„Mit dem Bündnis <<Niedersachsen packt an>> setzt Niedersachsen bundesweit Maßstäbe. In einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz haben sich alle Akteure der Flüchtlingshilfe in Niedersachsen zusammengeschlossen, um bei der Integration der neu ins Land gekommenen Menschen an einem Strang zu ziehen.“(…) So heißt es in der Selbstbeschreibung des 2015 gemeinsam von evangelischer Kirche, katholischer Kirche, den Unternehmerverbänden Niedersachsen, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Landesregierung ins Leben gerufenen Bündnisses „Niedersachsen packt an„. Zu den zentralen Handlungsfeldern Sprache, Arbeit, Wohnen und Leben, Bürgerschaftliches Engagement, Gesellschaftliche Teilhabe sowie Fluchtursachenbekämpfung wurden damals regelmäßig tagende Arbeitsgruppen eingerichtet und Veranstaltungen und Integrationskonferenzen organisiert. So kamen Menschen, Verbände, Initiativen und Ministerien in Kontakt und Dialog, wie es sonst nicht vorstellbar war. Diese Zusammensetzung von unterschiedlichsten Sachkompetenzen erzeugte neue Synergien.
Wie stark Niedersachsen noch an- oder gar zupackt, darf nun mit Skepsis betrachtet und hinterfragt werden, hat die neue Landesregierung doch stillschweigend den „Runden Tisch Fluchtursachenbekämpfung“ abgewickelt, wie die taz vergangene Woche berichtete. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen, der Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen e.V., der Afrikanische Dachverband Norddeutschland e.V. und Brot für die Welt kritisieren dort dieses Vorgehen. Der Runde Tisch wurde unter der Leitung des damaligen stellvertretenden Ministerpräsidenten Stefan Wenzel im niedersächsischen Umweltministerium installiert und brachte Akteur:innen zum Gespräch zusammen. Doch nach dem Regierungswechsel Ende 2017 und unter neuer Hausleitung nahm der Runde Tisch im Umweltministerium seine Arbeit im neuen Jahr nicht wieder auf. Auch wenn klar ist, dass ein Bundesland in diesem Arbeitsfeld nur sehr eingeschränkte eigene Handlungsoptionen hat, so ist das Signal, das davon ausgeht, doch falsch.
Dabei machen andere Arbeitsgruppen des Bündnisses „Niedersachsen packt an“ vor, welcher Gewinn in kontinuierlicher Arbeit besteht. So tagt die „AG Wohnen und Leben„, bis 2017 federführend im Sozialministerium und nach dem Regierungswechsel Ende 2017 im Umweltministerium organisiert, seit 2015 kontinuierlich und vertieft den inhaltlichen Austausch der beteiligten Akteur:innen. Auch der Flüchtlingsrat Niedersachsen beteiligt sich an den Diskussionen intensiv. Themen sind etwa die Unterbringung und das Wohnen, die Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus, Gemeinwesenarbeit oder Fragen der Beschulung von geflüchteten Kindern und Jugendlichen. Mitte August 2018 veranstaltet die AG erneut eine hochrangige Follow-Up-Konferenz, die der großen Integrationskonferenz zum Thema Mitte 2016 folgt und die Frage stellt, was seither umgesetzt wurde in Niedersachsen. Daran beteiligen sich auch Ministerpräsident Weil und Landesumweltminister Lies. Daneben sind Vertreter:innen aus Wohlfahrtsverbänden, Immobilienwirtschaft, Gemeinwesenarbeit, Nichtregierungsorganisationen und Verwaltung vertreten.
Dass die Abwicklung des Runden Tisches Fluchtursachenbekämpfung nicht am lieben Geld liegen kann, hat die Landesregierung erst im April 2018 selbst bestätigt. Auf eine Landtagsanfrage teilte sie mit, dass für 2018 unverändert 1 Mio. EUR für das Bündnis „Niedersachsen packt an“ zur Verfügung stehe (sh. Landtags-Drucksache 18/730, S. 23 ff.).
Der Koalitionsvertrag der rot-schwarzen Landesregierung enthält einen Satz zum Bündnis: (…)“Das Bündnis „Niedersachsen packt an“, das jetzt schon die Vernetzung von haupt- und ehrenamtlicher Arbeit maßgeblich unterstützt, soll gemeinsam bewertet und weiterentwickelt werden.“(…) (sh. nds. Koalitionsvertrag 2017, S. 55). Was damit gemeint ist, erläutert die Landesregierung in der Antwort auf die o.g. Landtagsanfrage (S. 23 ff.). Die bisherigen Kern-Handlungsfelder sollen in der Arbeitsphase 2018 bis 2020 „fortgeführt und durch neue Fragestellungen konzeptionell ergänzt“ werden. Dazu zählt die Landesregierung etwa Themen wie „Perspektiven geflüchteter Frauen, Demokratieverständnis und gesellschaftliche Werte, Wissenstransfer für den (Wieder-)Aufbau in Herkunftsländern etc.“. Zweifelsohne sind das alles wichtige Fragen. Wie und wann genau das Bündnis neu aufgestellt wird, bleibt aber abzuwarten.
Parlamentarische Nachbearbeitung
Antwort der Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage „Runder Tisch Fluchtursachenbekämpfung – Sind Fluchtursachen für die Landesregierung überwunden?“ vom 23. August 2018, Landtags-Drucksache 18/1460, Seite 36 f.
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