Nachfolgend werden aktuelle Meldungen der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 17. und 18. Juni zur Unterbringungssituation in der Landeshauptstadt Hannover wiedergegeben.
HAZ v. 17.06.15
Turnhalle in Limmer für Flüchtlinge
Hannover. Die Stadt Hannover ist gezwungen, eine weitere Turnhalle als Notquartier für Flüchtlinge herzurichten. Die große Sporthalle der Grundschule Kastanienhof in Limmer steht ab morgen nicht mehr den Schülern und Sportlern zur Verfügung. Rund 30 Asylsuchende sollen in der Halle Platz finden. Grund seien die „kontinuierliche Steigerung der wöchentlichen Zuweisungsrate des Landes und der geringe Vorlauf“, teilt die Stadt mit. In dieser Woche habe Hannover 60 Flüchtlinge aufnehmen müssen.
Damit sind vier Sporthallen im Stadtgebiet belegt: eine Halle der Feuerwehr in Stöcken, die Sportstätte des ehemaligen Schulzentrums Ahlem, eine Halle der IGS Büssingweg und jetzt die Sporthalle der Grundschule in Limmer. Die Stadt hatte eigentlich geplant, die Asylsuchenden möglichst rasch in andere Unterkünfte zu verlegen, allen voran ins größte Notquartier Hannovers im ehemaligen Oststadtkrankenhaus. Doch alle Kapazitäten scheinen erschöpft.Seite 13
Sporthalle in Limmer wird zur Unterkunft
Die Turnhalle der Grundschule Kastanienhof in Limmer dient bereits ab morgen als Flüchtlingsunterkunft. Das gab die Stadt gestern in einer Pressemitteilung bekannt, auch die betroffene Grundschule wurde erst gestern Nachmittag darüber informiert.
Grund für die kurzfristige Planung ist nach Auskunft der Stadt, dass das Land der Landeshauptstadt erst in dieser Woche rund 60 zusätzliche Flüchtlinge zugewiesen hat – rund 30 davon sollen in der Turnhalle in der Harenberger Straße untergebracht werden. Der Plan stößt bei Eltern und Politik auf Unverständnis. „Die Halle ist nicht zur Unterbringung geeignet, es fehlt an Kochmöglichkeiten, einer Außenfläche und sanitären Anlagen“, kritisiert Bezirksbürgermeister Rainer-Jörg Grube (Grüne). „Wenn man die Flüchtlinge in der Turnhalle unterbringt, würde das alle Kinder des Stadtteils belasten, weil auch die Kindergärten die Halle nutzen“, sagt Kirsten Röhl-Reddig, Vorsitzende des Schulelternrats.
Grube zeigt sich über den Plan der Stadt besonders verärgert. Seit Längerem sei im Gespräch, den nahe gelegenen und derzeit brachliegenden Conti-Parkplatz zu nutzen, um dort Container für die Flüchtlinge aufzustellen. „Doch Eigentümer Günter Papenburg weigert sich“, sagt Grube. Stattdessen müsse nun die Turnhalle herhalten, die als Unterbringungsort ungeeignet sei. „In Ahlem hat man die Turnhallenunterbringung gerade aufgegeben, und in Limmer fängt man jetzt wieder damit an – das ist doch Unsinn.“ Grube fordert deshalb, dass die Turnhalle schnellstmöglich wieder freigegeben wird.
Grube plant in den kommenden Tagen eine Informationsveranstaltung für die Bürger des Stadtteils, um eventuellen Vorbehalten entgegenzuwirken.
HAZ v. 18.06.2015:
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2670 Flüchtlinge: So viele Hilfesuchende leben derzeit in Hannover, und der Landesquote zufolge muss die Stadt in diesem Jahr fast noch einmal so viele aufnehmen. Sie verfolgt dabei einen dreistufigen Plan. In mehreren Stadtteilen sind feste Gebäude als Unterkünfte im Bau oder fertig, in denen Flüchtlingsfamilien einquartiert werden. Als vorbildlich gilt das Projekt am Kronsberg. Es wird von vornherein so angelegt, dass dort später Studentenwohnungen oder Apartments eingerichtet werden können. Andere Flüchtlinge sind in ehemaligen Hotels oder angemieteten Häusern untergebracht. Weil der Platz in festen Häusern aber nicht reicht und Neubau zu lange dauert, sind Container-Wohnanlagen geplant. An etlichen Stellen ist bereits Planungsrecht hergestellt – allerdings hat sich herausgestellt, dass die Anschaffung der Container europaweit ausgeschrieben werden muss. Das dauert. Deshalb funktioniert die Stadt Sporthallen um – die in Limmer ist mittlerweile die vierte im Stadtgebiet. Auch das alte Oststadt-Klinikum ist belegt. In einer interaktiven Grafik auf haz.de zeigen wir die aktuellen und geplanten Standorte. med
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Die Unterbringung von Flüchtlingen in einer weiteren Turnhalle hat in der Ratspolitik und bei Sportvereinen Besorgnis ausgelöst. Die CDU wirft der Stadt vor, nur zu reagieren und nicht vorausschauend zu planen. „Die Belegung einer Turnhalle ist eine unhaltbare Situation – für die Flüchtlinge sowie für Schüler und Sportler“, sagt CDU-Baupolitiker Felix Blaschzyk. Neun Vereine müssen jetzt ihre Trainingszeiten ändern oder ausfallen lassen. „Wir haben Verständnis für die schwierige Lage der Stadt. Aber es kann nicht sein, dass von einem Tag auf den anderen Sportler vor die Tür gesetzt werden“, sagt der Vorsitzende des TSV Limmer, Thomas Ritzka.
Erst am Dienstagabend ist er über die Hallensperre informiert worden, gestern musste der Verein seine Sportgeräte entfernen, der heutige Gymnastikkurs fällt aus. Allzu viele Möglichkeiten, auf andere Hallen auszuweichen, bestünden nicht, teilt die Stadt mit. Neben der Turnhalle in Limmer sind in drei weiteren Sportstätten Flüchtlinge einquartiert. „Der Unmut bei den Vereinsleuten wächst“, sagt Ritzka.
Die Stadt bedauert die Unannehmlichkeiten. 60 neue Flüchtlinge habe das Land in dieser Woche nach Hannover geschickt, ohne Voranmeldung. „Und alle Kapazitäten sind erschöpft“, sagt Baudezernent Uwe Bodemann im Bauausschuss. Die Wahl sei auf die Sporthalle in Limmer gefallen, weil die Probleme dort geringer sind als bei anderen Schulsporthallen. „Immerhin hat die Schule eine zweite Halle“, sagt Bodemann. Auf Nachfrage der FDP teilt er mit, dass allein 650 Menschen im ehemaligen Oststadtklinikum untergebracht sind, mehr als doppelt so viele wie ursprünglich geplant.
Entlastung verspricht sich Bodemann von neuen Wohncontainern, die ab September geliefert werden. Auf 14 Standorte verteilt, bieten sie Platz für mehr als 1000 Flüchtlinge. Sobald die ersten Containerdörfer stehen, sollen die vier belegten Sporthallen wieder geräumt werden. Wenn der Plan aufgeht, haben Schüler und Sportler nach den Sommerferien wieder freien Lauf.
Eigentlich müsste die Stadt nicht auf die Containerlieferung in drei Monaten warten. Denn 110 Wohnmodule stehen ungenutzt beim Siloah-Krankenhaus in Linden. „Es ist bedauerlich, dass Menschen erneut in eine Turnhalle einquartiert werden, weil sich Stadt und Region nicht über die Siloah-Container einigen können“, sagt die Präsidentin des Stadtsportbunds, Rita Gischikofsky. Das Klinikum Region Hannover, Eigentümerin der Container, hatte bereits signalisiert, dass die Stadt die Module übernehmen könne. Aber um die Konditionen wird seit Monaten zwischen den beiden rot-grün geführten Verwaltungen verhandelt. „Ich bin sehr ärgerlich, dass die Region in der Frage nicht einlenkt“, sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat, Freya Markowis.
Die Stadt setzt nicht nur auf Container. „Wir schauen auch auf bestehende Häuser, etwa auf die alten Gerichtsgebäude in Hannover“, sagt Bodemann.
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Ein Kleintransporter nach dem anderen fährt auf den Parkplatz der Grundschule Kastanienhof in Limmer. Schlosser und Elektriker bereiten die 400 Quadratmeter große Turnhalle für den Einzug der rund 30 Flüchtlinge vor, die heute ankommen. Eine Firma verlegt ein Bodenvlies zum Schutz des Hallenbodens, die nächste räumt die schweren Sportgeräte aus der Halle, eine Putzfrau wischt schon einmal durch. Ob der Zeitplan wirklich klappt, ob heute alle Trennwände gezogen und Feldbetten aufgestellt sind? Gestern Abend war das noch unklar. „Wir sind sehr kurzfristig informiert worden, dass weitere Flüchtlinge kommen – es kann sein, dass der Zeitplan nicht bis ins Detail funktioniert“, sagte Stadtsprecher Andreas Möser am Abend. Flüchtlingsunterbringung – das ist für alle Stadtverwaltungen derzeit ein großes Provisorium.
Aber auch für alle anderen ist die Situation nicht leicht. Sportvereine müssen umplanen, Schulklassen und Kita-Kinder auf die Halle verzichten. „Die Stadt hat uns erst am Dienstag um 16 Uhr informiert, dass am Donnerstag die Flüchtlinge kommen – von jetzt auf gleich“, sagt Schulleiterin Cornelia Aschmutat-Hesse ratlos. Immerhin: Die Stadt lässt eine Absperrung auf dem Grundstück errichten. Denn die Sporthalle ist nur über den Schulhof zu erreichen. Den nutzen die Grundschulkinder tagsüber – zugleich müssen aber die Flüchtlinge ihre Unterkunft erreichen und verlassen können. Bauzäune mit Sichtschutz sollen für eine Trennung der Nutzergruppen sorgen.
Gestern ging alles so schnell, dass die meisten Anwohner noch gar nicht wussten, dass bald etwa 30 Menschen in der Halle der Grundschule wohnen werden. Die Meinungen darüber sind geteilt. „Wenn die Situation es verlangt, dann muss man eben teilen und abgeben“, sagt etwa Vera Burmester, erste Vorsitzende im Kulturtreff Kastanienhof, der in Sichtweite der Schule liegt. Allerdings hält sie den Plan für verfehlt, die Flüchtlinge, die ein Recht auf Privatsphäre hätten, so nah bei den Schulkindern unterzubringen. Die Passanten Heidi und Nina Mischewsky hingegen haben keine Bedenken. „Ich finde das gut, irgendwo müssen die ja unterkommen“, meinen sie.
Das aber sehen bei Weitem nicht alle so. „Meine Frau ist mit den Nerven am Ende, und auch ich habe heute Nacht nicht geschlafen“, sagt ein Anwohner. Er habe zwar Verständnis für die desolate Lage der Menschen. Aber „unsere Politiker treffen diese Entscheidungen – obwohl von denen keiner Tür an Tür mit Flüchtlingen lebt“.
Andere Limmeraner klagen, der Stadtteil verliere sein Gesicht. „Wir in Limmer waren mal stolz darauf, dass wir noch ein bisschen ländlich sind. Und jetzt kommen die Wasserstadt, die Flüchtlinge in Ahlem und die in der Turnhalle in Limmer. Wir werden von allen Seiten bombardiert“, meint eine 70-jährige Rentnerin.
Auch Schulleiterin Aschmutat-Hesse fühlt sich überrollt. „Die Unterbringung hier ist nicht ideal“, sagt sie. „Die Flüchtlinge haben eine bessere Unterkunft verdient, und für unsere Schule ist das zu kurzfristig.“ Es habe zwar vor einem halben Jahr ein Vorgespräch mit der Stadt gegeben, in dem sie informiert worden sei, dass die Turnhalle als Unterkunft irgendwann infrage komme. Doch der Vorlauf sei zu gering – sie habe die Kinder pädagogisch auf die Flüchtlinge vorbereiten wollen.
Immerhin sei durch die Abtrennung mit den Bauzäunen „klar, wo das Terrain der Schüler ist und wo das der Flüchtlinge“. Doch skeptisch ist die Schulleiterin trotzdem. „Eine Sache, die so wenig Vorlauf hat – ich habe Sorge, dass das nicht gut geht.“ Sie habe sich mit der Schulleitung in Ahlem unterhalten: „Da ist es auch nicht ganz einfach.“
Der Sportunterricht für die 165 Schüler ist indes nicht gefährdet. „Der läuft in der alten Turnhalle in vollem Umfang weiter“, sagt die Schulleiterin. Neun Kita-Gruppen und Vereinen kündigte die Stadt allerdings kurzfristig ihre Nutzungsverträge für die Turnhalle: Sie müssen jetzt woanders Sport machen.
In der Turnhalle, wo jetzt Feldbetten für die Hilfesuchenden aufgestellt werden, sind die sanitären Anlagen sehr begrenzt. Für etwa 30 Menschen gibt es drei Toiletten, ein Urinal und zwei Gruppen-Duschräume.
Einer derjenigen, die sich am meisten auf die Flüchtlinge freuen, ist Kioskbesitzer Ahmet Mukul. „Die aus der Turnhalle in Ahlem kommen auch immer zu mir und kaufen viele Guthabenkarten für ihre Handys – das werden die aus der Turnhalle Limmer sicher auch machen“, sagt der Türke lächelnd.
Am Donnerstag den 25.6. haben wir (Tischtennisgruppe der Schreberjugend Hannover) erfahren, dass auch die von uns genutzte Turnhalle der Grundschule Fichteschule in Hainholz für Flüchtlinge benötigt wird. Diese Nachricht traf uns überraschend, denn ab folgenden Montag ist die Halle bereits für Sportvereine gesperrt. Am Freitag war dann ein Bericht über die Unterbringung der Flüchtlinge in der NP zu lesen.
Unsere Sportgruppe räumt jetzt bereits zum 2. mal eine Sporthalle für die Unterbringung der Flüchtlinge.