Offener Brief an Innenminister Uwe Schünemann: Abschiebungsstopp für Roma!

Sehr geehrter Herr Innenminister,

die Ausländerbehörde des Landkreis Wolfenbüttel hat der Romafamilie B. für die nächste Woche die Abschiebung in den Kosovo angekündigt. Wir halten Abschiebungen von Roma in den Kosovo unter den gegebenen Umständen für unverantwortbar und fordern Sie auf, die Abschiebung der Familie B. zu stoppen und darüber hinaus einen generellen Abschiebungsstopp für Roma aus dem Kosovo zu erlassen.

Der EU-Menschrechtskommissar Thomas Hammarberg stellt in seinem jüngsten Bericht fest, dass im Kosovo ein Schutz von Minderheiten und eine unabhängige Justiz noch lange nicht existieren. Auch er fordert, keine Abschiebungen von Minderheiten in den Kosovo vorzunehmen. Berichte von Menschenrechtsorganisationen bestätigen die Einschätzung des EU-Kommissars. So hat die Menschenrechtsorganisation Chachipe e. V., die auf Einladung der Weltgesundheitsorganisation Ende Januar / Anfang März die Lage der Roma im Kosovo recherchiert hat, festgestellt, dass Roma dort nach wie vor unter miserablen Bedingungen leben. Viele von ihnen wohnen in Lagern wie z.B. jenem nördlich von Mitrovica, das stark durch Blei belastet ist. Die Roma können in den meisten Fällen nicht mehr in ihre ursprünglichen Siedlungen und Häuser zurückkehren, da diese entweder zerstört oder bereits durch andere Personen in Besitz genommen wurden. Die Betroffenen sitzen buchstäblich auf der Straße. Es kommt immer wieder zu rassistischen ßbergriffen. Die Arbeitslosigkeit unter den Roma liegt deutlich über 90%. Angesichts dieser Situation ist es RückkehrerInnen kaum möglich, ihre Existenz zu sichern.

Noch im Mai sah auch die niedersächsische Landesregierung sich der Einschätzung der UNMIK verpflichtet, die Roma als besonders schutzbedürftige Gruppe eingestuft hatte. Im niedersächsischen Landtag erklärten Sie unmissverständlich:

„Unter Beachtung der aktuellen UNHCR-Stellungnahmen zur Lage der Roma im Kosovo und der bekannten Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Wohnraum für Romavolkszugehörige im Kosovo hat die Bundesregierung gegenüber UNMIK/OCRM die Zusage gegeben, zunächst davon abzusehen, Roma – mit Ausnahme von Straftätern – zwangsweise in die Republik Kosovo zurückzuführen. Diese Zusage gilt unverändert auch gegenüber der Provisional Institution of Self-Government (PSIG). Die Landesregierung fühlt sich dieser Zusage verpflichtet und wird – wie bisher – keine zwangsweise Rückführung von Romavolkszugehörigen in die Republik Kosovo veranlassen.“
(Sitzung des nds. Landtages am 09.05.2008)

Es bleibt vollkommen unverständlich, welche Fakten eine Veränderung dieser Sichtweise herbeigeführt haben. Die Situation der Roma im Kosovo hat sich seither nicht verändert. ßber 5.000 Roma sind trotz ihres zumeist langjährigen Aufenthalts allein in Niedersachsen von Abschiebung bedroht. Die Kinder und Jugendlichen sind hier aufgewachsen oder gar geboren, sie haben hier die Schule besucht und sind hier groß geworden. Sie sind in Deutschland zu Hause, nicht im Kosovo.

Nach wie vor leben viele Roma als Flüchtlinge ohne festen Status in den europäischen Nachbarländern. Pro Asyl schätzt ihre Zahl auf ca. 100.000. Roma sind überall in Europa von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen, sie sollten in Deutschland die Chance bekommen, ein Leben ohne Diskriminierung zu führen.

Mit der Ermordung von 500.000 Sinti und Roma während des Nationalsozialismus trägt Deutschland eine ganz besondere Verantwortung gegenüber den Roma. Ein Aufenthaltsrecht für die Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo wäre moralisch u.E. allein schon vor den Hintergrund dieser historischen Schuld geboten. Ein Abschiebungsstopp für Roma aus dem Kosovo wäre ein erster Schritt dahin.

Mit freundlichen Grüßen

Sigrid Ebritsch
Vorstandsmitglied

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2 Gedanken zu „Offener Brief an Innenminister Uwe Schünemann: Abschiebungsstopp für Roma!“

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