Der Artikel „Geld macht verdächtig“ aus der Jungle World vom 13.11., beschäftigt sich vor dem Hintergrund des seit Inkraftttreten des Asylbewerberleistungsgesetzes vor 15 Jahren unverändert gebliebenen monatlichen Taschengeldes für erwachsene Flüchtlinge in Höhe von 40,90â?¬ mit der Frage, was einem Flüchtling passieren kann, wenn er mehr als 50â?¬ bei sich führt. Der Autor Kai Schöneberg geht dabei skandalösen Vorgängen in Oldenburg nach. Dort wurde in diesem Jahr bereits fünfmal Geld von Flüchtlingen aus der dortigen ZAAB einbehalten, weil diese mehr als 50â?¬ dabei hatten.
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Artikel von Mirko Knoche, erschienen in der jungeWelt am 27.10.2008
Die Oldenburger Polizei geht den ärmsten der Armen ans Geld. Nach einem Bericht der taz-Regionalausgabe Nord vom Freitag konfiszieren die Beamten bei Asylbewerbern sämtliches Bargeld über einem Betrag von 50 Euro. Die Behörden gehen davon aus, daß alle Summen illegalen Ursprungs seien, die über das monatliche Taschengeld von 40,90 Euro hinausgehen. Die krumme Summe stammt noch aus Zeiten der Umrechnung von D-Mark in Euro und ist seither nicht mehr erhöht worden. Die Flüchtlinge müssen nach der Konfiszierung nachweisen, daß sie das Geld rechtmäßig erworben haben. Die Polizei bestätigte die Vorwürfe und berief sich laut taz auf ein Amtshilfe-Ersuchen der Zentralen Ausländer- und Aufnahme-Behörde (ZAAB) bei Oldenburg.
Reinhold Kühnrich vom Arbeitskreis Asyl Oldenburg vermutete im Gespräch mit junge Welt angesichts der Beteiligung der Landesbehörde, daß Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hinter der Aktion stecke. Der Law-and-Order-Politiker habe in Niedersachsen bereits Verhältnisse „wie in Bayern“ geschaffen. Aktuell seien zwei Fälle von Bargeldkonfiszierungen bekanntgeworden. Daß sich das Innenministerium durch seinen Sprecher auf das Asylbewerberleistungsgesetz und die darin enthaltene Taschengeldregelung beruft, findet Kühnrich schlicht „makaber“. So habe auch der Arbeitskreis Asyl Bargeld an Asylbewerber ausgehändigt, um ihnen Integrationskurse zu ermöglichen.
Im Asylbewerberleistungsgesetz ist neben der Taschengeldregel auch eine Klausel enthalten, die es Flüchtlingen erlaubt, ein Viertel des Einkommens aus Erwerbstätigkeit für sich zu behalten. Nach der neuen Beschlagnahme-praxis können Asylbewerber nun daran gehindert werden, frei über ihren Arbeitslohn zu verfügen. Flüchtlingsaktivist Kühnrich hat bereits die Hilfsorganisation Pro Asyl eingeschaltet und will öffentlich über die Umstände aufklären. Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen schloß sich Kühnrichs Kritik an. Die Konfiszierungen „verhöhnten“ die Asylbewerber.
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Desweiteren ist am 24.10.2008 in der taz ein Artikel mit dem Titel „Inkasso von der Polizei“ erschienen.
Kai Schöneberg – Die Ordnungshüter konfiszieren von Asylbewerbern aus dem Flüchtlingslager Blankenburg neuerdings Geld, wenn diese mehr als 50 Euro dabei haben. Man geht davon aus, dass das Geld illegal erworben wurde
Flüchtling und mehr als 50 Euro dabei? Dann kassiert die Polizei ab. Asylbewerbern, die mehr als diese Summe in der Tasche haben, werden in Oldenburg von der Polizei „erleichtert“.
ßber derartige Inkassomethoden der Ordnungshüter gegenüber Flüchtlingen aus dem Lager in Blankenburg in der Nähe von Oldenburg beschweren sich Antirassismus-Helfer. „Er hatte 160 Euro dabei und die Polizei behaupteten, er dürfe nicht mehr als 50 Euro dabei haben. Die anderen 110 Euro wurden einbehalten und er sollte sie am nächsten Tag wieder bei den „sozialen Diensten“ im Lager Blankenburg abholen“, schreibt eine anonyme Helferin aus Oldenburg in einer Email.
In einem anderen Fall sollen einem Asylbewerber, der 60 Euro dabei hatte, die angeblich „überzähligen“ zehn Euro abgenommen worden sein. Es geht um Flüchtlinge aus der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörde (ZAAB) bei Oldenburg.
Die Oldenburger Polizei bestätigt die Vorfälle: „Wir handeln nach einem Amtshilfeersuchen der ZAAB“, erklärt ein Polizeisprecher. Die Flüchtlinge erhielten hier neben „freier Kost und einer Rundumversorgung“ monatlich 40,90 Euro „Taschengeld“. Bei mehr im Portemonnaie gehe „man davon aus, dass das nicht von dem Geld kommen kann, da hätte er ja monatelang sparen müssen“, sagt der Polizeisprecher. Deshalb werde das Geld konfisziert, im Lager werde später „geprüft, ob er das Geld haben darf“.
Grundlage: Paragraph 7 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Kurzum: Geschenke, aber auch durch Arbeit verdientes Geld sind bei Flüchtlingen, die von Abschiebung bedroht sind, nicht erlaubt. Ergo: Wer mehr als 50 Euro dabei hat, kann das Geld nur auf unrechtmäßigem Weg bekommen haben.
Von einer derart harschen Auslegung des Gesetzes hat Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat noch nicht gehört. Die Konfiszierung der Barmittel habe eine „neue Qualität in der Verhöhnung von Menschen, die ohnehin nur von 70 Prozent der Sozialleistungen leben müssen“, schäumt Weber. Das „Taschengeld“ für Flüchtlinge habe sich zudem seit dem Jahr 1993 nicht erhöht.
Für einen „entmündigenden“ Umgang mit Flüchtlingen hält das auch Reinhold Kühnrich vom Oldenburger Arbeitskreis Asyl. „Bislang“, sagt Kühnrich, „haben wir den Leuten einfach 200 Euro in die Hand gedrückt, damit sie ihren Deutschkurs bei der Volkshochschule zahlen können“.
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