Widerruf der Flüchtlingsanerkennung von Irakern

Nachfolgend die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zu einer fatalen Entscheidung, mit der es feststellt, dass die Widerrufspraxis des Bundesamtes gegenüber irakischen Asylberechtigten juristisch in Deutschland nicht zu beanstanden ist. Eine ähnliche Entscheidung hatte das Bundesverwaltungsgericht schon im November 2005 im Falle von afghanischen Flüchtlingen gefällt, was damals u.a. vom UNHCR scharf kritisiert worden war (Pressemitteilung des UNHCR).

gez. Timmo Scherenberg
Hessischer Flüchtlingsrat

Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgericht Nr. 15/2007

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute in mehreren Verfahren über den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung von irakischen Staatsangehörigen entschieden, die noch zu Zeiten des Regimes Saddam Husseins nach Deutschland geflohen und hier als Flüchtlinge anerkannt worden waren. In den drei Fällen ging es vor allem um die in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung umstrittene verfahrensrechtliche Frage, ob Widerrufsbescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) eine Ermessensentscheidung erfordern, wenn sie nach dem 1. Januar 2005 ergangen sind, sich aber auf Anerkennungen vor diesem Zeitpunkt beziehen. Das Erfordernis einer solchen Ermessensentscheidung ist in der mit Wirkung ab 1. Januar 2005 eingefügten Vorschrift des § 73 Abs. 2a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG)* geregelt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die neue Vorschrift zwar im Grundsatz auch in derartigen Altfällen anwendbar ist. Es hat in allen drei Fällen aber eine Ermessensausübung des Bundesamts deshalb nicht für erforderlich gehalten, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt waren.
Die Kläger der drei Ausgangsverfahren sind in den Jahren zwischen 1997 und 2001 nach Deutschland eingereiste irakische Staatsangehörige, die das Bundesamt als Flüchtlinge anerkannt hatte, weil sie schon wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland mit Verfolgung durch das Regime Saddam Husseins hätten rechnen müssen. Im Jahr 2005 hat das Bundesamt diese Anerkennungen widerrufen, weil die Verfolgungsgefahr im Irak nach der Beseitigung dieses Regimes endgültig weggefallen sei und den Klägern auch nicht aus anderen Gründen neue Verfolgung drohe. Diese Entscheidungen sind als sogenannte gebundene Entscheidungen ohne Ausübung behördlichen Ermessens ergangen. Die Verwaltungsgerichte haben die Widerrufe zum Teil wegen Fehlens von Ermessenserwägungen nach § 73 Abs. 2a AsylVfG aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster haben dagegen die Widerrufsbescheide als rechtmäßig bestätigt. Sie haben dies damit begründet, dass den Klägern nach der Entmachtung Saddam Husseins und der Zerschlagung seines Regimes keine Verfolgungsmaßnahmen im Irak mehr drohten, und haben eine Ermessensausübung des Bundesamts nach dem neuen § 73 Abs. 2a AsylVfG nicht für erforderlich gehalten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Auffassung der Obergerichte zu § 73 Abs. 2a AsylVfG im Ergebnis bestätigt. Die Vorschrift ist zwar im Grundsatz auch auf vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar gewordene Anerkennungen anwendbar. Das bedeutet aber nicht etwa, dass nach Ablauf von drei Jahren seit Unanfechtbarkeit der Anerkennung ein Widerruf nur noch im Wege einer für den Anerkannten günstigeren Ermessensentscheidung getroffen werden kann und darf. Denn nach dem in § 73 Abs. 2a AsylVfG vorgesehenen neuen zweistufigen Verfahren ist ein solches Ermessen erst dann eröffnet, wenn eine vorangegangene erste Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen stattgefunden und nicht zu einem Widerruf geführt hat (Negativentscheidung). Daran fehlt es in den vorliegenden Fällen. Darüber hinaus war auch die dem Bundesamt in der Vorschrift nunmehr gesetzte Frist für eine derartige erste Prüfung („spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung“) noch nicht abgelaufen, da diese neue Frist bei Altfällen erst mit dem Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Januar 2005 zu laufen begonnen hat. Die Frage, was bei einer Versäumung der Prüfungsfrist zu gelten hat, stellte sich daher in den vorliegenden Fällen nicht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in den beiden vom VGH München entschiedenen Fällen deshalb die Revisionen der Kläger zurückgewiesen, soweit sie den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung betrafen. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Anerkennungen lagen nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des VGH über die tatsächlichen Verhältnisse im Irak vor. Die Widerrufsregelung in der EU-Qualifikationsrichtlinie (2004/83/EG) ist wegen ihrer Beschränkung auf nach dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellte Schutzanträge (Art. 14 Abs. 1) hier noch nicht anwendbar. In einem der beiden Fälle hat das Bundesverwaltungsgericht allerdings die Sache bezüglich des hilfsweise geltend gemachten weiteren Begehrens auf subsidiären ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz an den VGH zurückverwiesen, weil dieser bislang einen solchen Anspruch des Klägers noch nicht geprüft hat.

Die Entscheidung des OVG Münster über den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung hat das Bundesverwaltungsgericht dagegen aufgehoben. Die Klägerin dieses Verfahrens hat vorgetragen, sie sei eine alleinerziehende Mutter und würde wegen Verlassens ihres Ehemannes bei einer Rückkehr in den Irak keine Aufnahme in ihrer Familie finden. Sie hat sich unter Hinweis auf eine Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe sinngemäß auf eine geschlechtsspezifische Verfolgung alleinstehender Frauen ohne familiären Rückhalt durch private Akteure berufen. Da das OVG diese Frage nicht näher untersucht und auf zu schmaler Tatsachengrundlage verneint hat, ist das Verfahren insoweit zur Nachholung der notwendigen Feststellungen an das OVG zurückverwiesen worden.

BVerwG 1 C 21.06, 34.06 und 38.06 – Urteile vom 20. März 2007
* § 73 Abs. 2a AsylVfG lautet in seinen Sätzen 1 bis 3 wie folgt:
„Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Absatz 1 oder eine Rücknahme nach Absatz 2 vorliegen, hat spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Das Ergebnis ist der Ausländerbehörde mitzuteilen. Ist nach der Prüfung ein Widerruf oder eine Rücknahme nicht erfolgt, so steht eine spätere Entscheidung nach Absatz 1 oder Absatz 2 im Ermessen.“

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8 Gedanken zu „Widerruf der Flüchtlingsanerkennung von Irakern“

  1. Hallo meine Damen und Herren

    Ich bin eine Irakarin und bin seit 2004 mit einem Iraker verheiratet, der seit 2000 in Deustchland ist. Seine Flüchltlingsanerkennung wurde 2004 Widerrufen, kurz danach hatte er ein Widerspruch eigelegt und Seitdem haben wir nichts mehr gehört. unsere Frage ist müssen wir damit rechnen dass diese Entscheidung irgendwann mal rechtskräftig wird? oder gibt es noch eine Chance für ihn?

    Dnke im Vorraus

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  2. Hallo Frau Suleman,

    Ja, Sie müssen damit rechnen dass das Widerrufsverfahren negativ abgeschlossen wird. Allerdings bedeutet das nicht, dass er seine Aufenthaltserlaubnis verlieren wird.
    Die zuständige Ausländerbehörde kann ihren Ermessensspielraum nutzen und muss mehrere Faktoren (z.B Länge des Aufenthaltes in der BRD, seine Integrationsleistungen, der Besitz eines Arbeitsplatz) in Betracht nehmen, um zu prüfen, ob ihm eine Aufenthaltserlaubnis auf einen irakischen Pass erteilt wird.

    Zu den weiteren Voraussetzungen einer Niederlassungserlaubnis siehe unten der Kommentar von Kai Weber.

    Freundliche Grüße

    Karim Alwasiti

    Flüchtlingsrat Niedersachsen

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  3. Sehr geehrte Damen und Herren

    Ich bin Aserbaidschainerin, mein Lebensgefährte kommt aus Irak, Er wohnt in Deutschland seit 2000 und hat Asylstatus. Im Jahr 2006 hat er Wiederruf bekommen,das Wiederrufsverfahren dauert bis heute noch. Er hat das Aufenthaltserlabnis(Titel im Ausweiss) erst vor 2 Jahren bekommen, vorher hatte er Aufenthalsbefugnis.

    Meine Frage wäre,was erwatet uns? wird er zurückgeschoben nach Irak, obwohl er hier schon gut integriert ist,immer gearbeitet hat und vor kurzem sein Eigenbetrieb hat und selbständig ist. Niederlassungserlaubnis kann er anschneinend nicht benatragen, da er lange Aufenthaltsbefugnis besass und mit einer Regelung erst vor 2 Jahren das Aufenthaltserlaubnis bekam.Insgesamt lebt er schon 6,5 Jahren hier.

    Danke im Voraus

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  4. Ihr Lebensgefährte ist unter den genannten Umständen nicht von Abschiebung bedroht, seine Aufenthaltserlaubnis muss also verlängert werden.
    Unter bestimmten Bedingungen kann Ihr Lebensgefährte auch nach einem erfolgten Widerruf eine Niederlassungserlaubnis erhalten. Dafür muss er aktuell eine Aufenthaltserlaubnis besitzen und seit insgesamt sieben Jahren eine der folgenden Bescheinigungen besessen haben:
    – Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (nach Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes = §§ 22 bis 26);
    – Aufenthaltsgestattung (Bei mehreren Asylverfahren zählt nur die Zeit des längsten Asylverfahrens);
    – Duldung, wobei nur die Zeit vor dem 1.1.2005 zählt;
    – „Aufenthaltsbefugnis“ nach dem alten Ausländergesetz;
    – befristete Aufenthaltserlaubnis nach §35 II des alten Ausländergesetzes für Familienangehörige;
    – „befristete Aufenthaltserlaubnis“ nach dem alten Ausländergesetz aus anderen Gründen (z.B. durch Heirat), wenn gleichzeitig auch die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (§§ 22 bis 26 Aufenthaltsgesetz) vorgelegen haben.
    [Rechtsgrundlagen: § 26 IV AufenthG; Nr. 26.4.1 Vorl. Nds. VV-AufenthG]
    Für Ihren Freund bedeutet dies: Zählen Sie die Zeiten des längsten Asylverfahrens mit Aufenthaltsgestattung, die Zeit mit Aufenthaltsbefugnis und die Zeit mit Aufenthaltserlaubnis zusammen. Prüfen Sie dann, wie lange Sie noch warten müssen, bis die sieben Jahre voll sind.
    Grundsätzlich müssen für die Niederlassungserlaubnis folgende Bedingungen erfüllt werden: eigene Lebensunterhaltssicherung, also keine Sozialleistungen (Kinder- und Erziehungsgeld zählen nicht als Sozialleistungen); mindestens 60 Monate Zahlen von Rentenversicherungsbeiträgen (Kinderbetreuungszeiten oder häusliche Pflege zählen auch); in den letzten drei Jahren keine Verurteilung zu einer Jugend- oder Freiheitsstrafe von sechs oder mehr Monaten und keine Geldstrafe von 180 oder mehr Tagessätzen; Arbeitserlaubnis; ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland (Nachweis zum Beispiel über den Besuch eines „Integrationskurses“); ausreichender Wohnraum. [§ 9 II AufenthG]
    Für Ihren Lebensgefährten gilt aber eine ßbergangsregelung: § 102 Abs. 2 im Zusammenhang mit § 26 Abs. 4 und [§ 104 Abs. 2] Da er schon vor 2005 eine Aufenthaltbefugnis besessen hat, muss er die Rentenversicherungszeiten nicht nachweisen. Auch auf den Nachweis von Kenntnissen der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung wird dann verzichtet und es genügt, dass er sich auf Deutsch mündlich verständigen kann.
    Unter Umständen ist es für Ihren Lebensgefährten einfacher, sich direkt einbürgern zu lassen. Lesen Sie dazu bitte hier

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  5. Sehr geehrte Damen und Herren,
    hiermit möchte ich Ihnen fragen ob jetzt in Deutschland lebenden christen aus dem Irak ein Bleiberecht bekommen,weil die lage sich in Irak verschlechtert hat.Gibt es eine chance ? über eure antwort würde ich mich freuen

    Danke Ihnen im Voraus!

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  6. Sehr geehrte Damen und Herren,
    ich bin iraker (Armenier, Christ) und lebe seit 5 Jahre in Deutschland und studiere Chemie an der Uni zu klön ,meine Flüchtlingsanerkennung wurde 2005 Widerrufen, kurz danach habe ich ein Widerspruch bei Verwaltungsgerichts klön eingelegt. Die Verwaltungsgerichts klön hat den Widerruf abgelehnt und mir den Recht gegeben mein Asylstatus zu behalten, da die lange im Irak nicht so sicher ist danach hat das Bundesamt Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgericht Köln eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht NRW hat die Berufung zugelassen. Es hat ein Jahr gedauert und das war letztes Jahr Oktober 10/06 bis ich einen Brief vom Oberverwaltungsgericht NRW bekommen habe und die Oberverwaltungsgericht hat entschlossen das ruhen des verfahren anzuordnen (die Anordnung erscheint im Hinblick auf die Vorbefassung bzw. zu erwartende Neubefassung andere Obergerichte mit der Problematik religiöse Minderheiten aus dem Irak bis zum ergehen einer höchst richterlichen Entscheidung zu den relevanten Fragestellungen zweckmäßig . Dieser Beschluss ist unanfechtbar (&80 asylVfG) ). Meine Frage ist was von Vorteile hat diese Entscheidung für mich????und muss ich damit rechnen dass es dem Bundesamt irgendwann mal trotz dieses Beschluss gelingen wird meine Asylstaus zu widerrufen ?????falls ya kann ich immer noch Berufung bei BverwG einlegen weil mit der entscheidung von BverwG vom 18.07.2006 , hat das BVerwG eine den Widerruf einer Asylanerkennung bestätigende Entscheidung des Bayrischen VGH aufgehoben und mit der Begründung zurückverwiesen, der VGH habe die Gefahr einer privaten Gruppenverfolgung von Christen im Irak auf einer zu schmalen Tatsachenfeststellung beurteilt. über einen Antwort würde ich mich freuen …

    Danke Ihnen im Voraus!

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  7. Sie bleiben weiterhin anerkannter Flüchtling. Mit einem Widerruf ist angesichts der von Ihnen zitierten Entscheidung des BverwG und angesichts der aktuellen politischen Entwicklung derzeit auch nicht zu rechnen. Selbst das Bundesamt erkennt ja Christen aus dem Zentralirak derzeit als politisch Verfolgte an. Nach sechsjährigem Aufenthalt können Sie als anerkannter Flüchtling einen Einbürgerungsantrag stellen. Insofern würde ich Ihnen raten, derzeit einfach abzuwarten und beizeiten die Möglichkeiten und Bedingungen eines asylunabhängigen Aufenthaltsrechts zu klären.

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  8. Guten Tag!
    Ich bin ein Iraker. Seit Aug. 2001 in Deutschland lebe und arbeite.
    Am April 2006 bekam ich den Widerrufbrief, und mit meiner Rechtsanwältin habe ich erst den Bundesrepublik Deutschland geklagt, dann am August 2007 konnte ich das ganze Verfahren ruhen lassen.

    Die Frage ist: War was ich gemacht habe richtig?
    Oder sollte ich ins Gericht gegangen bin?

    Vielen Dank für Ihre Mithilfe

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