Resettlement und Relocation: Aktuelle Formen der Umsiedlung von Schutzsuchenden

[Dezember 2017]

Einleitung

Die Grundzüge einer europäischen Asyl- und Migrationspolitik, die auch von deutscher Seite mitgetragen und vorangetrieben wird, sind schon lange sichtbar. Diese Politik orientiert sich an dem Ziel, einerseits die sogenannte „irreguläre Migration“ einzuschränken – was durch das Vorantreiben der Abschottung der EU zur Folge hat, dass es auch für Schutzsuchende immer schwieriger bis unmöglich wird die einschlägigen Schutznormen des Flüchtlings- und Völkerrechts in Anspruch zu nehmen – und andererseits einen schrittweisen Ausbau legaler Zugangswege vorzunehmen. Zu welch verheerenden Ergebnissen diese Politik führt, lässt sich bereits jetzt am sog. „Türkei-Deal“ ablesen.

[Quelle hierzu: Pro Asyl, 15.12.2017: Ägäis: Eine humanitäre Katastrophe mit Ansage]

Der Schutzbedarf von Flüchtlingen spielt in den Debatten eine zunehmend untergeordnete Rolle. Besonders kritisch ist hier zu sehen, dass der wünschenswerte Ausbau legaler Zugangswege wie Resettlement, humanitäre Aufnahmeprogramme, private Sponsorship oder Aufenthalt zum Studium oder zur Arbeitsaufnahme als Instrument genutzt wird, um die Verschiebung von Zugangskontrollen nach Süden und das Abfangen von Schutzsuchenden noch auf anderen Kontinenten zu rechtfertigen. Was uns euphemistisch als „Bekämpfung von Fluchtursachen“ verkauft wird, läuft im Ergebnis vor allem darauf hinaus, Flüchtlinge von einer Flucht nach Norden abzuhalten und Flüchtlingscamps auf dem afrikanischen Kontinent einzurichten.

Die aktive Unterstützung von Drittstaaten, damit diese Schutzsuchende an der Weiterreise in die EU hindern und als vermeintliche „sichere Drittstaaten“ oder als „erster Asylstaat“ erklärt werden können, verstößt gegen den völkerrechtlichen Grundsatz des Refoulement-Verbots – zumindest dann, wenn diese Staaten weder die Genfer Flüchtlingskonvention noch die Europäische Menschenrechtskonvention einhalten.

[Quellen hierzu: verfassungsblog.de, 8.10.2017: „Die EU und die Mittelmeerroute: Umgehung des Refoulement-Verbots oder Kampf gegen die ´illegale Migration`?“ und PM von Pro Asyl vom 14.12.2017: Europäischer Rat: Komplettdemontage des Asylrechts geplant? ]

So berechtigt und notwendig die Kritik an den europäischen Bemühungen um eine Aushebelung des Asylrechts zum Zweck einer Externalisierung der Flüchtlingsaufnahme ist, bleibt es doch richtig, dass eine kontingentierte Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten durch die EU-Staaten und eine solidarische Umsiedlung von Schutzsuchenden aus EU-Randstaaten (Griechenland, Italien) in andere Mitgliedstaaten unterstützens- und begrüßenswert sind: Den davon profitierenden Menschen wird auf diesem Weg eine gefahrlose Aufnahme ermöglicht. In diesem Sinne geben wir nachfolgend einen Überblick über die aktuell genutzten Formen der Umsiedlung von Schutzsuchenden aus Drittstaaten in die EU (I) sowie innerhalb der EU (II):

I. Umsiedlung aus Drittstaaten in die EU

Resettlement und humanitäre Aufnahmeprogramme stellen wichtige Elemente der internationalen Verantwortungsteilung dar und können Schutzbedürftigen eine Perspektive schaffen, wenn es daran – aus welchen Gründen auch immer – im Erstaufnahmeland mangelt. Sie bieten einen legalen und sicheren Zugang zu Schutz in einem Drittland und stellen damit einen wichtigen Baustein des internationalen Flüchtlingsschutzes dar.

[Quellen hierzu: Caritas, Migration & Integration, Info 4/ Nov. 2017: Resettlement und humanitäre Aufnahme und UNHCR: was-wir-tun/resettlement-und-humanitaere-aufnahme]

1. Vom UNHCR organisierte Resettlement-Programme

Resettlement-Programme ermöglichen Flüchtlingen eine legale und sichere Einreise nach Deutschland. Als Resettlement wird die Neuansiedlung von (durch UNHCR anerkannte) Flüchtlinge aus einem Staat, in dem sie bereits um Schutz nachgesucht haben, in einen aufnahmebereiten Drittstaat bezeichnet. Neben der freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat und der Integration im Erstzufluchtsstaat stellt Resettlement eine von drei dauerhaften Lösungen für die Notlage von Flüchtlingen dar.

Eine Entscheidung für Resettlement wird vorzugsweise dann getroffen, wenn eine Rückkehr in den Herkunftsstaat auf absehbare Zeit nicht möglich ist und ein dauerhafter Verbleib im Erstzufluchtsstaat nicht zumutbar erscheint, weil besondere Bedürfnisse einzelner Flüchtlinge oder Flüchtlingsgruppen dort nicht hinreichend befriedigt werden können. Viele der Flüchtlinge leben zum Zeitpunkt ihres Resettlements bereits seit vielen Jahren in den Erstzufluchtsländern.

[Quelle hierzu: UNHCR: was-wir-tun/resettlement-und-humanitaere-aufnahme]

2. Auf EU-Ebene eingeführte Resettlement-Programme und die geplante EU-Resettlement VO

Die Europäische Kommission hat am 13. Juli 2016 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung eines Neuansiedlungsrahmens der Union, sog. EU Resettlement Framework, vorgelegt. Ziel ist, eine legale und sichere Einreise von Drittstaatsangehörigen und staatenlosen Schutzbedürftigen in die EU zu ermöglichen, die „Gefahr eines massiven irregulären Zustroms“ von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen in die EU zu verringern und einen Beitrag zu internationalen Neuansiedlungsinitiativen zu leisten.

Nach dem Verordnungsentwurf, der Teil der geplanten Reformen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist und sich derzeit in der Abstimmung zwischen EU-Parlament, Kommission und Rat befindet, soll die Neuansiedlung der bevorzugte Weg für die Erlangung internationalen Schutzes in der EU sein. Während das Resettlement Framework die Grundlage für ein größeres europäisches Engagement (d.h. höhere Aufnahmequoten) sein kann, wird die legale Zuwanderung auch hier an mehreren Stellen mit einer Migrationskontrolle verknüpft.

Im Kontext des EU Resettlement Frameworks steht der Vorstoß der EU Kommission aus dem September 2017, innerhalb der kommenden 2 Jahre 50.000 Plätze für Resettlement EU-weit zur Verfügung zu stellen. Derzeit werden von den Mitgliedstaaten geplante Resettlement-Quoten an die Kommission gegeben („pledges“), wobei sich bislang noch nicht alle Staaten geäußert haben und die Zahl von 50.000 noch nicht erreicht wurde. Nach Angaben der EU-Kommission lagen bis Mitte November 2017 34.400 Zusagen vor. Von deutscher Seite liegen, u.a. aufgrund der noch laufenden Koalitionsverhandlungen zur Bundesregierung, noch keine Angaben vor.

Auch wenn die Zahl von 50.000 Plätzen zur legalen Einreise in die EU für den Zeitraum bis Oktober 2019 erreicht werden sollte, steht diese in keiner Relation zu den benötigten Aufnahmeplätzen. Es wäre bedauerlich, wenn die im Kern sinnvollen und notwendigen legalen Aufnahmeprogramme nach Europa lediglich zu einem Feigenblatt einer auf Abwehr und Völkerrechtsbruch ausgerichteten Politik werden. Ebenso kritisch ist, dass bei Überprüfung der Flüchtlingseigenschaft in Drittsaaten durch UNHCR nur Flüchtlinge mit dem GFK-Status per Resettlement in die EU einreisen können. Andere Formen des Abschiebeschutzes finden hier keine Berücksichtigung. Nicht zu ignorieren ist auch, dass mit der anvisierten Ausweitung des Resettlements auch Aspekte der Rückkehrpolitik und der Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern verbunden werden.

[Quelle hierzu: Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes zum Vorschlag für eine EU-Verordnung zur Schaffung eines Neuansiedlungsrahmens]

3. Resettlement im Rahmen der EU-Türkei Erklärung

Es wird befürchtet, dass die EU-Türkei-Erklärung aus dem März 2016 als Blaupause für eine europäische Flüchtlingspolitik dienen dürfte, die Grenzschließungen für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa mit legaler Einreise und finanzieller Unterstützung für Transit- und Herkunftsländer verbindet.

Die Erklärung umfasst im Wesentlichen folgende Aspekte:
– Die Türkei schließt die Grenzen zur EU (Bulgarien, Griechenland) und verhindert Überfahrten nach Griechenland.
– Die Türkei erhält zunächst 3 Milliarden Euro, um die Aufnahmebedingungen und Infrastruktur für syrische Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern; sobald diese Mittel ausgegeben sind, können bis Ende 2018 weitere 3 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden.
– Alle „illegalen Migranten“ die nach dem 20. März 2016 auf den griechischen Inseln ankommen und kein Asyl beantragen oder deren Antrag als unbegründet oder unzulässig abgelehnt wird, werden auf Kosten der EU in die Türkei zurückgebracht; hierzu musste die Türkei zunächst von griechischer Seite (nicht etwa der ganzen EU) als „sicherer Drittstaat“ eingestuft werden.
– Für jeden Syrer, der aus Griechenland in die Türkei zurückgebracht wird, soll ein anderer syrischer Flüchtling aus der Türkei in die EU umgesiedelt werden, wobei sich mehrere EU-Länder im Juli 2015 zur Aufnahme solcher Schutzsuchende verpflichtet hatten; insgesamt sollen bis zu 72.000 Plätze zur Verfügung gestellt werden.
– Die EU und die Türkei arbeiten zusammen, um die humanitären Bedingungen in Syrien zu verbessern.

Bis November 2017 wurden nur etwa 1.970 Schutzsuchende aus Griechenland in die Türkei zurückgeschickt, die – zermürbt von der langen Wartezeit – ihren Asylantrag zurückzogen oder im nationalen griechischen Asylverfahren abgelehnt wurden. Bis heute wurde noch kein syrischer Flüchtling gegen seinen Willen in die Türkei gebracht. Dieses liegt u.a. daran, dass seitens griechischer Gerichte die Türkei eben nicht pauschal als sicherer Drittstaat eingestuft wird. Nachdem das höchste griechische Gericht die Überstellung in einem Einzelfall für zulässig erklärt hat, liegt die Akte nun zur Überprüfung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

In die Europäische Union wurden seither nach Angaben der EU-Kommission über 11.350 syrische Flüchtlinge umgesiedelt. Die Einreisen über die Ägäis nach Griechenland haben sich erheblich reduziert, während gleichzeitig ca. 15.000 Flüchtlinge z.T. über viele Monate in Lagern auf den griechischen Inseln festsitzen. Zudem hat die Türkei die Grenze nach Syrien geschlossen, so dass die Flucht weiterer Syrer in die Türkei fast unmöglich gemacht wurde.

[ Quelle hierzu: EU Turkey statement und VU Migration Law Series, No. 15: Situation of readmitted migrants and refugees from Greece to Turkey under the EU-Turkey Statement]

4. Resettlement auf Bundesebene (§ 23 Abs. 4 AufenthG)

Deutschland führt seit 2012 Resettlement durch, zunächst mit einer Quote von 300 Personen pro Jahr. Seit 2015 beträgt die Quote 500 Personen, wobei diese in den Jahren 2016 und 2017 auf zusammen 1.600 Personen angehoben wurde. Seit 2015 gibt es für Resettlement mit dem § 23(4) AufenthG eine eigenständige Rechtsgrundlage.

Im Jahr 2016 wurde Resettlement in Deutschland zeitweise zur Umsetzung der EU-Türkei-Erklärung genutzt (s. oben).

Für 2018 wurde noch keine Quote bekannt gegeben. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Deutschland größere Kapazitäten als bislang zur Verfügung stellen wird.

Obwohl im Resettlement Flüchtlinge aufgenommen werden, deren Schutzbedarf zuvor von UNHCR festgestellt wurde, erhalten diese Personen in Deutschland keinen Status nach der GFK.

[Quellen hierzu: Bundesweites Kooperationsprojekt des Deutschen Caritasverbandes e.V. und des Caritasverbandes für die Diözese Hildesheim e.V. / Caritasstelle im GDL Friedland: www.resettlement.de sowie BAMF: http://www.bamf.de/DE/Fluechtlingsschutz/HumAufnahmeResettlement/ResettlementHumanitaereAufnahme/resettlement-node.html]

5. Humanitäre Aufnahmeprogramme (HAP) auf der Grundlage von §23 Abs. 1 und 2 AufenthG

Humanitäre Aufnahmeprogramme erlauben Staaten eine schnellere Aufnahme großer Personengruppen aus akuten Kriegs- und Krisensituationen. In Deutschland wurde dieses Instrument vor allem in den Jahren 2013 bis 2015 mit der Aufnahme von 20.000 syrischen Flüchtlingen eingesetzt. Hinzu kamen bzw. kommen u.a. die Landesaufnahmeprogramme für syrische Flüchtlinge.

Aktuell wird HAP zur Umsetzung der EU-Türkei-Erklärung eingesetzt (s. oben). Insgesamt reisten nach der EU-Türkei-Erklärung bislang 3.770 syrische Flüchtlinge aus der Türkei nach Deutschland ein.

II. Umsiedlung innerhalb der EU

1. Relocation

Über das so genannte Relocation-Verfahren werden Asylsuchende aus EU-Mitgliedsstaaten mit besonders stark beanspruchten Asylsystemen – wie aktuell Griechenland und Italien – in andere Mitgliedsstaaten umverteilt und durchlaufen dort das Asylverfahren. Damit soll eine gerechtere Verteilung der Asylsuchenden innerhalb der EU erreicht werden. Voraussetzung zum Zugang zum Relocation-Verfahren ist, dass die Asylsuchenden aus Herkunftsländern stammen, bei denen die durchschnittliche Anerkennungsquote in der EU mind. 75 Prozent beträgt.

Auf Grundlage zweier Programme der EU aus Mai und September 2015, sollten innerhalb von 2 Jahren insgesamt 160.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland (Ungarn verzichtete auf die Teilnahme und auch andere EU Staaten zeigten heftigen Widerstand daran mitzuwirken) in andere Staaten der EU umgesiedelt werden, um dort ein Asylverfahren zu durchlaufen. Deutschland sollte im Rahmen der Relocation-Programme bis September 2017 27.400 Personen aufnehmen, insgesamt gab es 98.255 Aufnahmezusagen.

Nach Angaben der EU-Kommission (s. hier) wurden bis November 2017 insgesamt 31.503 Personen (21.238 aus Griechenland, 10.265 aus Italien) umgesiedelt. Nach Deutschland kamen davon 9.169 Personen.

Die Gründe, weshalb deutlich weniger Personen innerhalb Europas verteilt wurden als theoretisch möglich gewesen wären, sind vielfältig. Zum einen wurden die Plätze, die für Ungarn vorgesehen waren (40.000) nicht benötigt, da Ungarn am Programm nicht teilnahm. Ohnehin war der Rahmen mit dem Beschluss, dass nur Personen, deren EU-weite durchschnittliche Schutzquote bei über 75% liegt, sehr eng gefasst. Hinzu kamen z.T. Probleme der Programmumsetzung in den italienischen und griechischen Verwaltungen.

Die Verteilung erfolgte über den Großteil der EU-Mitgliedstaaten. Wie im Dublin-Verfahren zeigte sich auch bei Relocation das (bisher nicht quantifizierbare) Problem der ungleichen Aufnahmebedingungen innerhalb der EU. So sind Fälle von Asylsuchenden in Niedersachsen bekannt, die nach Relocation in die baltischen Staaten nach Deutschland weitergereist sind.

Die EU-Kommission hat bereits kommuniziert, das Programm fortsetzen zu wollen, allerdings müssen hier die Mitgliedstaaten zustimmen.

[Weitere Quelle hierzu: FES, Zagreb, Oct. 2017: The relocation od refugees in the EU- Implementation of solidarity and fear]

2. Dublin III und IV

Im Rahmen der aktuell in Kraft stehenden s.g. Dublin-III VO, welche Regeln zur Bestimmung des EU Staates beinhaltet, der für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist, spielt die Anwesenheit von Familienmitgliedern in anderen EU-Staaten eine Rolle. D.h., dass die Anwesenheit von Familienmitgliedern in einem EU-Staat dazu führen kann, dass ein Schutzsuchender, der in einem anderen EU-Staat seinen Asylantrag gestellt hat, innerhalb der EU umgesiedelt werden und das weitere Asylverfahren dort durchmachen kann, wo sein Familienmitglied sich befindet.

Wie bei der Familienzusammenführung aus Drittstaaten, steht auch bei der Dublin-Familienzusammenführung die Einheit der Kernfamilie im Vordergrund, wobei es auch davon abweichende Regelungen gibt, soweit es sich um unbegleitete Minderjährige handelt oder wenn es sich um Familienmitglieder handelt, die extrem aufeinander angewiesen sind. Die in der Verordnung vorgesehen Fristen zur Umsetzung einer solchen Familienzusammenführung sind etwa die, dass der Staat, in welchen sich die Person, die in den anderen EU-Staat umverteilt werden möchte, befindet, ab Asylantragstellung grundsätzlich 3 Monate Zeit hat, um ein Aufnahmegesuch zu verschicken. Reagiert der ersuchte Staat innerhalb von 2 Monaten nicht, dann gilt seine Zustimmung als erteilt und die Person, die umsiedeln möchte, muss innerhalb von 6 Monaten in den Zielstaat umgesiedelt werden, worauf man auch einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch hat.

[Quelle hierzu: Informationsverbund Asyl & Migration: https://familie.asyl.net/innerhalb-europas/nach-dublin-iii-vo/verfahren-und-kosten]

Ein Entwurf für die 4. Version dieser Verordnung wurde im Mai 2016 von der EU-Kommission veröffentlicht und der zuständige Ausschuss des EU-Parlaments ( der s.g. LIBE-Ausschuss) hat sich im Nov. 2017 dazu geäußert. In seinem Vorschlag, weicht der Ausschuss wesentlich vom Vorschlag der EU-Kommission ab, welcher u.a. einen generellen Wegfall des Zuständigkeitsübergangs an einen anderen Mitgliedstaat vorsieht und auch die Rückschiebung unbegleiteter Minderjähriger ermöglicht.

Vielmehr geht der Vorschlag des LIBE-Ausschusses davon aus, dass in den Ankunftsstaaten eine Registrierung, Sicherheitsüberprüfung und eine zügige Erstbewertung stattfinden sollen. Es soll dann aber nicht automatisch das Erstaufnahmeland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig werden, sondern zunächst familiäre Bindungen in anderen EU-Staaten berücksichtigt werden. Sind keine familiäre Bindungen gegeben, so soll der/die Asylsuchende einen der 4 Mitgliedstaaten aussuchen, welcher bislang die niedrigste Quote von Asylsuchenden aufgenommen hat. Die Zuständigkeit bleibt dann für fünf Jahre bei diesem Staat bestehen und ein Übergang auf ein anderes Land soll nicht möglich sein. Zudem soll die Weiterreise in Gruppen ermöglicht werden. Offensichtlich basiert aber auch dieser Vorschlag auf der derzeit kaum zulässigen Annahme vergleichbarer Aufnahme- und Partizipationsbedingungen für Asylsuchende in allen Mitgliedstaaten der EU.

[Quellen hierzu: Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Dublin IV-Verordnung und Analyse von Pro Asyl zur Verhandlungsposition des LIBE-Ausschusses des EU-Parlaments zur Dublin IV-VO]

III. Anmerkungen/Hinweise für die Praxis

Angesichts dieser Vielfalt an komplexen Umsiedlungswegen, stellt sich in der Praxis häufig die Frage, wie man politisch oder/ und im Umgang mit Einzelfällen damit umgehen kann.

Was die praktische Unterstützung angeht, so kann Hilfe beim Sammeln und fristgerechtem Einreichen der für den Nachweis der familiären Bindung erforderlichen Dokumente sehr wertvoll sein. Insbesondere mit Blick auf die Dublin-Familienzusammenführung nach der Dublin III VO ist es wichtig die entscheidenden Fristen zu kennen, die die Staaten einhalten müssen, um vor oder nach deren Ablauf entsprechend eingreifen und sicherstellen zu können, dass eine Umsiedlung nicht gefährdet wird.

Auf der politischen Ebene kommt es zur Vertretung der Interessen der Menschen, die auf einen dieser oben dargestellten Wege in die EU oder in einen anderen EU Staat umsiedeln möchten, darauf an zu fordern, dass diese Verfahren effizient, nicht allzu restriktiv und in ihrem Umfang nicht nur „symbolisch“ ausgestaltet werden und dass sie nicht vorrangig angelegt werden, um die immer weiter in den Süden ragende Blockade der Fluchtwege vermeintlich zu „kompensieren“.

verfasst von Thomas Heek, Luara Rosenstein, Kai Weber

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