"Demokratie" auf kurdisch – ein weiteres Beispiel gefällig?

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Text der GfbV „INTERVIEW MIT DR. DAKHIL SAID KHIDIR“ möchte ich einige Zeilen schreiben, da ich es langsam nicht mehr ertragen kann, wie das Nahost-Referat der GfbV sich als Anwalt für ein nicht mehr bedrohtes Volk präsentiert.

Vielleicht wird dies auch das letzten Mal sein, dass ich auf ein Info-Mail der GfbV etwas schreibe, denn Kritik scheint beim Nahost-Referat nicht erwünscht zu sein. Kritisiert man, wird man in einen Topf mit radikalen Muslimen oder Mitarbeitern des ehemaligen Saddam-Regimes in Verbindung gesetzt.

Ich bin christlicher Assyrer aus der Türkei (in der es inzwischen fast keine Assyrer mehr gibt) und habe weder mit der einen noch mit der anderen Gruppierung etwas zu tun.

Wieso ich mich für die Yeziden einsetze mögen einige fragen “ weil es immer schon hieß: heute die einen, morgen die anderen “ heute die Yeziden, morgen die Assyrer.

Das Nahost-Referat, das derzeit als hervorragender Anwalt der muslimischen Kurden innerhalb der GfbV fungiert, sollte sich die Frage stellen, ob es die Objektivität verloren hat. Es sollte heute nicht mehr Aufgabe einer Menschenrechtsorganisation sein, sich für ein nicht mehr bedrohtes Volk einzusetzen, sondern für die in ihrer Existenz tatsächlich bedrohten Minderheiten. Im Nordirak sind das die Assyro-Chaldäer, die Mandäer und die kurdischen Yeziden. Die muslimischen Kurden waren es bis vor einigen Jahren. Wer behauptet, sie seien es heute noch, hat den Sinn seiner Arbeit aus dem Auge verloren.

Nun einige Anmerkungen zum Text, der mir vorkommt als würde ich gerade eine Geschichte aus 1001 Nacht lesen “ am Ende fehlt vielleicht noch „und wenn sie nicht gestorben (oder getötet) wurden“.

Die Fragen des Interview sehen wie folgt aus: „Wie konnte es zu solchen ßbergriffen kommen, obwohl die kurdischen Yeziden seit 1991 kontinuierlich zu mehr Freiheiten und Rechten in Kurdistan gelangen konnten und als gleichwertig anerkannt werden?“ “ „In einigen Erklärungen aus dem Ausland ist von einer getöteten vergewaltigten yezidischen Frau die Rede. Was können sie hierzu sagen?“ “ „Handelt es sich um bewusst gestreute Gerüchte, wenn ja, wer könnte hinter solchen Gerüchten stecken?“

Was soll Dr. Dakhil Said wohl darauf antworten? Wird Dr. Dakhil Said die kurdische Regierung kritisieren, wenn er selbst ein Teil der gesamten Organisationsstruktur ist? Bestimmt nicht. Die gestellten Fragen sind viel zu unkritisch. Im Grunde steckt in einigen Frage schon die Antwort.

Wenn bereits ein Familienkonflikt derartige Situationen hervorbringen kann, was ist dann erst zu erwarten, wenn es einen ethnisch-religiösen Konflikt geben wird?

Der Mob stellte sich nach Ansicht von Dr. Dakhil Said zusammen aus von außen beeinflussten Personen. Aus jedem Winkel kamen nach seiner Ansicht ehemalige Saddam-Anhänger innerhalb kürzester Zeit heraus, die den erwähnten Mob bildeten. Richtig?

Falsch, denn es waren muslimische Kurden, die den Mob darstellten. Muslimische Kurden, die seinerzeit bestimmt auch Angehörige bei Angriffen Saddams verloren haben. Keine Saddam-Sympathisanten wie im Text suggeriert wird. Und auch keine Araber wie man zwischen den Zeilen zu lesen vermag. Mit der Vermutung (!), dass die Meute von außerhalb der Stadt gekommen seien, versucht man die gesamte Situation als „von außen beeinflusst“ zu beschreiben. Alle anderen sind schuld nur nicht die muslimischen Kurden.

Die Hinweise im Text über die Verbundenheit der Yeziden mit den kurdischen Führern habe ich verstanden. Den Zweck auch. Genauso habe ich die Hinweise über die Verbundenheit der geistlichen Führer mit der kurdischen Regierung verstanden. Und diesen Zweck auch. Ein Schlingel ist, wer Böses dabei denkt.

Meine Besorgnis über weitere (Un-)Taten wird durch das Rechtfertigungsinterview (denn es ist nichts anderes) bestimmt nicht weniger. Sie steigt eher, da es den Anschein hat, dass das Nahostreferat der GfbV ihre Kritikfähigkeit verloren hat, seitdem die GfbV eine Niederlassung im kurdischen Nordirak unterhält. Ich als Assyrer bin und bleibe stark besorgt über die Situation im Nordirak, dem gelobten Lande wenn man einigen glauben mag.

Richtig, dem gelobten Land für die muslimischen Kurden aber nicht für die bedrohten Minderheiten, die yezidischen Kurden und auch nicht für meine Volksgruppe, die christlichen Assyrer, deren Ende im Irak geschlagen hat. Das Ende wie schon in der Türkei und im Iran praktiziert.

Mit der Hoffnung, dass die GfbV ihrem Namen treu bleibt verbleibe ich freundlichst

Shlemun Shushe

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2 Gedanken zu „"Demokratie" auf kurdisch – ein weiteres Beispiel gefällig?“

  1. Stellungnahmen der Yezidischen Gesellschaft in Deutschland zur ßußerungen von Herr Tilman Zülch in der Mindener Tageblatt

    Die Yezidische Gesellschaft in Deutschland hat mit Befremden die ßußerungen Herrn Zülchs, dem Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker aus Göttingen, zur Kenntnis genommen, die er anlässlich von Demonstrationen gegen progromartige ßbergriffe auf Yeziden, ihre religiösen Stätten, Geschäfte und Privathäuser in Shekhan/Nordirak am 15./16. Februar 2007 in der Presse machte. Seine Aussage, bei den Veranstaltern dieser Demonstrationen handele es sich um „yezidische Splittergruppen, die die Verwaltung im Nordirak gezielt infrage stellen und die zum Teil mit dem gestürzten Diktator Saddam Hussein kooperiert hätten“ stellt eine schwere Beleidigung des Veranstalters, nämlich der Yezidischen Gesellschaft in Deutschland, dar. Herr Zülch hat entweder aus Unwissenheit über die Gruppe, falsche Informationen über ihre Vertreter herausgegeben oder aber er verunglimpft gezielt die Leute, die sich gegen Menschenrechtsverletzungen im Nordirak eingesetzt haben. Beides lässt doch stark an der Integrität des Herrn Zülch zweifeln. Zum einen wäre zu erwarten gewesen, dass er die Vorkommnisse vom 15./16. Februar, als Vertreter einer Menschenrechtsorganisation verurteilt und nicht schön redet. Zum anderen ist es beschämend für seine Organisation, dass er ehrabschneidend über Menschen redet, von denen er zumindest suggeriert, dass er sie kennt. Zu seiner und zur Information der Leser sei gesagt, dass es sich hier um Verfolgte des Saddam Regimes handelt, die selbst und ihre Familien ihre Opposition zum Saddam Regime bitter bezahlt haben. Einer von ihnen verlor bei der Anfal-Kampagne, deren Täter zzt. vom Obersten Irakischen Strafgerichtshof abgeurteilt werden sollen, 39 Familienmitglieder, darunter seine Frau und alle seine Kinder, sein Land und Vermögen wurden beschlagnahmt. Auch die anderen Mitveranstalter verloren enge Angehörige durch die Anfal-Kampagne, auch ihr Besitz wurde beschlagnahmt und Familienmitglieder willkürlich verhaftet. Allerdings fällt es schwer, zu glauben, dass Herr Zülch tatsächlich nicht weiß, wen er hier angegriffen hat. Er gibt selbst an, dass er mehrfach im Nordirak gewesen ist und nach unseren Informationen auch immer noch regelmäßig dort hinfährt. Erstaunlich nur, dass jemand, der sich „für bedrohte Völker“ einsetzt, die ausgesprochen gefährliche Situation für die im Nordirak lebenden Minderheiten, wie Yeziden und Christen, einfach abstreitet. Da fragt man sich doch, wen Herr Zülch dort besucht, offenbar nicht Angehörige dieser Minderheiten, die diesen ßbergriffen ausgesetzt sind. Ansonsten müsste ihm ja bekannt sein, dass die Wasserquellen in Khanek vergiftet und viele Yeziden und Christen umgebracht wurden. Er sollte wissen, dass insbesondere Yeziden in den Städten nicht arbeiten dürfen, weil man sie als „unrein“ betrachtet und vor allem dürfte ihm nicht verborgen geblieben sein, dass gezielt versucht wird, die Yeziden und Christen zu vertreiben, um billig ihr Land aufkaufen oder sich aneignen zu können. All diese Dinge geschehen nicht heimlich im Verborgenen, über sie wird im Nordirak geredet. Herr Zülch hat sich lediglich mit Vertretern der kurdischen Regierung getroffen, z.B. mit Dr. Dakhil Said Khidir, einem Minister in dieser Regierung, der auch Yezide ist, aber vorrangig die Interessen der Partei Barzanis, der PDK, vertritt. Hätte er auch am Ort der ßbergriffe des 15./16. Februars mit betroffenen Augenzeugen gesprochen, hätte er erfahren, dass erstaunlich viele der aus Duhok, Semel, Gasruk, Atrosh und Jera stammenden Täter Mitglieder genau dieser Partei sind und verzweifelte Anrufe im Büro Barzanis, die auf die Ansammlung dieser Leute und die Gefahr von ßbergriffen hinwiesen, schlicht abgewimmelt wurden.
    Offizieller Hintergrund der ßbergriffe war der Umstand, dass zwei yezidische Polizisten auf dem Weg zur Arbeit von einer muslimischen Frau um Hilfe gegen ihren gewalttätigen Ehemann angefleht wurden und sie die Frau mit zur nächsten Kontrollstelle genommen hatten, um sie in Sicherheit zu bringen, wie alle drei es bei Befragungen ausgesagt haben. Leider wurde die Frau, nachdem sie von anderen Polizisten zu ihrer Familie zurückgebracht worden war, von dieser ermordet, weil man ihr unterstellte, ein Verhältnis mit den beiden Polizisten gehabt zu haben, sonst wäre sie nicht in ihr Auto gestiegen. Dann suchte man die beiden Polizisten und steckte das Haus eines von ihnen an, wogegen die Obrigkeit nichts unternahm, außer zu sagen, man habe alles unter Kontrolle. Die „Kontrolle“ sah allerdings so aus, dass man zusah, wie die Sache eskalierte, jedenfalls waren Autos des örtlichen Parteibüros der PDK vor Ort und uniformierte Polizei, als die marodierende Menge die Häuser der yezidischen Einwohner überfiel, ohne dass einer von ihnen dies zu verhindern suchte. Erst durch das Eingreifen des irakischen Präsidenten Talabani, der über die Untätigkeit der kurdischen Regierung informiert wurde, konnten die ßbergriffe gestoppt werden. Warum beschränkt sich Herr Zülch darauf, unreflektiert wiederzugeben, was die kurdische Regierung zu diesen Vorkommnissen sagt. Selbst wenn man ein gutes Verhältnis zueinander hat, entbindet dies doch nicht davon, Sachaufklärung zu betreiben. Dazu reicht es sicher nicht, nur eine Seite zu befragen, schon gar nicht, wenn diese Seite befangen sein könnte, man bedenke nur die Bemühungen um deutsche Unterstützung beim wirtschaftlichen Aufbau.
    Die Tatsache, dass eine Gruppe in Deutschland diese Vorkommnisse in die deutsche ßffentlichkeit getragen hat, hat zu Drohungen gegenüber den Gruppenmitgliedern und ihren Familien geführt. Ein Umstand, der zeigt, wie sehr man im Nordirak bemüht ist, die tatsächliche Situation dort vor den Europäern zu verbergen. Warum also macht sich Herr Zülch zum Werkzeug von Menschen, die Menschen vertreiben wollen?
    Die Vorfälle von Februar haben zu weit verbreiteter Angst geführt, viele Familien überlegen, ihr Land zu verlassen. Irgendjemand macht den Menschen dort weis, dass die USA und Australien gerne mehrere tausend Yeziden aufnehmen möchten, man könne sich für eine solche Aufnahme in Damaskus/ Syrien registrieren lassen. Auch dazu muss man den Irak verlassen, ohne Rückkehrmöglichkeit, weil Hab und Gut für die Reise verkauft werden musste. Wo wohl werden diese Menschen landen?

    Sprecher der Yezidischen Gesellschaft in Deutschland
    M.L.L Said Pirmurat
    pirmuratsaid@hotmail.com

    Antworten
  2. Eine kurze Erklärung zur Stellungnahme vom Sprecher der Yezidischen Gesellschaft in Deutschland

    Es ist sehr wichtig zu wissen, dass diese o.g. Organisation überhaupt nicht extiert. Bis 1992 war Pirmurad selber ein bekannter baathist und dann ab 1992 als ein Mitglied der kommunistischen Partei/Irak in Landkreis Sheikhan/Naynawa. Wir wunderen uns, wenn wir ihn sehen, dass er sich in Deutschland als Sprecher yezidischen Religion, Menschenrechtler und als ein yzidischer Pastor zeigen will!!

    Ich bin vollig davon überzeugt, dass ein Baathist niemals einen Menschenrechtler sein kann, und ein kommunist niemals einen Pastor sein kann.

    Man kann nicht nur Zeilen über solche Persönlichkeiten schreiben, sonderen Bücher.

    Rashid Qaidy aus Deutschland

    Antworten

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