Die Anforderungen an Gutachter, die im Rahmen von ausländerrechtlichen Verfahren psycho-reaktive Traumafolgen begutachten sollen, sind hoch. Dies gilt in besonderem Maße für sogenannte Parteigutachten, wenn die betroffenen Flüchtlinge oder deren Anwälte mit Hilfe von Gutachten Abschiebehindernisse begründen wollen (siehe Bundesverwaltungsgericht vom 11.11.2007, AZ 10 c8 07). Die Erfüllung der hier formulierten Anforderungen an Gutachten gestaltet sich schwierig, da qualitativ gute Gutachten aus den Mitteln des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht zu bezahlen sind und Bundesamt und Gerichte auch weiterhin viel zu selten bereit sind, selbst im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung Gutachten in Auftrag zu geben. Gutachten im Auftrag von Flüchtlingen, Flüchtlingsorganisationen und Anwälten stehen bisweilen unter dem Generalverdacht, parteiisch und nicht objektiv zu sein.
Ganz anders scheinbar die Situation, wenn Ausländerbehörden Gutachten in Auftrag geben.
Immer wieder fällt es auf, dass hier nicht die gleichen hohen Standards angelegt werden. Große fachliche Auseinandersetzungen hat es in Berlin gegeben und auch in NRW. Einzelne Ärzte werden seither nicht mehr zu Gutachten herangezogen, weil die Willkür ihrer Stellungnahmen zu offensichtlich wurde.
In Niedersachsen beschäftigen uns seit einiger Zeit vor allem die Gutachten von Prof. Dr. Vogel, von dem nicht viel bekannt ist, außer dass er 1986 im Alter von 51 Jahren als Chefarzt des Landeskrankenhauses Lüneburg vorzeitig entlassen wurde und inzwischen 74 Jahre alt ist.
Die Auffälligkeit seiner Gutachten war inzwischen bereits Gegenstand von parlamentarischen Debatten.
Wir haben 7 Gutachten von Herrn Prof. Dr. Vogel Herrn Dr. Gierlichs von der SBPM Standardgruppe zur Begutachtung psychotraumatisierter Menschen vorgelegt, der dazu jeweils im Einzelnen und in einer kurzen Zusammenfassung Stellung genommen hat.
Wir dokumentieren hier 3 dieser anonymisierten Stellungnahmen, sowie die Zusammenfassung.
In einem weiteren Fall hat das Landgericht Hannover (Az. 28 LT 43/09 44 XUV 82/09) in einer Abschiebungshaftsache mit folgenden Worten das auch in dieses Verfahren eingebrachte Vogelgutachten gewürdigt:
„Das Gericht folgt indes nicht den Ausführungen des nervenärztlichen Gutachtens von Prof. Dr. Vogel, der ohne eingehende Begründung das Vorliegen einer psychischen Störung ausschließt und sich im Übrigen in wertender Weise zu nicht medizinischen Fragen äußert.“
Ein Brief von Frau A. und das Gedächtnisprotokoll eines Freundes über den Ablauf eines Gutachtergesprächs dokumentieren die unsensible Vorgehensweise und die fragwürdigen Methoden des Dr. Vogel. Welche furchtbaren Folgen die fachlich ungenügenden Gefälligkeitsgutachten des Dr. Vogel haben können, wurde auch am Beispiel des 27-jährigen Armeniers Arkadin H. aus Bad Salzdetfurth deutlich: Als die Polizei kam, um den Flüchtling abzuschieben, beging dieser einen Suizidversuch, der nur um Haaresbreite verhindert werden konnte. Dr. Vogel hatte zuvor den Mann für uneingeschränkt reisefähig erklärt (Bericht siehe hier).
Anscheinend haben auch schon früher und in nichtausländerrechtlichen Verfahren Vogelgutachten der Qualitätsprüfung durch Fachgutachter nicht standgehalten.
Wir dokumentieren hier einen Ausschnitt von Prof. Dr. med. Konrad, Charite Campus, Berlin, sowie die methodenkritische Stellungnahme von Prof. Dr. Nedopil vom Klinikum der Universität München, beide nehmen Stellung zum selben Verfahren.
Ein kritischer Bericht über die Tätigkeit des Dr. Vogel erschien am 19. April bei report Mainz.
Um weiter gegen Gutachtenaufträge an Dr. Vogel vorgehen zu können und qualitative Standards auch für Parteigutachten der Behörden sicherzustellen, sind wir auf Unterstützung angewiesen. Wenn Sie Gutachten von Herrn Dr. Vogel kennen, freuen wir uns, wenn Sie uns diese anonymisiert oder mit entsprechender Schweigepflichtsentbindung zusenden.
Einige grundsätzliche Anmerkungen zur ärztlichen Ethik im Zusammenhang mit Traumagutachten und zur Auseinandersetzung zwischen Medizin und Recht sind dem Artikel von Dr. med. Waltraud Wirthgen aus dem Deutschen Ärzteblatt von Dezember 2009 zu entnehmen.