Der politische Druck auf afghanische Schutzsuchende ist in den letzten Tagen noch einmal deutlich gestiegen. In Brüssel kamen viele Staaten zur Afghanistan-Konferenz zusammen, die sich eigentlich mit der Zukunft des Landes befassen soll. Im Rahmen dessen wurde nun allerdings auch ein Papier der Europäischen Union und der Regierung Afghanistans bekannt, das am vergangenen Wochenende unterzeichnet wurde. Der „Joint Way Forward on migration issues between Afghanistan and the EU“ ist eine Vereinbarung, die den EU-Staaten die leichtere Abschiebung von afghanischen Flüchtlingen in ihre Heimat garantieren soll.
Für eine Abschiebung notwendige Reisedokumente sollen nun etwa nach Anfrage der Behörden eines EU-Mitgliedstaates innerhalb bestimmter kurzer Fristen von den afghanischen Außenvertretungen ausgestellt werden können. In dem Papier wird sogar darüber nachgedacht am Flughafen in Kabul ein eigenes Terminal für Zwecke der Rückführung einzurichten. Sicherlich wird dieses Thema auch eines der Themen auf der kommenden Innenministerkonferenz Ende November in Saarbrücken sein.
Vor dem Hintergrund der sich in dieser Vereinbarung erneut zeigenden verschärften Tonlage verweist der Flüchtlingsrat Niedersachsen erneut auf ein im März 2016 veröffentlichtes Fact-Sheet. Darin werden Hinweise gegeben, welche aufenthaltsrechtlichen Perspektiven für geduldete Afghan:innen bestehen. Gegenüber der damaligen Rechtslage ist darauf hinzuweisen, dass sich im Bereich Arbeitsmarkt weitere Veränderungen wie das Aussetzen der Vorrangprüfung sowie die Anspruchsduldung bei Ausbildung ergeben haben, von denen auch Afghan:innen aufenthaltsrechtlich profitieren könnten.
Aus Sicht des Flüchtlingsrats ist es besonders wichtig darauf hinzuweisen, dass alle Afghan:innen das Recht auf ein faires unvoreingenommenes Asylverfahren in Deutschland haben und nicht dazu gedrängt werden dürfen ihre Asylanträge zurückzunehmen. Sorge macht dabei der Blick auf die trotz unveränderter Sicherheits- und Verfolgungslage geänderte Entscheidungspraxis des BAMF, auf die der Flüchtlingsrat bereits im August 2016 hingewiesen hatte.
PRO ASYL macht die geplanten Abschiebungen nach Afghanistan im Rahmen einer breiten Kampagne zum Thema. Der Flüchtlingsrat unterstützt dies. Bei PRO ASYL finden sich auch weitere Informationen zur Entwicklung in dieser Woche.
Hintergrund:
Bis Ende August 2016 hatte das BAMF im bisherigen Kalenderjahr rund 101.000 Asylanträge von afghanischen Schutzsuchenden registriert. Viele davon waren noch im Vorjahr eingereist, wurden allerdings erst verspätet vom BAMF geladen. Im gleichen Zeitraum wurden allerdings nur rund 18.000 Entscheidungen getroffen. Zum 30.06.2016 waren beim BAMF noch Asylverfahren von rund 95.000 Afghan:innen anhängig und nicht von der Behörde entschieden. 2015 warteten Afghan:innen im Durchschnitt 14 Monate auf ihren Bescheid vom BAMF (Bundestagsdrucksache 18/7625).
Wenn Sie individuell Beratung und Unterstützung brauchen, wenden Sie sich bitte an ...