Schünemann hetzt wieder

Bei der letzten Landtagswahl wurde er abgestraft: Wegen seiner harten Flüchtlingspolitik verlor der ehemalige Innenminister Uwe Schünemann sein Amt als Innenminister, Schünemann wurde nicht wieder in den Landtag zurückgewählt, und die neue Landesregierung verkündete einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik. Nach mehreren vergeblichen Anläufen, als Landrat in Hameln oder Höxter gewählt zu werden, profitierte er schließlich vom Ausscheiden eines Landtagsabgeordneten und kam als Nachrücker in den Landtag, wo er als Hinterbänkler sein Dasein fristete.

Doch nun, nach einer zweieinhalbjährigen Schamfrist, wittert er Morgenluft und äußert sich in der heutigen Ausgabe der HAZ exklusiv zur Flüchtlingspolitik der Landesregierung. Als habe es die entsetzlichen Tragödien um überfallartige Abschiebungen im Morgengrauen, zerrissene Familien und zerstörte Lebensentwürfe von Flüchtlingen in Niedersachsen nie gegeben, schwafelt er davon, wie man „strukturell und verbindlich die Integration regeln“ müsse. Ausgerechnet Schünemann! Für wie vergesslich hält er die Bürger:innen?

Es war Uwe Schünemann, der Gazale Salame im Jahr 2005 – nach siebzehnjährigem Aufenthalt in Deutschland – festnehmen ließ, sie von ihrem Mann und ihren älteren Kindern trennte, sie trotz einer bestehenden Schwangerschaft mit der einjährigen Tochter abschob und acht Jahre lang ihre Rückkehr nach Deutschland verhinderte. Es war Uwe Schünemann, der 2011 den damals 15-jährigen Anuar Naso zusammen mit seinem Vater von der restlichen Familie (Mutter, Schwester Schanas, weitere ältere Geschwister) getrennt und gewaltsam nach Syrien abschieben ließ, wo beide inhaftiert und misshandelt wurden. Und es war Uwe Schünemann, der durch Lagerunterbringung, Residenzpflicht, ausländerrechtliche Arbeitsverbote und Gutscheinpraxis eine Politik der systematischen Ausgrenzung und Isolation von Asylsuchenden zum Regierungsprogramm erhob. Dass ausgerechnet dieser Mann seine Forderungen nach mehr Lagern und mehr Abschiebungen heute humanitär ummäntelt und jetzt davon spricht, dass Flüchtlinge „Sprachkurse, Jobs und eine Begleitung“ brauchen, ist einfach nur zynisch zu nennen. „Ich hatte mir vorgenommen, mich nach meinem Ausscheiden aus dem Amt des Innenministers nicht mehr zu diesem Politikfeld zu Wort zu melden“, äußert er sich im Interview. Hätte er sich nur daran gehalten…

Kai Weber

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HAZ 04.09.2015
„Da platzt mir der Kragen“
Er hat lange geschwiegen: In der Flüchtlingsdebatte meldet sich der frühere CDU-Innenminister Uwe Schünemann jetzt zurück

„Wer bisher nur von Willkommenskultur gesprochen hat, ist jetzt überfordert“: Der frühere Minister Uwe Schünemann greift die Regierung Weil scharf an.Foto: dpa

Herr Schünemann, Ihre Fraktion hat für nächste Woche eine Sondersitzung im Landtag einberufen, um über Flüchtlingspolitik zu sprechen. Was läuft falsch im Land?

Ich hatte mir vorgenommen, mich nach meinem Ausscheiden aus dem Amt des Innenministers nicht mehr zu diesem Politikfeld zu Wort zu melden. Aber in der jetzigen Situation ist mir der Kragen geplatzt. So kann man mit der Herausforderung nicht umgehen. Die Arbeit, die wir in zehn Jahren im Bereich der Integration aufgebaut haben, wird nicht mehr umgesetzt. Wir haben es mit einer Krisensituation zu tun, da muss schnell gehandelt werden. Aber wir müssen uns auch jetzt, und nicht irgendwann, um die Integration der vermutlich 40 000 Menschen kümmern, die in diesem Jahr nach Niedersachsen kommen und vermutlich ein Bleiberecht erhalten werden. Auf der anderen Seite müssen wir konsequenter sein, was den Umgang mit Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern wie dem Balkan angeht.

Brauchen wir eigene Unterkünfte für Balkanflüchtlinge, wie Bayern es vormacht?

Ich halte das für den richtigen Weg. Wer keine Chance auf ein Bleiberecht hat, sollte gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden. Und wer abgelehnt wird, der muss auch konsequent wieder zurückgeführt werden.

Niedersachsen weist nach Berlin und beklagt, dass das Bundesamt zu lange brauche, um über Asylanträge zu entscheiden.

Zugegeben: Die Verfahren dauern zu lange. Aber die Landesregierung muss selber endlich handeln: Wer zentrale Unterkünfte bisher ideologisch abgelehnt hat, schafft es jetzt nicht, diese schnell zur Verfügung zu stellen. Wer bisher nur von Willkommenskultur gesprochen hat, ist jetzt überfordert, strukturell und verbindlich die Integration zu sichern. Wer die Polizei anweist, bei drohenden Protesten gegen Abschiebung von der Rückführung abzusehen, wird bei einer Krisenbewältigung nicht vor die Lage kommen.

Geht Niedersachsen Konflikten aus dem Weg?

Ich kann verstehen – auch aus eigener Erfahrung –, dass man die schlechten Bilder nicht haben will. Aber mit dieser Haltung kann man nicht erfolgreich sein, weil man damit auch die Integration derjenigen in Gefahr bringt, die politisch verfolgt sind oder aus Kriegsgebieten kommen.

In Ihrer Amtszeit haben Sie eine andere Erfahrung gemacht: Ihre Bemühungen für mehr Integration wurden durch Ihre gleichzeitige harte Abschiebepolitik in den Schatten gestellt, wenn nicht gar zunichtegemacht. Kann man in der Ausländerpolitik zweigleisig fahren?

Man wird es müssen. Wir können unsere Verantwortung gegenüber den Zuwanderern mit Bleiberechtsperspektive nur erfüllen, wenn wir gleichzeitig diejenigen konsequent zurückführen, die keine Perspektive haben.

Sind Sie überrascht von der Welle der Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen, die ganz anders ist als in den Neunzigerjahren?

Es wundert mich weniger, denn ich habe ähnliches schon mitbekommen, als wir in meiner Amtszeit die Integrationsmaßnahmen im Land aufgebaut haben. Wir dürfen jetzt aber nicht ausschließlich auf die ehrenamtliche Arbeit setzen, sondern müssen Integrationszentren im Land aufbauen, die helfen können, Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihnen die deutsche Sprache beizubringen.

Was ist für Sie Willkommenskultur?

Willkommenskultur heißt, dass man diejenigen, die zu uns kommen, mit offenen Herzen empfängt, aber dass man ihnen auch klare Angebote zur Integration macht: Sie brauchen Sprachkurse, sie brauchen Jobs und eine Begleitung in den ersten Wochen. Einfach nur Worte zu verbreiten, wie es die rot-grüne Landesregierung macht, reicht nicht aus, das ist keine Willkommenskultur.

Interview: Heiko Randermann

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1 Gedanke zu „Schünemann hetzt wieder“

  1. Guten Tag, wir der Verein Hilfe für Menschen in Not e.V. möchten Menschen aus dem ehemaligen Jugoslavien gerne helfen in Ihrer ehemaligen Heimat ein Leben durch Arbeit und eigene Aktivitäten in der Landwirtschaft aufbauen zu können.Wir würden jährlich ca, 1000 bis 5000 Obstbäume spenden. Das Obst würden wir auch zu Saft verarbeitet. unter bestimmten Voraussetzungen ankaufen Sollte Interesse bestehen setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung.
    Kai Jeske
    Hilfe für Menschen in Not e.V.
    Warthestr.8
    29229 Celle
    Tel: 0176 24 29 85 39
    oder o5721-9362473
    Danke
    Mit freundlichen Grüßen
    Hans Rieck

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    .

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