Beschulung in Erstaufnahmeeinrichtungen

Kindern und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter, die in niedersächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen leben, wird der Schulbesuch verwehrt. Betroffen sind davon vor allem Minderjährige aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“,, denn diese Personengruppe wird laut §47 Absatz 1a AsylG nicht aus den Erstaufnahmeeinrichtungen auf die Kommunen verteilt. Die Aussetzung der Schulpflicht von Kindern und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen ist jedoch auf Landesebene geregelt.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V., das Netzwerk AMBA und die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen e.V. hatten in einem Forderungspapier vom 06. Juli 2017 und einer Stellungnahme vom 13. Dezember 2017 die Missstände wiederholt kritisiert und die Landesregierung zum Handeln aufgefordert.

In ihrem Forderungspapier vom 06. Juli 2017 zur Beschulung geflüchteter Kinder in der Landesaufnahmebehörde wurde darauf hingewiesen, dass die bisherige Form der Kinder- und Jugendbetreuung in der Landesaufnahmebehörde internationalen Verpflichtungen nicht genügt und keinen Ersatz für einen Schulbesuch darstellt. Vielmehr stellt die derzeitige Praxis in Niedersachsen wie auch in anderen Bundesländern gar eine Gefährdung des Kindeswohls dar.

Hier das Forderungspapier: „Forderungspapier zur Beschulung von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Erstaufnahme in Niedersachsen

Hier die Pressemitteilung: „Recht auf Bildung muss von Anfang gelten – Forderungspapier zur Beschulung in Erstaufnahmeeinrichtungen vorgelegt

Am 13. Dezember 2017 wurde dann anlässlich der Überarbeitung „Interkulturellen Lernwerkstatt 2.0“ durch das Niedersächsische Kultusministerium eine weitere Stellungnahme vorgelegt. Die Stellungnahme kritisierte wieder die nicht hinreichende Deckung des Anspruchs der geflüchteten Kinder und Jugendlichen auf Bildung in den Erstaufnahmeeinrichtungen.

Hier die Pressemitteilung: „Weiterhin monatelang keine Beschulung für Kinder und Jugendliche in Erstaufnahmeeinrichtungen

Auch im Jahr 2019 sieht Niedersachsen anscheinend nach wie vor keinen Handlungsbedarf: Eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion an das Niedersächsische Innenministerium Anfang Januar hat ergeben, dass in den niedersächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen derzeit 175 Kinder und Jugendliche vom Schulbesuch ausgeschlossen sind (Stand: 04.01.2019). Dies ist der Tatsache geschuldet, dass die Landesregierung weiter an dem Erlass festhält, dass die Schulpflicht erst mit der kommunalen Verteilung beginnt. Eine kommunale Verteilung ist für Menschen aus den sog. „sicheren Herkunftsstaaten“ jedoch ausgeschlossen. Dies führt dazu, dass diese Kinder und Jugendlichen teilweise mehrere Monate bis zu über einem Jahr keine reguläre Schule besuchen dürfen. Das Antwortschreiben des Innenministeriums empfinden wir daher als blanke Verhöhnung des Rechts von geflüchteten Kindern auf Bildung.

Hier die Anfrage der FDP-Fraktion: Anfrage zur Beschulungssituation von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in den niedersächsischen Erstaufnahmeeinrichtungen

Hier der vollständige Kommentar des Flüchtingsrates: Stellungnahme zur Anfrage FDP „Beschulung von Kindern und Jugendlichen aus sicheren Herkunftsländern“ vom 20.12.2018

 

Erläuterungen des Niedersächsischen Kultusministeriums und des Niedersächsischen Innenministeriums an den Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V. stand immer wieder in Kommunikation mit dem Niedersächsischen Innenministerium und dem Niedersächsischen Kultusministerium und bat unter anderem um die Erläuterung, wie das Recht auf Bildung für Kinder und Jugendliche aus sicheren Herkunftsländern in Erstaufnahmeeinrichtungen gewährleistet werden soll. Aus den Antworten geht hervor, dass der Kultusminister Tonne davon ausgeht, die Interkulturelle Lernwerkstatt 2.0 würde das Bildungsangebot ausreichend decken und die Regelbeschulung ersetzen. Diese Annahme teilt der Flüchtlingsrat nicht.

Auf die Forderung des Flüchtlingsrates, Familien mit Kindern und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter auf die Kommunen zu verteilen um den Kindeswohl gerecht zu werden und eine Regelbeschulung zu ermöglichen, wurde lediglich auf die grundsätzliche Bindung des Landes Niedersachsen an das Asylgesetz verwiesen.

Zeitungsartikel

Mit dem Ende der Sommerferien berichteten die Hannoversche Allgemeine Zeitung, Hildesheimer Allgemeine Zeitung, Göttinger Tageblatt, Wolfsburger Allgemeine Zeitung, Peiner Allgemeine Zeitung, Schaumburger Nachrichten und FOCUS online am 08. August 2018 über geflüchtete Kinder und Jugendliche in Erstaufnahmeeinrichtungen, denen der Schulbesuch verwehrt bleibt.

Land verwehrt Kindern von Flüchtlingen die Schule, in: Hannoversche Allgemeine Zeitung online vom 07. August 2018
Land verwehrt Kindern von Flüchtlingen die Schule, in: Göttinger Tageblatt online vom 07. August 2018
Land verwehrt Kindern von Flüchtlingen die Schule, in: Wolfsburger Allgemeine Zeitung online vom 07. August 2018
Land verwehrt Kindern von Flüchtlingen die Schule, in: Peiner Allgemeine Zeitung online vom 07. August 2018
Land verwehrt Kindern von Flüchtlingen die Schule, in: Schaumburger Nachrichten online vom 07. August 2018
Flüchtlingskinder aus sicheren Herkunftsländern dürfen Schule nicht besuchen, in: FOCUS online vom 08. August 2018

Artikel vom 18. Mai 2017 der GEW zur mangelnden Beschulung: „Zugang zu Bildung verweigert“
Der vollständige Artikel findet sich hier ab Seite 32.

Andere Bundesländer

Nordrhein-Westfalen: Auch der Paritätische NRW kritisiert die Nichtbeschulung von Kindern und Jugendlichen in Erstaufnahmeeinrichtungen stark. Hier die Pressemeldung vom 27. August 2018: „Die Schule geht los – aber nicht alle Kinder in NRW dürfen hin. Paritätischer NRW: Das Menschenrecht auf Bildung gilt auch für geflüchtete Kinder

Kampagne „Schule für alle“

2016 hat sich die Kampagne „Schule für alle“ gebildet. Es handelt sich dabei um eine Kampagne der Landesflüchtlingsräte, dem BumF e.V. und Jugendlichen ohne Grenzen, die von der GEW und Pro Asyl unterstützt wird und die Schule für alle ohne Ausnahme fordert.

Hier die Pressemitteilung: SCHULE FÜR ALLE – Das Recht auf Bildung kennt keine Ausnahme!

Broschüre

In der Broschüre „Recht auf Bildung für Flüchtlinge“ von Barbara Weiser werden rechtliche Rahmenbedingungen des Zugangs zu Bildungsangeboten (schulische oder berufliche Aus- und Weiterbildung) für Asylsuchende, Schutzberechtigte und Personen mit Duldung erläutert.

Daneben wird auf besondere Möglichkeiten der Aufenthaltsgewährung im Zusammenhang mit Ausbildung und erworbenen Qualifikationen eingegangen.

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