Leben in der Fremde Goslar: Aufruf gegen Abschiebungen

Susanne Ohse und Uta Liebau auf der 30-Jahr-Feier des Goslarer Vereins "Leben in der Fremde"
Susanne Ohse und Uta Liebau auf der 30-Jahr-Feier des Goslarer Vereins „Leben in der Fremde“

Der nachfolgende Aufruf des Vereins „Leben in der Fremde e.V.“ aus Goslar bringt die Wut und Verärgerung vieler Initiativen darüber zum Ausdruck, dass auch in Niedersachsen in zunehmender Zahl Abschiebungen ohne Rücksicht auf lange Aufenthaltszeiten und unangekündigt durchgeführt werden. Zwar ist die Ankündigung des konkreten Abschiebungstermins inzwischen gesetzlich verboten. Zulässig wäre aber ein allgemeiner Hinweis der Ausländerbehörde auf eine bevorstehende Abschiebung, soweit sie denn überhaupt zwingend ist. In etlichen Fällen wäre auch eine Aufenthaltsgewährung auf der Grundlage der §§ 25 Abs. 5 AufG und 25b AufG zulässig und angemessen. Beide Rechtsgrundlagen zur Gewährung eines humanitären Aufenthaltsrechts werden allerdings kaum angewandt – auch nicht in Niedersachsen.
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Am 30.06.2016 lebten nach Angaben des Niedersächsischen Innenministeriums 15.143 „vollziehbar ausreisepflichtige“ Personen mit einer Duldung in Niedersachsen. 1079 Personen dieser Gruppe wurden im ersten Halbjahr 2016 abgeschoben – im Vorjahr waren es 454. Dieser drastische Anstieg ist alarmierend. Er ist nicht nur auf eine höhere Anzahl abgelehnter Asylanträge zurückzuführen, sondern dokumentiert auch ein rigideres Abschiebungsregime der Behörden. Die einschlägigen Gesetzesänderungen, die u.a. eine Rückkehr zu unangekündigten Abschiebungen und eine Durchsetzung der Ausreisepflicht auch bei kranken Flüchtlingen vorsahen, zeitigen jetzt ihre Wirkung. Auch im Landkreis Goslar finden diese Abschiebungen statt. So wurde z.B. ein Kind der 5. Klasse der Oberschule in Seesen aus dem Unterricht heraus abgeschoben. Diese Art der „Rückführungen“ erinnert an eine der dunkelsten Epochen der deutschen Geschichte. Nicht nur die Familien sind traumatisiert, auch die Mitschüler und Mitschülerinnen, Nachbarn sowie ehrenamtliche Helferinnen und Helfer bleiben ratlos und empört zurück.

Es sind auch Flüchtlinge von Abschiebungen betroffen, die schon jahrelang geduldet unter uns leben und schon längst ihren Lebensmittelpunkt hier haben. Gerade auch in diesen Fällen fordern wir von den Behörden eine Anwendung der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten für eine Legalisierung des Aufenthalts über die gesetzlichen Bleiberechtsregelungen (§§ 25a und 25b AufenthG) und den Schutz der Privatsphäre (§25 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 8 der EMRK) vor. Ein entsprechender Ausführungserlass des Landes bietet hierzu weitreichende Möglichkeiten, wird in der Praxis aber kaum angewandt.

Wir fordern die niedersächsische Landesregierung auf, der im Koalitionsvertrag vereinbarten Zielsetzung einer „Vermeidung von Abschiebungen“ gerecht zu werden und den einschlägigen Rückführungserlass des Landes so zu überarbeiten, dass auch vor dem Hintergrund der veränderten Rechtslage Abschiebung nach Möglichkeit nicht stattfinden.
Wir als Helferinnen und Helfer waren als Ehrenamtliche in der sogenannten Flüchtlingskrise gefordert, um ein Chaos in der Betreuung und Unterbringung von Flüchtlingen zu vermeiden. Wir haben nicht Kraft und Zeit in die Integration von Geflüchteten aufgewendet, um nun tatenlos zuzuschauen, wie sie in ihre Heimatländer, die angeblich sicher sein sollen, zurückgeschoben werden. Deshalb fordern wir, dass in Zukunft alle im Landkreis Goslar in der Flüchtlingshilfe aktiven Netzwerke über drohende Abschiebungen von Flüchtlingen aus ihrem Ort informiert werden.

Wir melden uns auf diesem Wege zu Wort und fordern das Innenministerium des Landes Niedersachsen sowie den Landrat des Landkreises Goslar auf, Lösungen zu finden, damit diese menschenunwürdigen Abschiebungen beendet werden.

Goslar, 15.11.2016

Kontakt:
Leben in der Fremde e.V.
Susanne Ohse
Tulpenweg 6
38640 Goslar

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1 Gedanke zu „Leben in der Fremde Goslar: Aufruf gegen Abschiebungen“

  1. Guten Morgen,
    ich betreue eine junge Familie mit zwei Kleinkindern aus Herat in Hahnenklee und versuche vergeblich Hilfe zu bekommen. Die Familie versucht eine Wohnung direkt in Goslar oder Bad Harzburg zu bekommen, Das 4-Monate junge Baby hat ein Loch am Herzen und muss häufig zur Kontrolle ins Krankenhaus. Die Wohnung in der Wiesenstrasse war nach zwei Monaten total „verschimmelt“, auf den großzügigen Balkon kann man kein Kind lassen, ohne dass es sich verletzten würde.
    Umzug wurde vom Sozialamt bereits genehmigt. Es ist eben nicht einfach für diese Familie den Vorgaben der Immobilienbesitzer zu entsprechen …, haben Sie eventuell einen Tipp für mich? Das Paar ist wirklich sehr ordentlich und gebildet.

    Gruß Karin Fröhlich,
    Telefon 05325 7069921

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