vorgeführt, um diese als Staatsangehörige aus Guinea zu identifizieren bzw. diese einzubürgern.
Dazu urteilte u. a. das Verwaltungsgericht Lüneburg im Oktober 2008, die Vorführung bei der Delegation sei „nicht im Ansatz dazu geeignet, eine Staatsangehörigkeit festzustellen“. Die Zahlung solcher Summen an eine Delegation aus dem als besonders korrupt bekannten Guinea unterliege „erheblichen rechtsstaatlichen Zweifeln“.
Der DGB-Kreisvorstand hält eine solche Vorgehensweise im Umgang mit Flüchtlingen für nicht akzeptabel und es ist nicht das Vorgehen, das unseren Wertvorstellungen entspricht. Es kann nicht sein, dass in Kenntnis der Menschenrechtssituation in Guinea Personen in ein solches Land abgeschoben werden. Es entspricht auch nicht unseren Wertvorstellungen, einerseits eine Regierung – zu Recht – nicht anzuerkennen, anderseits aber mit Vertretern eben dieser Regierung „Geschäfte“ zu machen. Das ist nicht die Vorgehensweise, mit der wir unseren Rechtsstaat in Verbindung sehen wollen.
Wir fordern Sie auf, dafür zu sorgen, dass der Landkreis Hildesheim künftig keine Abschiebungen mehr in Länder veranlasst, von denen bekannt ist, dass Menschenrechte eingeschränkt sind und auch Folter zur gängigen Praxis staatlicher Stellen gehört. Ebenso müssen derart zweifelhafte Methoden zur Feststellung der Staatsangehörigkeiten wie oben beschrieben für den
Landkreis Hildesheim absolut tabu sein.
Mit freundlichen Grüßen
Regina Stolte
Kreisvorsitzende
Ergänzung: Der Landrat des Landkreises Hildesheim erklärte dazu, „die für Rückführungen erforderlichen Passersatzpapiere würden ‚bei Problemstaaten‘ zentral durch die jeweils zuständige Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde beschafft“. Möglichkeiten einer Einflussnahme beständen für den Landkreis nicht. Der DGB hat sich daraufhin in einem Offenen Brief auch an den Ministerpräsidenten Wulff gewendet.