Türkische Menschenrechtlerin auf Weg zu Tagung verhaftet

7. Fachtagung gegen Abschiebungshaft fand in Paderborn statt
Teilnehmer/innen äußern sich besorgt über Verhaftung von Eren Keskin
Absurde EU-Verschiebepraxis angeprangert
Weitere Ausweitung der Haft durch Neufassung des Zuwanderungsgesetzes befürchtet

Am Wochenende fand in Paderborn die 7. Fachtagung gegen Abschiebungshaft statt. Expert/innen aus dem ganzen Bundesgebiet diskutierten die Auswirkungen derm Neufassung des Ausländerrechtes, das im Juli in Kraft treten soll. Die Teilnehmer/innen äußerten sich bestürzt darüber, dass die bekannte türkische Menschenrechtlerin und Rechtsanwältin Eren Keskin, die auf der Tagung den Vortrag zu Flüchtlingspolitik in der Türkei halten sollte, am Samstag Morgen am Flughafen Istanbul festgenommen und an der Ausreise gehindert wurde. Zwar wurde sie am Mittag wieder freigelassen, muss sich jedoch am Montag bei der Staatsanwaltschaft melden.

„Wir halten die Maßnahmen für eine weitere Schikane der türkischen Behörden gegen eine unbequeme Kritikerin. Offensichtlich sollte ihre Teilnahme an der Fachtagung gezielt verhindert werden“ sagte der Kölner Rechtsanwalt Hermann Weische, der Keskin persönlich aus der Türkei kennt. „Wir werden das Vorgehen der türkischen Behörden gegen Eren Keskin sehr genau beobachten.“ Eren Keskin ist die Vorsitzende der Istanbuler Sektion des türkischen Menschenrechtsvereins IHD. 2004 erhielt sie den Aachener Friedenspreis, 2001 den Menschenrechtspreis von amnesty international. Zentrales Thema der Tagung war die massenhafte Inhaftierung von Asylsuchenden im so genannten Dublin-Verfahren. Durch dieses Verfahren soll bestimmt werden, welcher europäische Staat für die Durchführung des Asylverfahrens eines Flüchtlings zuständig ist. Dies ist vom Grundsatz her der Staat, in dem der Flüchtling erstmals in Europa registriert wurde, Bedürfnisse oder Wünsche der Flüchtlinge spielen dabei keine Rolle. „Das ganze Verfahren ist ein Beispiel für die völlig absurde Flüchtlingspolitik in der Europäischen Union. Asylsuchende werden ohne Sinn und Verstand zu Tausenden inhaftiert, bloß um sie quer durch die EU zu verschieben“ sagte Frank Gockel, Initiator der Fachtagung. Besonders grotesk erscheint das Verfahren durch den Umstand, dass die Zahl der von Deutschland in andere Länder überstellten Flüchtlinge genauso hoch ist wie Zahl derjenigen, die Deutschland von anderen Ländern aufnimmt. „Es werden Millionen für ein Nullsummenspiel vergeudet, allein um Flüchtlinge dazu zu zwingen, ihr Asylverfahren in Ländern zu durchlaufen, in denen sie dies nicht möchten“ so Gockel weiter. Mittlerweile fast jeder vierte Asylantrag, der in Deutschland gestellt wird, führt zu einem Dublin-Verfahren. Als rechtlich äußerst bedenklich bewerteten die Teilnehmer/innen die mangelhafte Rechtsschutzmöglichkeit in dem Verfahren. Es steht zu befürchten, dass die Anzahl der Inhaftierungen in Dublin-Verfahren nach Inkrafttreten der kürzlich beschlossenen ßnderungen im Zuwanderungsrecht noch zunimmt.

Einigkeit bestand unter den Teilnehmer/innen der Fachtagung darüber, dass die z.T. monatelange Inhaftierung von Menschen nur zum Zwecke der Abschiebung grundsätzlich abzulehnen sei. „Dies ist einer der vergessenen Skandale in Deutschland. Tausende Menschen werden jedes Jahr ins Gefängnis gesteckt, ohne je ein Verbrechen begangen zu haben“ erklärte Gockel abschließend in Paderborn.

gez. Timmo Scherenberg

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